Morcheln gelten seit jeher als Delikatesse in der kulinarischen Welt. Ihr intensiver, erdiger Geschmack macht sie besonders begehrt, während ihr Preis zu den höchsten unter den wild gesammelten Pilzen gehört. Doch im Jahr 2023 sorgten mehrlinduzierte Lebensmittelvergiftungen in den USA für einen beispiellosen Gesundheitsalarm. Ein Lebensmittelvergiftungs-Ausbruch in einem Restaurant in Bozeman, Montana, bei dem zwei Menschen starben und 51 weitere erkrankten, rückt die mehrlische Pilzart unvermittelt ins Rampenlicht – und das aus ganz besonderen Gründen. An diesem Beispiel wird deutlich, wie dünn das Wissen über die Risiken der Morcheln eigentlich ist und wie dringend es ist, sowohl Verbraucher als auch Fachleute besser zu informieren und die Zubereitungsrichtlinien zu überdenken.
Die Untersuchung durch die FDA (Food and Drug Administration) ergab, dass vermutlich das Essen von rohen oder unzureichend gekochten Morcheln die Ursache für die Vergiftungen war. Die Behörde stellte daraufhin erstmals offizielle Leitlinien zur sicheren Zubereitung von Morcheln auf, betonte aber zugleich, dass selbst korrektes Kochen kein garantiertes Sicherheitsversprechen bieten kann. Die berichteten Fälle aus Montana offenbaren eine gefährliche Wissenslücke, nicht nur innerhalb der Gastronomiebranche, sondern auch bei Verbrauchern und Pilzliebhabern, die mit den vermeintlich harmlosen Speisepilzen umgehen.Besonders bemerkenswert ist, dass die Proben der Morcheln aus dem genannten Restaurant auf keine spezifischen Toxine, Krankheitserreger, Pestizide oder andere schädliche Substanzen untersucht werden konnten. Dies lässt die Vermutung zu, dass Morcheln selbst physiologisch Stoffe enthalten, die bei falscher oder ungenügender Zubereitung zu Vergiftungen führen können.
Dabei steht im Raum, dass bestimmte Verbindungen, wie Hydrazine, für solche Symptome verantwortlich sein könnten. Hydrazine sind chemische Verbindungen, die in der Natur vorkommen und auch in Pflanzenschutzmitteln oder sogar als Raketentreibstoff Verwendung finden. Ihre Präsenz in Pilzen macht sie zu einer potenziellen Gefahrenquelle. Zwar können diese Stoffe durch gründliches Kochen weitgehend reduziert oder entfernt werden, doch selbst dann reagieren einige Menschen empfindlich darauf.Die gastrokulturelle Praxis betrachtet Morcheln vielfach als exklusive Zutat und zahlt für diese Pilze hohe Preise.
In der Spitzen- und Boutique-Gastronomie können Preise von 40 bis 80 US-Dollar pro Pfund keine Seltenheit sein. Gerade in diesen Kreisen wurden Morcheln oft leicht oder nur kurz angebraten, um die komplexen Aromen zu erhalten. So etwa auch im Restaurant Dave’s Sushi in Montana, wo die Pilze zu einem Teil lediglich in einer Marinade eingelegt oder kurz abgekocht wurden, was sich als ungenügend und gefährlich herausstellte. Erst intensive Untersuchungen und der Austausch mit anderen Köchen führten zu der Erkenntnis, dass Boiling-Zeiten von zehn bis 30 Minuten notwendig sind, um die Risiken signifikant zu minimieren. Dabei stellt sich die Frage, ob viele Köche und Verbraucher über die inhärenten Gefahren von Morcheln überhaupt ausreichend informiert sind.
Grundsätzlich ist es kein Geheimnis unter Pilzexperten, dass rohe mehrlartige Pilze giftig sind. Dennoch fehlt es an einer flächendeckenden Information und einer einheitlichen rechtlichen Regulierung, die sicherstellt, dass die Öffentlichkeit diese Risiken kennt und entsprechend handeln kann. In den USA beispielsweise gibt es landesweit mehr als 5.000 Pilzarten, von denen die toxikologischen Eigenschaften größtenteils unbekannt sind. Lediglich eine Handvoll Arten ist und bleibt als sicher eingestuft, 15 Arten gelten als tödlich, und 60 Pilzarten sind grundsätzlich giftig, egal ob gekocht oder roh.
Eine der bekanntesten Toxizitätsgruppen bilden die falschen Morcheln, die optisch den echten Morcheln ähneln, aber schwerste Vergiftungen hervorrufen können. Die Gefahr, diese falsch zu sammeln oder zu erwerben, ist daher nicht zu unterschätzen.Die Erfahrungsberichte aus Restaurants bestätigen, dass mehrlbedingte Vergiftungen eher selten in gastronomischen Betrieben auftreten und vornehmlich bei unzureichender Vorbereitung vorkommen. Doch einzelne Vorfälle wie der in Montana oder ein ähnlicher Ausbruch in Spanien 2019 geben Anlass zur Vorsicht. Dort wurde in einem Michelin-Stern-Restaurant eine ähnliche Intoxikation gemeldet, bei der etwa 30 Gäste erkrankten und eine betroffene Person, deren Tod jedoch nicht direkt mit den Pilzen in Verbindung gebracht wurde.
Auch in Vancouver wurden 2019 bei einem Verzehr von rohen Morcheln 77 Personen krank – jedoch ohne Todesfolge. Diese internationalen Beispiele unterstreichen eindrücklich, wie sehr das Problem grenzüberschreitend von Bedeutung ist und eine globale Auseinandersetzung erfordert.Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass die gesetzlichen Regelungen der einzelnen US-Bundesstaaten hinsichtlich Wildpilzverkaufs sehr unterschiedlich ausfallen. Montana erlaubt etwa den Verkauf von wild gesammelten Pilzen in Restaurants, sofern die Pilze von einem lizenzierten Händler stammen. Andere Bundesstaaten verlangen die Begutachtung durch anerkannte Experten.
Diese inkonsistenten Bestimmungen erschweren eine einheitliche Handhabung und schaffen Raum für Fehler. Zudem ist die Identifikation pilzsicheren Materials eine Sache, doch die sichere Zubereitung eine ganz andere Herausforderung, die in der Gesetzgebung bislang wenig Beachtung findet.Für die Zukunft steht daher eine stärkere Aufklärung von Kennern, Köchen, Verkäufern und Verbrauchern weit oben auf der Agenda. Organisationen wie die North American Mycological Association planen, verstärkt Informationen über potenzielle Risiken und geeignete Kochmethoden auf digitalen Plattformen zu veröffentlichen. Solche Maßnahmen sollen Missverständnisse beseitigen und die Sicherheit bei der Nutzung wildwachsender Pilze erhöhen – ohne die Freude an diesem kulinarischen Schatz zu schmälern.
Ebenso erarbeitet das Gesundheitsministerium Montanas neue Richtlinien, die rechtzeitig zur nächsten Morchelsaison erscheinen sollen und die sichere Zubereitung der Pilze betonen.Abschließend lässt sich resümieren, dass Morcheln trotz ihrer Beliebtheit und scheinbaren Harmlosigkeit ein unterschätztes Gesundheitsrisiko darstellen können. Die aktuelle Krise zeigt nicht nur die Bedeutung von strenger Zubereitung und vorsichtiger Handhabung, sondern auch die Notwendigkeit, mehr Wissen in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Das Pilzwissen ist komplex, und speziell bei mehrlartigen Pilzen müssen Vorbereitungsfehler unbedingt vermieden werden. Wer Morcheln sicher genießen will, sollte definitiv auf Rohverzehr verzichten, die Pilze vorab gründlich kochen und sich über mögliche individuelle Unverträglichkeiten bewusst sein.
Nur so bleibt die kulinarische Kostbarkeit ein Genuss ohne gefährliche Nebenwirkungen – und der Mythos rund um die rätselhaften Morcheln verwandelt sich in ein gut beherrschbares, wohlbekanntes Küchengeheimnis.