Kopfbewegungen während eines Fahrzeugunfalls sind ein entscheidender Faktor für das Verständnis von Verletzungsmechanismen und die Verbesserung der Fahrzeugsicherheit. Die Analyse dieser Bewegungen ermöglicht es Sicherheitsingenieuren und Fahrzeugherstellern, Systeme zu entwickeln, die das Risiko schwerer Kopfverletzungen minimieren. Besonders in Crashtests spielen die gemessenen Daten über Beschleunigung und Drehbewegungen des Kopfes eine zentrale Rolle, um das Verhalten von Fahrzeuginsassen realistisch nachzuvollziehen. Die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) in den USA ist eine der führenden Institutionen, die strenge Sicherheitsregulierungen für Kraftfahrzeuge aufstellen und überwachen. Ein wichtiger Bestandteil des New Car Assessment Program besteht darin, neue Fahrzeugmodelle anhand standardisierter Crashtests zu bewerten.
Beim frontal durchgeführten 35-mph-Aufpralltest wird dabei das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 56 km/h gegen eine starre Barriere geschleudert, um realistische Unfallbedingungen zu simulieren. Bei diesen Aufpralltests werden sowohl der Fahrer-Dummy als auch das Fahrzeug selbst mit zahlreichen Sensoren ausgestattet. Diese messen unter anderem die auftretenden Beschleunigungen und die Winkelgeschwindigkeiten, denen der Dummy-Kopf ausgesetzt ist. Daten aus Inertialsensoren, die am Kopf des Dummys angebracht sind, liefern wichtige Informationen über die Rotationsbewegungen und die absolute Beschleunigung des Kopfes. Dies erlaubt es, mit Hilfe numerischer Integration und Simulation die genaue Kopfbewegung während des Unfalls nachzubilden.
Die mathematische Grundlage für die Beschreibung dieser Bewegungen basiert auf sogenannten Euler-Winkeln, die dreidimensionale Rotationen parametrisieren. In der Unfallanalyse wird oft eine 3-2-1-Reihenfolge dieser Winkel verwendet, die mit der Orientierung des Kopfes in Bezug auf ein festes Bezugssystem korrespondiert. Durch Transformationen zwischen dem globalen Koordinatensystem des Fahrzeugs beziehungsweise der Unfallumgebung und dem korotationalen Bezugssystem am Kopf können sowohl die Winkelbewegungen als auch die Verschiebungen des Kopfmittelpunkts präzise bestimmt werden. Der Kopf, als relativ starres Körperteil, lässt sich somit hinsichtlich seiner zeitabhängigen Drehorientierung und der Position des Massenschwerpunkts simulieren. Die Werte für die Winkelgeschwindigkeiten des Kopfes werden aus den Ableitungen der Euler-Winkel berechnet, was in Kombination mit den Messdaten der linearen Beschleunigungen eine umfassende Beschreibung der gesamten Bewegung ermöglicht.
Die numerische Simulation erfolgt dabei durch Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen mit Methoden wie beispielsweise Runge-Kutta-Verfahren, die in Programmen wie MATLAB implementiert sind. Die Simulationen decken typischerweise Zeiträume von wenigen hundert Millisekunden während des Unfalls ab. In dieser Zeitspanne vollzieht der Kopf charakteristische Bewegungen, die in der Literatur oft als „Nicken“ und „Drehen“ beschrieben werden. Diese Bewegungen sind einerseits bedingt durch die plötzlichen Verzögerungen im Fahrzeug, andererseits durch den Schutz durch Gurte und Kopfstützen sowie weitere Fahrzeugstrukturelemente. Durch die Auswertung von realen Videoaufnahmen von Crashtests, zusammen mit den numerischen Simulationen, können Forscher die Genauigkeit ihrer Modelle validieren.
Hochgeschwindigkeitsaufnahmen zeigen, wie der Dummy-Kopf in wenigen hundert Millisekunden diverse Beschleunigungs- und Rotationsphasen durchläuft. Die Simulationen zielen darauf ab, diese Bewegungen möglichst exakt zu reproduzieren, um das Verletzungsrisiko zu analysieren und Fahrzeugsicherheitsmaßnahmen optimal zu gestalten. Die Erkenntnisse aus solchen Untersuchungen beeinflussen maßgeblich die Gestaltung von Kopfstützen, Gurtsystemen und sogar die Entwicklung von Airbags. Je besser das Verständnis über die Kopfkinematik bei einem Aufprall ist, desto effektiver können Schutzsysteme entworfen werden, die vor allem Gehirnerschütterungen und schwereren Kopfverletzungen vorbeugen. Ein besonderes Interesse besteht darin, die Kopfbewegung nicht nur relativ zum Fahrzeug, sondern absolut im Raum zu bestimmen.
Diese absolute Bewegungsanalyse berücksichtigt jegliche Fahrzeugbewegungen und Schwingungen, die über die direkte Fahrzeuginnenraum-Bewegung hinausgehen. Gleichzeitig kann die relative Bewegung des Kopfes gegenüber dem Fahrzeugboden oder Sitz gemessen und simuliert werden, was zusätzliche Erkenntnisse über den Einfluss der Fahrzeuginnenraumgestaltung auf die Kopfkinematik liefert. Moderne Computersimulationen nutzen hierzu detaillierte, hochfrequente Datensätze von Beschleunigungs- und Winkelgeschwindigkeitswerten, die von Sensoren am Dummy-Kopf aufgenommen werden. Diese Daten werden mit einem Koordinatensystem der Fahrzeugbewegung kontrastiert, indem etwa die Beschleunigung an einem festen Punkt des Fahrzeugs gemessen wird, beispielsweise vorne links am Bodenblech. Die daraus resultierenden Bewegungsprofile ermöglichen es Ingenieuren, potenzielle Schwachstellen in der Fahrzeugsicherheitsarchitektur zu identifizieren und gezielt Verbesserungen vorzunehmen.
Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Kopfstützen ergonomischer gestaltet werden oder Gurtsysteme so entwickelt werden, dass sie den Kopf in kritischen Momenten stabilisieren. Ein weiterer Vorteil der detaillierten Analyse liegt darin, dass sie auch zu einer besseren Unfallrekonstruktion beiträgt. Das exakte Verständnis der Kopfbewegung innerhalb eines Crashtests kann als Modellvorlage für reale Unfalluntersuchungen dienen, um Unfallmechanismen und Verletzungsursachen besser zu klären. Die von der NHTSA bereitgestellten Rohdaten, einschließlich der Videos und Sensordaten von Crashtests wie dem 2016er Honda CR-V 35-mph-Frontalaufprall, sind öffentlich zugänglich. Dies fördert Transparenz und ermöglicht der Wissenschaft sowie der Industrie Zugriff auf wichtige Informationen zur Weiterentwicklung von Fahrzeugsicherheitsmaßnahmen.
Für die Zukunft weisen die Entwicklungen in der Fahrzeugtechnik und Sensorik darauf hin, dass noch präzisere und individuellere Simulationen möglich werden. In Verbindung mit Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen könnten aus großen Datenmengen neue Erkenntnisse zur Kopfdynamik bei Fahrzeugunfällen gewonnen werden, die wiederum zur Entwicklung noch sichererer Fahrzeuge und Fahrerassistenzsysteme führen. Insgesamt verdeutlichen Untersuchungen zur Kopfbewegung bei Fahrzeugcrashs, wie komplex die biomechanischen Abläufe bei einem Unfall sind. Ihre umfassende Analyse ist unerlässlich, um die Verletzungsfolgen zu minimieren und so die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu erhöhen.