Vesna Vulović ist eine der faszinierendsten Figuren der Luftfahrtgeschichte. Geboren am 3. Januar 1950 in Belgrad, das damals Teil Jugoslawiens war, wurde sie als Flugbegleiterin berühmt, nachdem sie am 26. Januar 1972 ein außergewöhnliches Unfallereignis überlebte, das als das höchste jemals überlebte Absturzunglück ohne Fallschirm gilt. Ihr Leben erzählt von unglaublichem Überlebenswillen, langwieriger Genesung und einem engagierten politischen Einsatz in einer Zeit großer gesellschaftlicher Umbrüche.
Vesna begann ihre Laufbahn als Flugbegleiterin 1971 bei JAT, der damaligen jugoslawischen Fluggesellschaft. Ihre Entscheidung, diesen Beruf zu ergreifen, entstand aus ihrem Wunsch heraus, öfter in Länder wie Großbritannien reisen zu können, da sie ein Fan der Beatles war und ihre Englischkenntnisse verbessern wollte. Interessanterweise wurde sie durch eine Verwechslung auf den Flug 367 nach Stockholm, Kopenhagen, Zagreb und Belgrad angesetzt – ein Flug, auf dem sich das Schicksal auf dramatische Weise wenden sollte. Am 26. Januar 1972 explodierte während des Fluges ein Bombenanschlag in der Gepäckabteilung des McDonnell Douglas DC-9 auf Flug 367.
Die Explosion führte zum Zerbrechen des Flugzeugs in der Luft, woraufhin das gesamte Flugzeug bis auf Vesna Vulović in Trümmern abstürzte. Sie war die einzige Überlebende von 28 Personen an Bord. Die genauen Umstände, die ihr Überleben ermöglichten, wurden später von Experten untersucht: Es wird vermutet, dass sie in einem Abschnitt der Flugzeugkabine eingeklemmt wurde, möglicherweise durch einen festgeklemmten Speisewagen, der sie vor dem Aufprall schützte. Auch die Tatsache, dass das Wrack in einem bewaldeten und schneebedeckten Gebiet landete, dämpfte die Wucht des Aufpralls erheblich. Mediziner führten ihren Zustand zudem auf ihren niedrigen Blutdruck zurück, der sie aufgrund raschen Bewusstseinsverlusts vor Herzschäden während des Falles bewahrte.
Die Verletzungen, die Vesna bei diesem Unfall erlitt, waren schwerwiegend. Sie hatte einen Schädelbruch, mehrere gebrochene Wirbel, gebrochene Beine, Rippen und ein gebrochenes Becken. Außerdem war sie für eine Zeit querschnittsgelähmt. Nach mehreren Monaten Krankenhausaufenthalt und intensiver Rehabilitation konnte sie jedoch wieder laufen, wenn auch mit einem bleibenden Hinken. Trotz dieses tragischen Erlebnisses setzte Vulović ihre Arbeit zunächst als Flugbegleiterin fort.
Allerdings entschied die Fluggesellschaft bald, dass sie wegen der großen medialen Aufmerksamkeit und ihrer Berühmtheit nicht mehr an Bord fliegen sollte. Stattdessen erhielt sie eine Schreibtischstelle im Bereich Frachtverträge. In ganz Jugoslawien wurde sie zu einer nationalen Heldin, ein Symbol für Überlebenswillen und Mut. Ihre Geschichte wurde auch in der Sowjetunion und anderen Ländern des Warschauer Pakts gefeiert, und die Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde, machte sie zu einer prominenten Figur im Kalten Krieg. Im weiteren Verlauf ihres Lebens engagierte sich Vesna Vulović politisch.
In den turbulenten 1990er Jahren, geprägt vom Zerfall Jugoslawiens und den politischen Spannungen in der Region, nahm sie an Anti-Regierungsprotesten teil und kritisierte den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević offen. Aufgrund dieser politischen Haltung wurde sie von JAT entlassen. Dennoch wurde sie nicht verhaftet, da die Behörden negative internationale Publicity durch eine Haft befürchteten. Nach dem Sturz von Milošević im Jahr 2000 trat Vulović bei Demonstrationen hervor und unterstützte später die Demokratische Partei, die sich für die Integration Serbiens in die Europäische Union einsetzte. Ihr Engagement für demokratische Werte sowie für den Frieden und die Stabilität in der Region unterstreicht eine ganz andere Facette ihres Lebens – die einer aktiven Bürgerin, die ihre Stimme nutzte, um gesellschaftlichen Wandel zu fördern.
Trotz des Ruhms litt Vesna Vulović unter den Folgen ihres traumatischen Erlebnisses. Sie sprach offen über die Last des Überlebens, das ihr eine Art Schuldgefühl einbrachte – das Gefühl, warum gerade sie überlebt hatte, während alle anderen ums Leben kamen. Sie suchte keine therapeutische Hilfe, sondern wandte sich der orthodoxen Kirche zu und fand darin Halt und Zuversicht für ihre Zukunft. Ihre Zuversicht spiegelte sich auch in ihrem Lebensmotto wider: Wer eine solche Tragödie überlebt, könne alles überstehen. Immer wieder wurde die Echtheit ihrer Geschichte hinterfragt.
Einige Journalisten in der Tschechischen Republik behaupteten, das Flugzeug sei nicht durch eine Bombe zum Absturz gekommen, sondern womöglich von der tschechoslowakischen Luftwaffe abgeschossen worden – in einer Komplott-Theorie, die jedoch von offiziellen Stellen vehement zurückgewiesen wurde. Auch die Guinness World Records bestätigte sie als Inhaberin des Rekords für den höchsten Sturz aus einem Flugzeug ohne Fallschirm, den ein Mensch überlebt hat. In ihren letzten Lebensjahren lebte Vulović zurückgezogen in ihrer Wohnung in Belgrad und erhielt eine bescheidene Rente. Sie war gesundheitlich angeschlagen, gab jedoch nur selten Interviews und lehnte große Medienauftritte ab, oft mit dem Hinweis, müde von immer wiederkehrenden Fragen zu sein. Am 23.
Dezember 2016 verstarb sie im Alter von 66 Jahren. Vesna Vulovićs Geschichte beeindruckt und berührt Menschen auf der ganzen Welt. Sie ist nicht nur ein nahezu unglaubliches Beispiel für menschliches Überleben und Durchhaltevermögen, sondern auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen und politischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts in Südosteuropa. Ihre Lebensgeschichte erinnert daran, wie eng das persönliche Schicksal mit historischen Ereignissen verwoben sein kann.