Robot.com, einst bekannt unter dem Namen Kiwibot, ist ein Beispiel für eine beeindruckende Erfolgsgeschichte aus Lateinamerika, die zeigt, dass kleinere Unternehmen mit innovativen Ideen große globale Ambitionen verfolgen können. Gegründet im Jahr 2017 von einer Gruppe von Universitätsstudenten in Kolumbien, hat sich das Unternehmen in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Akteur auf dem internationalen Robotikmarkt entwickelt. Mit einer Flotte von über 500 Robotern, die von Ingenieuren in Medellín entworfen und zusammengebaut werden, ist Robot.com heute in mehr als 30 US-Bundesstaaten sowie in Regionen wie Dubai und Saudi-Arabien aktiv.
Die Geschichte von Robot.com ist nicht nur ein Erfolg für das Unternehmen selbst, sondern auch ein Beleg für das wachsende Potenzial Lateinamerikas im Bereich der Robotik und Digitalisierung. Dabei muss sich das Unternehmen mit diversen Herausforderungen auseinandersetzen, angefangen von hohen Produktionskosten über eine geringe Investorenbereitschaft bis hin zu einem Mangel an öffentlicher Unterstützung für Forschung und Entwicklung in der Region. Die Robotikbranche gehört weltweit zu den wachstumsstärksten Segmenten der Technologie, angetrieben durch steigenden Bedarf an Automatisierung aufgrund von Arbeitskräftemangel und branchenübergreifenden Effizienzanforderungen. In Lateinamerika steckt diese Branche jedoch noch in den Kinderschuhen.
Viele der hier ansässigen Startups konzentrieren sich vor allem auf die Entwicklung intelligenter Softwarelösungen sowie Künstlicher Intelligenz, während die eigentliche Hardwarefertigung oft an Unternehmen in Asien oder den USA vergeben wird. Diese Dynamik spiegelt sich auch in der Strategie von Robot.com wider. Obwohl das Unternehmen seine Roboter in Kolumbien designt und zusammenbaut, nutzt es technologische und technische Expertise aus anderen Regionen, zum Beispiel durch den Erwerb eines taiwanesischen Unternehmens für KI-Chips und regelmäßige Forschungsreisen nach China. Technologisch sind die Roboter von Robot.
com auf dem neuesten Stand der Technik, ausgestattet mit hochentwickeltem GPS, modernen Lidar-3D-Sensoren und Computer-Vision-Systemen. Ihre Autonomielevel entsprechen dem Level 4, vergleichbar mit den führenden US-amerikanischen und chinesischen Lieferrobotern. Dies erlaubt ihnen präzise Navigation durch Großstädte und die Beförderung bis zu 2,5 Kilogramm Fracht. In der Praxis werden sie vor allem zur Auslieferung von kleinen Paketen, Lebensmitteln und Büchern eingesetzt, zum Beispiel an Universitäten wie der University of California in Berkeley, wo sie von Studierenden bereits gut angenommen wurden. Doch das Produktportfolio von Robot.
com ist längst vielfältiger geworden. Das Unternehmen betreibt auch Roboter für Lagerlogistik, Sicherheitszwecke sowie für Werbeanzeigen und Inspektionen. Ein aktuelles Beispiel für die Verbreitung der Technologie ist eine Kooperation mit der Verkehrsbehörde von Washington D.C., bei der Roboter genutzt werden, um Infrastrukturdefekte wie Schlaglöcher oder defekte Ampeln zu erkennen und in Echtzeit zu melden.
Dieses Projekt zeigt das Potenzial von Robotik auch für den öffentlichen Sektor und die Smart City Entwicklung. Die Erfolgsgeschichte von Robot.com steht jedoch auch stellvertretend für die strukturellen Defizite Lateinamerikas im Technologiesektor. In Kolumbien etwa sind öffentliche Investitionen in Forschung und Entwicklung äußerst gering und liegen derzeit bei nur 0,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Vergleich investieren Länder wie China oder Südkorea zwischen 2,6 und 5 Prozent.
Diese Diskrepanz hat spürbare Folgen für die Entwicklung von Technikunternehmen und erschwert es Startups, an die notwendige Finanzierung zu kommen. Trotz Versprechen der Politik zur Förderung von Wissenschaft und Technologie ist das Budget in den letzten Jahren sogar zurückgegangen. Der ehemalige kolumbianische Handelsminister José Manuel Restrepo äußerte sich besorgt darüber, welche Auswirkungen dieses Vorgehen auf die Zukunft des Landes während der vierten industriellen Revolution haben wird. Viele Firmen in Lateinamerika sind deshalb auf ausländische Märkte angewiesen, um Einnahmen und Investitionen zu generieren. Die Expansion von Robot.
com in die USA ist daher ein wichtiger Meilenstein, der zugleich zeigt, wie junge Unternehmen aus der Region globale Wettbewerber herausfordern können. Weitere Beispiele aus Lateinamerika zeigen, dass sich die Robotikbranche allmählich zu konsolidieren beginnt. In Brasilien entwickelt die Firma Human Robotics autonome Roboter für Veranstaltungen, in Peru unterstützt Tumi Robotics Bergbau und Meeresforschung mit intelligenten Robotern. In Mexiko plant das Startup Roomie ebenfalls die Expansion in die USA. Daneben entstehen in Chile mit Levita Magnetics sogar chirurgische Roboter, die sowohl in lokalen Krankenhäusern als auch international eingesetzt werden.
Die Ansätze dieser Unternehmen sind vielfältig, von praktischen Dienstleistungsrobotern bis hin zu spezialisierten Industrierobotern. Die begrenzte Verfügbarkeit von Kapital für Hardwareentwicklungen und die fehlende infrastukturelle Unterstützung für technische Startups in Lateinamerika führen allerdings dazu, dass viele Firmen häufig auf Kundenwünsche reagieren müssen, um wirtschaftlich überleben zu können. Das Unternehmen ICRA etwa produziert in Kolumbien maßgeschneiderte Roboter für Empfangsdienste oder landwirtschaftliche Anwendungen, um lukrative Aufträge sicherzustellen. Dies ist ein Beleg für die Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft der Region, aber auch für die schwierigen Rahmenbedingungen, denen Gründer und Entwickler gegenüberstehen. Trotz dieser Hürden gibt es individuelle Erfolgsgeschichten.
Prótesis Avanzadas, ein kleines Unternehmen aus Kolumbien, stellt etwa robotische Prothesen her, die international exportiert und deutlich günstiger als europäische und asiatische Konkurrenzprodukte angeboten werden. Der Gründer Jorge Robledo berichtet, dass die Entwicklung des ersten Prototyps aufgrund fehlender Ressourcen vier Jahre dauerte – ein Beispiel, das die Herausforderungen bei der Finanzierung und technischen Umsetzung aufzeigt. Auf dem globalen Markt stehen lateinamerikanische Robotikunternehmen allerdings vor starker Konkurrenz, besonders durch China. Dort fördert die Regierung die Techbranche massiv und schafft dadurch günstige Bedingungen für Privatinvestments. China dominiert den weltweiten Robotikmarkt im Bereich der Industrie- und Serviceroboter, auch in Lateinamerika.
Die Unternehmen aus der Region müssen daher besonders innovativ sein und auf Nischen setzen, um sich zu behaupten. Der Anteil der Lateinamerikanischen Deep Tech Startups, die sich mit Robotik beschäftigen, liegt aktuell bei nur etwa zwei Prozent. Die Technologiesenken und Innovationen im Bereich Software wie Künstliche Intelligenz wachsen jedoch stark, was die Hürden für Hardwareentwicklungen mit der Zeit verringern könnte. Für Robot.com steht die Weiterentwicklung und die Rückkehr zum lokalen Markt an oberster Stelle.
Die Implementierung eines Roboters, der in einem der führenden Krankenhäuser in Bogotá Blutproben und Medikamente transportieren soll, zeigt, wie das Unternehmen plant, seine Erfahrungen aus den internationalen Märkten für den Heimmarkt zu nutzen. Damit könnte Robot.com zu einem Vorbild nicht nur für Kolumbien, sondern für ganz Lateinamerika werden, indem es zeigt, dass auch kleine Unternehmen aus der Region die Voraussetzungen und das Know-how mitbringen, um im zunehmend von Technologie geprägten globalen Wettbewerb zu bestehen. Anders als weithin angenommen, liegt der größte Wert oftmals nicht in der Produktion selbst, sondern in der Entwicklung hochqualifizierter Ingenieursleistung. Kolumbien und andere Länder Lateinamerikas bieten bereits heute Talente, die mit denen aus Silicon Valley vergleichbar sind.
Werden nötige Investitionen, politische Unterstützung und internationale Kooperationen gestärkt, könnte der Robotics-Sektor in Lateinamerika erheblich wachsen und neue wirtschaftliche Impulse setzen. Der Weg von Robot.com verdeutlicht, dass genau dieser Sektor das Potenzial hat, technologische Innovation, wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftlichen Fortschritt in der Region zu vereinen. Letztlich zeigt die Geschichte, dass mit Beharrlichkeit, Kreativität und strategischer Vernetzung aus einer kleinen Robotikfirma ein globaler Player werden kann.