Die Ausgaben der Polizei für Public Relations (PR) sind ein Thema, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Hinter den oft unscheinbaren Pressemitteilungen und sozialen Medienbeiträgen verbirgt sich eine weitreichende Strategie der Informationskontrolle und Propaganda, die von vielen Bürgerinnen und Bürgern kaum wahrgenommen wird. Im Jahr 2023 ist es wichtiger denn je, diese Mechanismen zu verstehen, denn sie prägen maßgeblich, wie Polizeiarbeit öffentlich wahrgenommen wird und welche Narrative rund um Sicherheit, Kriminalität und Justiz vermittelt werden. In den USA zeigen besonders Städte wie Chicago, Los Angeles und San Francisco beispielhaft, wie sehr Polizeiabteilungen in den Ausbau ihrer PR-Abteilungen investieren. Diese Ausweitung steht im starken Kontrast zu der allgemeinen Erwartung, Polizei würde sich ausschließlich auf Sicherheits- und Strafverfolgungsaufgaben konzentrieren.
Stattdessen geben diese Behörden immense Summen aus, um ihr Image zu kontrollieren, Ereignisse in ihrem Sinne darzustellen und kritische Stimmen auszubremsen. Ein Blick nach Chicago verdeutlicht den Umfang dieses Phänomens eindrucksvoll. Am Tag der tödlichen Erschießung von Laquan McDonald durch Polizeiangehörige beschäftigte das Chicago Police Department gerade einmal sechs Vollzeitkräfte für PR-Aufgaben. Doch in den folgenden Jahren wurde diese Zahl beständig erhöht und erreichte unter der Leitung von Bürgermeisterin Lori Lightfoot 48 Vollzeitstellen. Dies ist keine bloße Personalaufstockung, sondern Teil einer breit angelegten Strategie zur Manipulation öffentlicher Wahrnehmung und Medienberichterstattung.
Die Polizei sorgt so dafür, dass kritische Informationen im Schatten bleiben und gleichzeitig ein positives oder zumindest kontrolliertes Bild vermittelt wird. Auch in Los Angeles sieht die Situation ähnlich aus. Dort hatten das Los Angeles County Sheriff’s Department und das Los Angeles Police Department allein 67 Vollzeitkräfte in ihren PR-Abteilungen. Diese sind in der Lage, Millionen von US-Dollar an Steuergeldern zu nutzen, um Kampagnen zu führen, die polizeiliche Aktivitäten in einem günstigen Licht präsentieren. Dabei stehen nicht nur klassische Medienarbeit und Pressemitteilungen im Vordergrund, sondern auch die Produktion von Videos und sozialen Medieninhalten, die oft als Propagandamittel eingesetzt werden.
Das Beispiel San Francisco weist auf eine weitere Dimension hin: die enge Verzahnung von PR mit politischen Entscheidungsprozessen. Dort wurde beispielsweise aufgedeckt, dass das San Francisco Police Department neben einem Team für Medienarbeit auch eine „Community Engagement Division“ unterhält. Diese Einheit erinnert an militärische Gegeninsurgency-Strategien und arbeitet gezielt daran, die öffentliche Meinung zu steuern, Familien von Polizeigewaltopfern zu beeinflussen und unangenehme Themen frühzeitig zu kontrollieren. Besonders aufschlussreich ist die Erkenntnis, dass diese Abteilung über spezialisierte Videoproduzenten verfügt, deren Aufgabe es ist, die Polizei zu verherrlichen und kritische Berichte zu kontern. Die Gelder, die für diese Abteilungen bereitgestellt werden, bewegen sich in einem hohen fünfstelligen oder sogar sechsstelligen Bereich für einzelne Angestellte.
So erhält der Leiter der PR-Abteilung in San Francisco ein Jahresgehalt von fast 290.000 US-Dollar. Eine solche Vergütung für die Steuerung von Medieninhalten offenbart, wie strategisch und kommerziell aufgezogen diese PR-Maßnahmen mittlerweile sind. Doch diese ausgeweitete PR-Arbeit der Polizei ist nicht nur ein Fall von Steuerverschwendung. Sie hat weitreichende Folgen für die Gesellschaft und Demokratie.
Denn in Zeiten, in denen Vertrauen in staatliche Institutionen und Polizei ohnehin stark schwankt, schafft eine professionell orchestrierte Propagandaabteilung eine künstliche Realität. Medienberichte werden manipuliert, kritische Stimmen marginalisiert und die öffentliche Debatte zugunsten der Polizei verzerrt. Dies führt nicht nur zu einer verzerrten Wahrnehmung von Sicherheit und Kriminalität, sondern erschwert auch die Aufarbeitung von Fehlverhalten und Machtmissbrauch. Besonders besorgniserregend ist die Geheimhaltung: Informationen über Personalstärke, Budgets und Aktivitäten der Polizeipr-Abteilungen werden häufig zurückgehalten oder verschleiert. Selbst gewählte Kommunalpolitiker haben es oftmals schwer, Transparenz zu erreichen.
Diese Intransparenz verstärkt den demokratischen Defizitcharakter solcher PR-Maßnahmen. Werden Informationen über Polizeiarbeit manipuliert und kontrolliert, kann demokratische Kontrolle ausgehöhlt werden. Darüber hinaus kooperieren Polizeibehörden mit externen PR-Firmen, die vor allem dann aktiv werden, wenn Skandale und schwere Verfehlungen bekannt werden – etwa bei Fällen von Polizeigewalt oder Korruption. Diese professionellen Berater unterstützen Institutionen dabei, ihr Image zu reparieren und öffentliche Kritik unter Kontrolle zu bringen. Ihre Dienstleistungen sind meist teuer und intransparent und finanzieren sich ebenfalls mit öffentlichen Mitteln.
Die Rolle der Polizeigewerkschaften darf ebenfalls nicht unterschätzt werden. Sie verfügen häufig über eigene PR-Abteilungen und geben erhebliche Summen für Kampagnen aus, die ihre Mitglieder in der Öffentlichkeit schützen und ihre Interessen durchsetzen sollen. Diese Ressourcen führen dazu, dass einseitige Narrative dominant erscheinen, während Gegenargumente im Schatten bleiben. Insgesamt entsteht so ein komplexes Geflecht von staatlich finanzierten Informationsmanipulationen, das weit über das hinausgeht, was die meisten Bürgerinnen und Bürger für möglich halten. Polizeipr-Abteilungen fungieren als mächtige Multiplikatoren, die den Diskurs über öffentliche Sicherheit und Gerechtigkeit erheblich beeinflussen können.
Journalisten und Aktivisten stehen vor der Herausforderung, diese Verschleierungstaktiken zu durchschauen und die tatsächlichen Ausgaben der Polizei für PR offen zu legen. Es bedarf einer kritischen, investigativen Berichterstattung und eines gesamtgesellschaftlichen Bewusstseins dafür, wie sehr Information als Machtinstrument genutzt wird. Nur so kann die notwendige Transparenz geschaffen und eine demokratische Kontrolle gewährleistet werden. Darüber hinaus ist es hilfreich, auch die Rolle der sozialen Medien kritisch zu betrachten. Viele Polizeibehörden sind dort mit eigenen Accounts aktiv, um ihre Botschaften direkt an die Bevölkerung zu senden.
Dabei bewegen sie sich oft an der Grenze zur Propaganda, indem sie strategisch ausgewählte Inhalte posten und so die öffentliche Meinung prägen. Die Aktivitäten von Polizeibeamten, die nicht offiziell in PR-Teams arbeiten, aber dennoch im Sinne der Polizei kommunizieren, tragen zusätzlich zu einer von der Polizei gesteuerten Informationshoheit bei. Neben der Frage nach der Rechtfertigung und Transparenz der Ausgaben für Polizeipr sollten auch ethische und demokratische Aspekte stärker diskutiert werden. Müssen Polizeibehörden, die eine Gewaltmonopol im Staat ausüben, tatsächlich so viel Geld und Mühe in Imagepflege investieren? Oder wäre die Gesellschaft besser beraten, wenn diese Mittel in unabhängige Kontrollorgane, Ausbildung und Aufarbeitung von Fehlverhalten fließen würden? Diese Fragen sind angesichts der aktuellen Entwicklungen nicht nur relevant, sondern dringlich. Abschließend lässt sich sagen, dass die Ausgaben für Polizeipr im Jahr 2023 ein Spiegelbild eines umfassenderen Problems sind: die zunehmende Militarisierung und Professionalisierung von Polizeiarbeit und die gleichzeitige Erosion von Transparenz und demokratischer Kontrolle.
Die Aufdeckung und kritische Auseinandersetzung mit diesen Praktiken sind daher elementar für eine offene und gerechte Gesellschaft, die sich der Herausforderungen moderner Polizeiarbeit bewusst ist und ihnen mit Demokratie statt Propaganda begegnet.