Die Suche nach einer nachhaltigen, sauberen und nahezu unerschöpflichen Energiequelle führt Wissenschaftler seit Jahrzehnten zum Ziel der Kernfusion. ITER, das weltweit größte Fusionsprojekt, hat kürzlich einen entscheidenden Schritt vollendet: die Fertigstellung der stärksten und größten gepulsten supraleitenden Magnetanlage der Welt. Diese Entwicklung markiert einen bedeutenden Meilenstein auf dem Weg zur Realisierung von Fusionsenergie als praktikable Energielösung der Zukunft. ITER, ein internationales Gemeinschaftsprojekt, vereint über 30 Länder, die gemeinsam an der Demonstration der Machbarkeit und Effizienz der Fusion arbeiten. Fusion, die Energiequelle der Sonne und der Sterne, verspricht eine sichere, CO2-freie Energieproduktion mit enormem Potenzial zur Deckung des weltweiten Energiebedarfs ohne die Risiken und den radioaktiven Abfall der Kernspaltung.
Das Herzstück dieses gigantischen Projekts ist die pulsierende Magnetanlage, die den Plasmazustand in ITERs charakteristischer ringförmiger Tokamak-Reaktorhalle erzeugt und kontrolliert. Diese Magnettechnologie ermöglicht die Erzeugung und Aufrechterhaltung eines extrem heißen Plasmas, bei dem Wasserstoffisotope verschmelzen und enorme Energiemengen freisetzen. Die pulsierende supraleitende Magnetanlage besteht aus verschiedenen wichtigen Komponenten. Besonders hervorzuheben ist der sogenannte Zentrale Solenoid, der innen im Tokamak eingebaut wird. Dieses System wurde in den USA gebaut und getestet.
Es besteht aus sechs Einheiten, die ein Magnetfeld von beeindruckenden 13 Tesla erzeugen können – das ist etwa 280.000 Mal stärker als das Erdmagnetfeld. Mit einem Gewicht von etwa 1.000 Tonnen und einer Höhe von 18 Metern entspricht seine Leistung der Kraft, die benötigt wird, um ein Flugzeugträger-Schiff anzuheben. Zusätzlich zum Zentralen Solenoid sind sechs ringförmige Poloidale Feldmagnete von Europa, Russland und China gefertigt worden, die gemeinsam ein starkes Magnetfeld erzeugen, welches den Plasmastrahl stabil hält und dessen Form kontrolliert.
Diese Poloidalfelder haben unterschiedliche Größen bis zu 25 Metern Durchmesser und wiegen jeweils zwischen 160 und 400 Tonnen. Alle Magnetkomponenten sind supraleitend, das heißt sie arbeiten bei extrem niedrigen Temperaturen von etwa minus 269 Grad Celsius, um Energieeffizienz zu gewährleisten. Der Betrieb dieser Magnetanlage ist komplex: Zunächst wird eine geringe Menge Wasserstoff, bestehend aus den Isotopen Deuterium und Tritium, in das Tokamak eingebracht. Der Magnetismus erzeugt dann einen elektrischen Strom, der den Wasserstoff in einen Plasmazustand überführt – ein hochenergetisches Gas aus geladenen Teilchen. Mithilfe der Magnetfelder wird der Plasmawirbel stabil eingekapselt.
Gleichzeitig heizen externe Systeme die Plasmawolke auf rund 150 Millionen Grad Celsius auf – eine Temperatur, die zehnmal heißer als das Sonnenzentrum ist. Unter diesen Bedingungen verschmelzen Wasserstoffkerne miteinander und setzen enorme Energiemengen frei. Die hohe Effizienz der Anlage ist beeindruckend: ITER wird erwartet, bei Vollbetrieb zehn Mal mehr Energie zu produzieren als für die Erhitzung des Plasmas benötigt wird. Konkret sollen rund 500 Megawatt Energie durch Fusion erzeugt werden, obwohl nur etwa 50 Megawatt als Input erforderlich sind. Dieses Verhältnis ist ein wichtiger Nachweis für die Selbstheizung und Nachhaltigkeit des Fusionsprozesses.
Ein weiteres eindrucksvolles Merkmal von ITER ist das enorme technische und geopolitische Engagement. Die Fertigung der Komponenten verteilt sich auf zahlreiche Länder und Produktionsstätten in Europa, Asien und Amerika. Jede Nation bringt dabei spezifisches Know-how und Ressourcen ein. So hat etwa die Europäische Union als Gastgeberland nahezu die Hälfte der Gesamtkosten des Tokamak und seiner unterstützenden Systeme getragen. Die USA haben nicht nur den Zentralen Solenoid gebaut, sondern auch die komplexe äußere Stützkonstruktion, die dieser starken Magnetanlage die nötige Stabilität verleiht.
Russland hat bedeutende Teile der supraleitenden Poloidalen Feldmagnete beigesteuert und ebenso die großen Stromleitungsbündel (Busbars) hergestellt, die den Strom an die Magnete liefern. China produziert ebenfalls mehrere Poloidalmagnete, die Korrekturmagnetspulen sowie wichtige Komponenten der Versorgungssysteme, inklusive der leidlich wichtigen Magnetfühlerleitungen. Japan steuerte die supraleitenden Kabelstränge bei, die zur Herstellung der Magnetspulen im Zentralen Solenoid nötig sind, und hat zudem die Toroidalmagnete produziert, die das Hauptmagnetfeld im Tokamak liefern. Korea unterstützte die präzise Werkzeugherstellung, um die riesigen Baugruppen mit Millimeter-Genauigkeit zu fertigen und zusammenzufügen. Indien lieferte den riesigen Cryostat, eine Art thermische Isolationskammer, in der der gesamte Tokamak eingebettet ist, sowie Anlagen zur Verteilung des kryogenen Heliums.
Diese international abgestimmte Produktion und Montage von bauteilspezifischen Teilen spiegeln eine beispiellose globale Kooperationsleistung der Wissenschaft und Industrie wider. Die Gesamtheit des Magnetsystems umfasst beeindruckende 10.000 Tonnen an supraleitenden Magneten mit gespeicherter magnetischer Energie von rund 51 Gigajoule. Die Herstellung des benötigten Rohmaterials erforderte über 100.000 Kilometer supraleitenden Drahts, hergestellt in mehreren spezialisierten Fabriken weltweit.
Mit der Fertigstellung der komplexen Magnetanlage befindet sich ITER nun mitten in der Montagephase. Im April 2025 wurde der erste Vakuumbehälter-Sektor bereits in das Tokamak-Pit eingesetzt, was den Bau deutlich vor dem Zeitplan vorantreibt. Dieser Behälter ist der „Donut“-förmige Reaktorraum, in dem die Fusion stattfinden wird und der vom Magnetfeld umfasst wird. Parallel zur technologischen Entwicklung zeigt ITER einen wichtigen Impuls für die private Forschungs- und Entwicklungslandschaft. Die steigende Beteiligung von privatwirtschaftlichen Unternehmen an der Fusionstechnologie wird vom ITER Council aktiv gefördert, um Innovationsprozesse zu beschleunigen und technologische Lösungen gemeinsam zu entwickeln.
Der Austausch von Wissen sowie die gemeinsame Nutzung von Daten und Forschungsergebnissen sollen so die Marktreife der Fusionstechnologie rascher ermöglichen. ITER ist nicht nur ein technisches Projekt, sondern auch ein diplomatisches und kulturelles Symbol. Es demonstriert eindrucksvoll, wie durch Zusammenarbeit, Geduld und gegenseitiges Vertrauen selbst komplexeste und herausforderndste wissenschaftliche Projekte über politische Umbrüche hinweg fortgeführt werden können. Diese internationale Allianz verspricht einerseits Fortschritte bei der Bekämpfung des Klimawandels und andererseits die Schaffung einer friedlichen, sauberen Energiezukunft. Die Realisierung von Kernfusion wäre ein bahnbrechender Fortschritt für die Menschheit.
Sie könnte den globalen Energiebedarf auf sichere, umweltfreundliche Weise decken und dabei kaum Abfallprodukte erzeugen. Die nun vollendete Supersupraleitermagnetanlage des ITER bietet die technische Grundlage, um die geplanten Fusionsreaktionen in einem industriellen Maßstab durchzuführen. Diese technische Meisterleistung birgt das Potenzial, den Grundstein für die kommerzielle Nutzung von Kernfusion zu legen. Die Bereitstellung der außergewöhnlich starken Magnetfelder gelingt nur durch den Einsatz von supraleitenden Materialien wie Niobium-Tin (Nb3Sn) und Niobium-Titan (NbTi), die bei extrem tiefen Temperaturen betrieben werden. Dieser technische Anspruch stellte Projektingenieure vor gewaltige Herausforderungen beim Design, den Werkstoffen und der Kühlinfrastruktur.
Der erfolgreiche Zusammenbau und die Tests der Magnetmodule bezeugen den hohen Stand des gegenwärtigen Technologielevels. Insgesamt ist die Fertigstellung des weltgrößten gepulsten Magnetsystems bei ITER ein Meilenstein, der sowohl die technische Machbarkeit als auch den internationalen Geist der Zusammenarbeit eindrucksvoll unterstreicht. Der Weg zur kommerziellen Fusionsenergie bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe, doch ITER setzt ein starkes Signal, dass saubere und grenzenlos verfügbare Energie auf Basis der Kernfusion erreichbar ist. Mit der weiteren Montage und Inbetriebnahme des Tokamak steht die Welt an der Schwelle zu einer möglichen neuen Energieära, welche die Herausforderungen der Klimakrise und des globalen Energiehungers effektiv adressieren könnte. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie effizient und robust diese Technologie schließlich betrieben werden kann.
Die dort gewonnenen Erkenntnisse werden nicht nur bei ITER, sondern auch bei zukünftigen Fusionskraftwerken Anwendung finden. Demnach beeinflusst die Fertigstellung des Magnetsystems einen der entscheidenden Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung und einer lebenswerteren Zukunft für nachfolgende Generationen.