Im Vorfeld der am 3. Juni 2025 angesetzten vorgezogenen Präsidentschaftswahl in Südkorea hat die Hauptoppositionspartei, die Demokratische Partei, ihren Kandidaten in einer klaren Entscheidung gewählt. Lee Jae-myung wurde mit fast 90 Prozent der Stimmen zum Präsidentschaftskandidaten nominiert, was seine starke Position innerhalb der Partei und in der nationalen Politik unterstreicht. Sein Sieg gegen zwei andere Bewerber verdeutlicht nicht nur seine Popularität, sondern auch das Vertrauen, das die Partei in seine Fähigkeit setzt, das Land zu führen. Lee Jae-myung ist ein ehemaliger Gouverneur der Provinz Gyeonggi, der bevölkerungsreichsten Region Südkoreas, und war zuvor auch Vorsitzender der Demokratischen Partei sowie Bürgermeister der Stadt Seongnam.
Seine politische Karriere ist geprägt von Engagement für soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Gleichheit, Themen, die ihm vor allem bei liberal orientierten Wählern Anklang verschaffen. Lee wurde 2022 knapp bei der letzten Präsidentschaftswahl von Yoon Suk Yeol besiegt – das Wahlergebnis damals war das knappste in der Geschichte Südkoreas und zeigte Lees erhebliche Unterstützung in der Bevölkerung. Nach der umstrittenen und kurzen Ausrufung des Kriegsrechts durch Präsident Yoon im Dezember 2024, die in weniger als 24 Stunden aufgehoben wurde, wurde dieser schließlich vom Verfassungsgericht Süd-Koreas abgesetzt. Diese politische Krise führte zur Anordnung einer vorgezogenen Wahl, die Lee als klaren Favoriten in den Vordergrund rückt. Er spielte eine Schlüsselrolle bei der Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens gegen Yoon durch das oppositionelle Parlament, was seine Führungsqualitäten und politische Schlagkraft unter Beweis stellt.
Lees politische Haltung ist liberal geprägt und unterscheidet sich deutlich von der aktuellen konservativen Regierung. Er setzt sich für eine gerechtere Verteilung von wirtschaftlichen Ressourcen ein und verfolgt eine zurückhaltendere und friedensorientierte Politik gegenüber Nordkorea. Seine Vision ist geprägt von der Hoffnung, die politischen und gesellschaftlichen Spaltungen innerhalb des Landes zu überbrücken und gleichzeitig Südkoreas internationale Stellung zu stärken. Obwohl Lee bei vielen als Hoffnungsträger gilt, gibt es auch Kritiker, die ihm eine populistische Rhetorik vorwerfen und befürchten, dass seine Politik die innerstaatlichen Gegensätze verschärfen könnte. Dies stellt für ihn und seine Partei eine große Herausforderung dar, insbesondere in einem Land, das durch technologische Innovationen, wirtschaftliches Wachstum, aber auch gesellschaftliche Spaltungen geprägt ist.
Eine aktuelle Umfrage von Gallup Korea zeigt, dass rund 38 Prozent der Befragten Lee Jae-myung als bevorzugten Kandidaten für das Präsidentenamt sehen. Die konkurrierenden Kandidaten anderer Parteien erzielen demgegenüber lediglich einstelliges Unterstützungsniveau. Die konservative People Power Party wird ihren Kandidaten erst in der nächsten Woche nominieren, doch bislang deuten Umfragen darauf hin, dass deren Unterstützung weit hinter der Lees zurückbleibt. Der politische Kontext der bevorstehenden Wahl ist von hoher Dynamik geprägt. Die Instabilität durch den Amtsenthebungsprozess, die abrupten Ereignisse rund um das Kriegsrecht und die anstehende Bedeutung der Präsidentschaft im Zusammenhang mit inner- und außenpolitischen Herausforderungen machen diese Wahl zu einem Wendepunkt in der jüngeren Geschichte Südkoreas.
Neben den klassischen Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik rücken Themen wie die Beziehungen zu Nordkorea, die Rolle der Südkoreanischen Armee, sowie Südkoreas Beitrag zur internationalen Gemeinschaft immer stärker in den Vordergrund. Lee Jae-myung hat mehrfach betont, dass Süd- und Nordkorea langfristig auf eine friedliche Koexistenz und wirtschaftliche Zusammenarbeit hinarbeiten sollten, was mitunter von wirtschaftlichen Investitionen, Entwicklungsprogrammen und der Förderung von kulturellem Austausch begleitet werden soll. Die Südkoreanische Gesellschaft ist in vielerlei Hinsicht gespalten; urban gegen ländlich, jung gegen alt, konservativ gegen liberal – diese Brüche spiegeln sich auch in den politischen Präferenzen wider. Die Fähigkeit eines neuen Präsidenten, diese Risse zu kitten und mehr Einheit zu stiften, wird als entscheidender Faktor für den zukünftigen Kurs Südkoreas gesehen. Lee scheint mit seinem Angebot einer sozial ausgerichteten Politik und seiner Erfahrung im öffentlichen Dienst in der Lage zu sein, viele dieser Konflikte anzugehen.
International wird diese Wahl mit großem Interesse verfolgt. Südkorea ist nicht nur eine wirtschaftliche Großmacht in Asien, sondern auch ein wichtiger Partner im globalen Sicherheitsgefüge, insbesondere angesichts der Bedrohungen durch Nordkorea sowie der strategischen Rolle, die das Land in den Beziehungen zu China, den USA und Japan einnimmt. Lees eher gemäßigte Haltung gegenüber Nordkorea könnte neue Impulse für die Diplomatie bringen, birgt jedoch auch Risiken im Hinblick auf die Reaktionen konservativer Kräfte im Inland und verbündeter Nationen. Die politische Landschaft Südkoreas hat sich in den letzten Jahren rapide verändert. Nach Jahrzehnten der wirtschaftlichen Expansion und gesellschaftlichen Modernisierung stellen die sozialen Ungleichheiten, der zunehmende Einfluss des Populismus und externe sicherheitspolitische Herausforderungen eine ernsthafte Belastungsprobe dar.