Das Star Chamber Gericht ist ein faszinierendes Kapitel in der englischen Rechtsgeschichte, das tief in die politischen und sozialen Strukturen der damaligen Zeit eingreift. Dieses Gericht, das vom späten 15. Jahrhundert bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts tätig war, ist eng mit der Entwicklung der Justiz in England verbunden und hat bis heute Auswirkungen auf das Verständnis von Recht und Gerechtigkeit sowohl in Großbritannien als auch weltweit. Der Begriff "Star Chamber" wird häufig mit Willkür, Geheimsitzungen und einem Mangel an fairen Prozessen assoziiert, doch die Realität war vielschichtiger.
Ursprünglich wurde das Gericht eingerichtet, um die Durchsetzung von Gesetzen zu gewährleisten, besonders gegenüber sozial und politisch mächtigen Personen, die in gewöhnlichen Gerichten nur schwer zu verurteilen waren. Es handelte sich dabei um eine Institution, die die Aktivität der regulären Gerichte ergänzte und zugleich eine Art Kontrollinstanz darstellte. Der Name Star Chamber leitet sich von der Verzierung des ursprünglichen Gerichtssaals ab, dessen Decke mit goldenen Sternen auf blauem Grund geschmückt war. Diese Verzierung war nicht nur ästhetisch, sondern symbolisierte auch die erhabene und bewegliche Natur des Gerichts. Alternativ wurde, insbesondere im 18.
Jahrhundert, spekuliert, dass der Name aus dem Begriff "starr" stammt, einem juristischen Ausdruck für eine Schuldverschreibung an jüdische Gläubiger, doch diese Theorie wird heute weitgehend verworfen. Das Gericht entwickelte sich aus den Versammlungen des königlichen Rates und erhielt 1487 durch ein Parlamentgesetz unter Heinrich VII. eine gesonderte Rechtsstellung. Anfangs genoss das Star Chamber einen guten Ruf für seine Schnelligkeit und Effizienz. Prominente Justizgelehrte wie Sir Edward Coke lobten es als eines der ehrenhaftesten Gerichte seiner Zeit.
Seine Zusammensetzung aus Mitgliedern des Privy Councils und Common-Law-Richtern verlieh ihm nicht nur Autorität, sondern auch eine breite Kompetenz in zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten. Ein wichtiger Aspekt des Star Chamber war seine Funktion als eine Art Berufungsinstanz und Kontrollorgan für die unteren Gerichte. Es hatte die Möglichkeit, Verfahren entweder zu überprüfen oder direkt anzunehmen, was eine Flexibilität gewährleistete, die für das englische Rechtssystem bedeutend war. Vor allem aber sollte es sicherstellen, dass Gesetze auch gegenüber der mächtigen Oberschicht gleichmäßig durchgesetzt wurden, die andernfalls die Justiz oft umgehen konnte. Neben den üblichen Strafsachen agierte das Star Chamber zeitweise als Gericht der Billigkeit, indem es Straftaten ahndete, die zwar moralisch als verwerflich galten, aber gesetzlich nicht klar definiert waren.
Dies verlieh dem Gericht enorme Macht und Flexibilität, konnte aber auch zu Willkür und subjektiven Entscheidungen führen. Viele Rechtsbegriffe, die heute als fundamentale Straftatbestände gelten, beispielsweise Verschwörung, Verleumdung oder Falschaussage, haben ihre Wurzeln in den Entscheidungen des Star Chamber. Die Reichweite der Strafmaßnahmen des Gerichts war allerdings begrenzt. Es durfte keine Todesstrafe verhängen und war nicht befugt, Folter anzuwenden. Stattdessen beschränkte sich das Strafmaß meist auf Geldstrafen, öffentliche Demütigungen und Haftstrafen.
Dennoch genoss das Gericht eine einschüchternde Wirkung und wurde zeitweise als Instrument politischer Repression genutzt. Während der Tudors, insbesondere unter Heinrich VIII., wandelte sich die Rolle des Gerichts. Es wurde zunehmend ein Mittel, um politische Gegner und Kritiker der Königsregierung, darunter auch religiöse Dissidenten, zu verfolgen. Die Figuren von Kardinal Wolsey und Erzbischof Cranmer stehen exemplarisch für diese Entwicklung, als sie das Star Chamber als Machtinstrument einsetzten.
Das Gericht wurde auch zu einem Werkzeug, um den Einfluss in Wales nach den Gesetzen der Vereinigung sicherzustellen, wobei es von der dortigen Landesherrschaft häufig genutzt wurde. Eine umstrittene Praxis, die im Star Chamber gelegentlich angewandt wurde, war der sogenannte „ex officio“-Eid, durch den Angeklagte gezwungen wurden, alle Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Dies führte zu einem sogenannten „grausamen Dilemma“, bei dem man sich entweder selbst belasten, der Falschaussage angeklagt werden oder mit Haft bestraft werden konnte – Vorgehensweisen, die später als Verletzung grundlegender Rechte betrachtet wurden. Unter der Herrschaft der Stuarts und besonders zu Zeiten Karls I. nahm die Macht des Star Chamber erheblich zu.
Es wurde zum Sinnbild für den Missbrauch königlicher Macht und politischer Unterdrückung. Während der „Elfjährigen Tyrannei“, als Charles I. ohne Parlament regierte, nutzte er das Gericht intensiv, um Kritiker, darunter Puritaner, zu verfolgen. Diese politische Instrumentalisierung des Star Chamber trug wesentlich zu den Spannungen bei, die schließlich in den Englischen Bürgerkrieg führten. Das Gericht erlangte auch Berühmtheit durch harte Urteile gegen oppositionelle Persönlichkeiten, so etwa durch die Bestrafung von William Prynne, der vom Star Chamber der Majestätsbeleidigung bezichtigt und körperlich bestraft wurde.
Auch die Zensur der sogenannten „Newsbooks“, die Berichte über den Dreißigjährigen Krieg enthielten, geht auf das Star Chamber zurück und führte dazu, dass Nachrichten oft nur noch im Ausland gedruckt wurden. Die Reputation des Star Chamber war so stark negativ, dass es 1641 vom Long Parliament unter Führung von John Pym endgültig abgeschafft wurde. Die Umstände seiner Auflösung waren geprägt von öffentlichen Protesten gegen die Willkür und Härte des Gerichts, die zahlreiche politische und religiöse Dissidenten getroffen hatten. Die Abschaffung markierte einen Wendepunkt in der englischen Rechtsgeschichte und wurde mit dem Habeas Corpus Act 1640 verknüpft, der grundlegende Rechte der Gefangenen schützte. Die Erinnerung an die mutmaßlichen Exzesse des Star Chamber überdauerte die Jahrhunderte und beeinflusste rechtliche Bestimmungen, unter anderem die Bill of Rights von 1689, die exzessive Kautionen, hohe Geldstrafen und grausame oder ungewöhnliche Strafen verbot.
Diese Prinzipien fanden später Eingang in die amerikanische Verfassung, speziell in den Schutz gegen Selbstbelastung im Rahmen des Fifth Amendment und das Verbot übermäßiger Kautionen im Achtzehnten Zusatzartikel. Auch architektonisch hatte der Star Chamber seinen Fußabdruck hinterlassen: Das ursprüngliche Gebäude mit seiner prächtigen Sternendecke wurde erst im 19. Jahrhundert abgerissen, doch einige Elemente, wie beispielsweise die Decke mit den goldenen Sternen, wurden an andere Orte übertragen und erhalten. Der Begriff „Star Chamber“ lebt zudem heute noch als Metapher für geheime oder unfaire Verfahren fort, die ohne Transparenz und Rechte der Betroffenen ablaufen. Im 20.
Jahrhundert wurde der Ausdruck in politischen Kontexten verwendet, um geschlossene Entscheidungsprozesse zu beschreiben. Während der Regierungszeit von Margaret Thatcher bezog man sich so auf Treffen, in denen Haushaltskonflikte zwischen Ministerien gelöst wurden. Auch in jüngster Zeit, etwa in der Zeit des Brexit-Streits, fand der Begriff mit Bezug auf innerparteiliche Entscheidungsrunden Verwendung. Der Einfluss des Star Chamber reicht somit weit über seine aktive Zeit hinaus. Es steht sowohl als Warnung als auch als historisches Beispiel für die Balance von Macht, Recht und Gerechtigkeit.