Die Geburtsstunde eines neuen Kapitels in der Welt der genetischen Datenverwaltung ist angebrochen: Sei Blockchain, eine etablierte Layer-1-Blockchain, hat bekanntgegeben, das genetische Biotechnologie-Unternehmen 23andMe zu übernehmen. Diese Entscheidung erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem 23andMe infolge finanzieller Schwierigkeiten den Antrag auf Insolvenz nach Chapter 11 gestellt hat. Die Übernahme beschäftigt sich nicht nur mit der Fortführung einer Marke, die Pionierarbeit im Bereich der persönlichen DNA-Analyse geleistet hat, sondern eröffnet darüber hinaus ein technologisches und sicherheitspolitisches Kapitel in Sachen genetischer Privatsphäre. Die Integration von 23andMe-Daten in die Blockchain von Sei hat das Potenzial, den Umgang mit sensiblen persönlichen Informationen grundlegend zu verändern und den Nutzern die Hoheit über ihre Daten zurückzugeben. Die Hintergründe der Übernahme sind eng mit dem Insolvenzverfahren von 23andMe verbunden.
Ursprünglich als Vorreiter im direkten DNA-Testing für Verbraucher gestartet, konnte 23andMe Anfang der 2010er Jahre rasantes Wachstum verzeichnen. Die Möglichkeit, die eigene genetische Information bequem per Speichelnachweis zu analysieren, weckte großes Interesse. Doch mit dem abnehmenden Interesse der breiten Masse am genetischen Selbsttracking und wiederkehrenden Schwierigkeiten, nachhaltige Monetarisierungsmodelle zu entwickeln, geriet das Unternehmen zunehmend in finanzielle Schieflage. Zusätzlich trugen eine Reihe von Herausforderungen zur existenziellen Krise bei. Besonders die Datenschutzverletzung im Jahr 2023, die vertrauliche Daten von Millionen von Kunden kompromittierte, war ein schwerer Schlag.
Folgen waren zahlreiche Klagen und ein tiefgreifender Vertrauensverlust seitens der Nutzerschaft. Ferner resultierte die kostspielige Akquisition von Lemonaid Health im Jahr 2021 nicht in den erhofften Gewinnen, was die wirtschaftliche Lage weiter verschärfte. Auch interne Führungsprobleme und der Rücktritt der gesamten unabhängigen Unternehmensführung im Jahr 2024 schufen ein Klima der Unsicherheit. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung zur Übernahme durch Sei Blockchain auch als strategische Rettungsaktion zu verstehen. Die Übernahme selbst wird vor allem als ein sicherheits- und datenschutzpolitischer Coup dargestellt.
Sei Blockchain betont, dass die Privatsphäre genetischer Daten in den USA inzwischen eine nationale Sicherheitsfrage darstellt. Durch die Nutzung der dezentralen und unveränderlichen Infrastruktur der Blockchain-Technologie will Sei sicherstellen, dass die sensiblen DNA-Informationen der rund 15 Millionen Nutzer künftig geschützt und transparent verwaltet werden. Die besondere Stärke der Blockchain – der Schutz vor unautorisierter Manipulation und der Nachweis von Datenintegrität – wird als Kernvorteil für den Umgang mit genetischen Informationen hervorgehoben. Ein zentraler Aspekt ist die Rückgabe der Datenhoheit an die Nutzer selbst. Sei plant, die gespeicherten genetischen Daten verschlüsselt und vertraulich auf der Blockchain zu verwalten.
Nutzer sollen zukünftig durch individuelle Zugriffsrechte entscheiden können, wem sie ihre Daten zu Forschungszwecken oder im Rahmen der Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen zugänglich machen. Durch eine transparente Aufzeichnung aller Transaktionen auf der Blockchain können Nutzer die Nachvollziehbarkeit und Sicherheit ihrer Datenaktivitäten jederzeit überprüfen, was das Vertrauen in die Verwaltung ihrer genetischen Informationen stärken dürfte. Dies bietet zugleich neue wirtschaftliche Chancen. Anwender können ihre genetischen Daten monetarisieren, indem sie die Teilnahme an Studien aktiv erlauben oder bestimmte Datenpakete selektiv zur Verfügung stellen. Die Blockchain schafft also nicht nur Sicherheit, sondern auch einen Rahmen, bei dem Nutzer für die Nutzung ihrer Daten gerecht entlohnt werden können – ein Modell, das bisher im Bereich der Biotechnologie und der genetischen Forschung kaum verbreitet ist.
Die Initiative von Sei Blockchain ist zudem Teil des größeren Trends hin zu Dezentralisierter Wissenschaft, kurz DeSci, die sich zum Ziel gesetzt hat, wissenschaftliche Forschung und Datenverwaltung auf transparente, gemeinschaftlich kontrollierte und dezentrale Technologien umzustellen. Durch die Verknüpfung von DNA-Daten mit Blockchain-Technologie könnten nicht nur Datenschutzprobleme gelöst, sondern auch Forschungsprozesse effizienter und demokratischer gestaltet werden – von der Datenakquise über Studien bis hin zur Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse. Doch trotz der vielversprechenden Perspektiven ist die technische und organisatorische Umsetzung dieses Vorhabens mit enormen Herausforderungen verbunden. Die sichere und präzise Übertragung großer Mengen sensibler genetischer Daten auf die Blockchain erfordert umfassende technische Expertise, einwandfreie Datenschutzmechanismen und Kooperationen mit zahlreichen Stakeholdern im Bereich der Biotechnologie und Verbraucherrecht. Auch Fragen der Einhaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Datenschutzgesetze wie die DSGVO in Europa oder vergleichbare Regelwerke in den USA, müssen sorgfältig berücksichtigt werden.
Unterdessen ist die Reaktion des Marktes auf die Insolvenz von 23andMe gemischt. Der Aktienkurs der Firma ist nach der Ankündigung signifikant gefallen und viele Nutzer haben bereits begonnen, ihre Accounts zu löschen. Gleichzeitig hat die Übernahme durch Sei Blockchain eine positive Wirkung auf die Blockchain-Währung SEI gezeigt, die in letzter Zeit an Popularität zunimmt. Die zuversichtlichen Erwartungen, dass die Integration von 23andMe das Ökosystem der Blockchain stärkt, spiegeln sich in einem Anstieg des SEI-Preises wider. Die Umstrukturierung bei 23andMe führte darüber hinaus zum Rücktritt der Gründerin Anne Wojcicki als CEO, eine Veränderung, die den Weg für eine Neuausrichtung und Integration in die Blockchain-Infrastruktur ebnen soll.