Der Mount Everest ist seit jeher eine Herausforderung für Abenteurer und Bergsteiger aus aller Welt. Traditionell erfordern Expeditionen zur höchsten Erhebung der Erde Monate der sorgfältigen Vorbereitung und vor allem der Akklimatisierung an die extremen Bedingungen in großer Höhe. Der Körper muss sich langsam an den niedrigen Sauerstoffgehalt anpassen, um lebensbedrohlichen Zuständen wie Höhenkrankheit, Hirn- oder Lungenödemen vorzubeugen. Doch nun sorgt eine neuartige Methode für Aufsehen: Vier Freunde planen, mithilfe des Edelgases Xenon die Akklimatisierung zu beschleunigen und den Everest innerhalb nur einer Woche zu besteigen. Dieser Ansatz verspricht, die bisher unerreichbar schnelle Besteigung zu ermöglichen, bringt jedoch auch erhebliche Risiken und Kontroversen mit sich.
Die Idee zu diesem außergewöhnlichen Vorhaben entstand in einer alltäglichen Situation, einem Pub-Gespräch unter Freunden mit militärischem Hintergrund. Die Gruppe wollte eine spektakuläre, aber durch Zeitmangel realisierbare Expedition unternehmen, um Geld für Veteranen zu sammeln. Die herkömmliche Vorgehensweise mit monatelanger Ortsanpassung schien unmöglich, doch ein Mitglied der Gruppe hatte von der Möglichkeit gehört, die körpereigene Produktion von Erythropoetin (EPO) durch Inhalation von Xenon zu stimulieren. Dieses Hormon regt die Bildung roter Blutkörperchen an, die für den Sauerstofftransport verantwortlich sind und somit die Leistungsfähigkeit in großen Höhen verbessern können. Auf diesem Prinzip basiert das Konzept, die Akklimatisierung künstlich zu beschleunigen und in kurzer Zeit fit für den Gipfel zu werden.
Die Vorbereitungen für das ambitionierte Projekt sind außerordentlich. Die vier Männer – ein Pilot, ein britischer Politiker, ein Geschäftsmann und ein Unternehmer – reisen zunächst von Großbritannien nach Kathmandu und per Hubschrauber direkt zum Basislager am Everest. Dort wollen sie innerhalb weniger Tage die Gipfelbesteigung wagen und anschließend schnell wieder ins Tal zurückkehren. Die Einatmung von Xenon erfolgt 10 Tage vor Reisebeginn, in speziellen kontrollierten Sitzungen. Der Einsatz des Edelgases beruht auf bisherigen Tests des Expeditionsleiters, der das Gas bereits erfolgreich während Besteigungen anderer hoher Berge wie Aconcagua in Argentinien eingesetzt hat.
Laut seinen Aussagen unterstütze Xenon die körpereigene Anpassung an den Sauerstoffmangel, wodurch die Expeditionszeit drastisch reduziert werden könne.Medizinische Experten äußern jedoch erhebliche Bedenken. Xenon wird als Anästhetikum eingesetzt, und sein Gebrauch unterliegt strengen Regelungen. Die Internationale Bergsteiger- und Alpinismus-Föderation (UIAA) weist darauf hin, dass es keine wissenschaftlichen Belege für eine nachhaltige Leistungssteigerung durch Xenon bei Bergsteigern gebe. Die kurzfristige Freisetzung von Erythropoetin sei zwar messbar, doch entfalte sich die Wirkung auf die roten Blutkörperchen nicht in dem kurzen Zeitraum, den die Expeditionsgruppe anstrebt.
Die UIAA warnt zudem davor, dass Xenon zu einer Beeinträchtigung der Gehirnfunktion und der Atmung führen könne, wodurch die Sicherheit in der lebensgefährlichen Todeszone des Everest gefährdet sei. Auch der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) ist Xenon seit 2014 verboten, was weitere ethische Fragen im Kontext des Sport- und Abenteuertourismus aufwirft.Ein erfahrener Mediziner von der Universität Glasgow äußert gegenüber internationalen Medien Skepsis bezüglich der Wirksamkeit des Gases. Er erklärt, dass für eine signifikante Steigerung der Sauerstofftransportkapazität des Blutes das Hormonlevel über Wochen erhöht bleiben müsse, was bei der geplanten schnellen Besteigung nicht wahrscheinlich sei. Die Gefahr, durch die möglicherweise sedierende Wirkung des Gases in einem kritischen Moment im Hochgebirge beeinträchtigt zu sein, wird als nicht zu unterschätzendes Risiko betrachtet.
Die Diskussion um diese neue Methode erinnert an historische Entwicklungen im Bergsteigen. Früher waren die Verwendung von zusätzlichem Sauerstoff und Hubschraubern zum Transport zum Basislager Tabu und wurden von Puristen abgelehnt. Heutzutage gehören diese Hilfsmittel zum Standardrepertoire vieler Expeditionen. Einige Experten sehen die neue Xenon-basierte Akklimatisierung als logische Weiterentwicklung und akzeptieren, dass sich die Natur der Everest-Besteigungen verändert hat. Der Fokus verschiebt sich von rein sportlichen Leistungen hin zu persönlichen Herausforderungen, Transformationserfahrungen und Effizienz.
Doch Kritiker betonen, dass die Beschleunigung auf Kosten der Sicherheit und Selbstständigkeit gehen könnte. Eine schnelle Tour ohne ausreichende physische Anpassung erhöhe das Risiko akuter Höhenkrankheiten drastisch. Im Notfall sei die Hilfe in extremer Höhe begrenzt, und weniger erfahrene oder gut akklimatisierte Bergsteiger seien massiv gefährdet. Zudem sinke die Fähigkeit, eigenverantwortlich auf unerwartete Gefahren wie Lawinen oder Wetterwechsel zu reagieren, wenn der Körper nicht ausreichend vorbereitet ist.Die wirtschaftliche Komponente solcher High-Pace-Expeditionen spielt ebenfalls eine Rolle.
Mit Kosten von rund 150.000 Euro pro Teilnehmer handelt es sich um ein exklusives Angebot, das sich vermutlich nur eine kleine, privilegierte Zielgruppe leisten kann. Ob diese Art von Schnellbesteigungen den Massentourismus auf dem Everest anheizen wird, ist ungewiss. Die Expeditionsleiter betonen, dass diese Variante eine von mehreren Möglichkeiten bleibe und nur ein Nischenangebot darstelle, keineswegs den herkömmlichen Weg ersetzen solle.Auch die kulturellen und ethischen Implikationen sollten nicht unterschätzt werden.
Die erste Besteigung des Everest von Edmund Hillary und Tenzing Norgay 1953 galt als Meilenstein menschlicher Ausdauer und Exploration. Die Beschleunigung der Expeditionen durch technologische Hilfsmittel und neue medizinische Ansätze verändert das ursprüngliche Bild vom Everest als Ort der extremen Herausforderung. Für Bergsteigerpuristen mag dies den Wert der Leistung schmälern, während andere den persönlichen Nutzen und die Innovation begrüßen.Insgesamt zeigt das experimentelle Vorhaben mit Xenon, wie wissenschaftlicher Fortschritt, steigende kommerzielle Ansprüche und veränderte gesellschaftliche Vorstellungen das Bergsteigen am Everest transformieren. Es bleibt abzuwarten, ob diese beispiellose eine-Wochen-Besteigung gelingt und wie die langfristigen gesundheitlichen Folgen für die Teilnehmer ausfallen.
Unabhängig davon öffnet die Diskussion um solche Methoden eine wichtige Debatte über Sicherheit, Ethik und die Zukunft des Extrembergsteigens am höchsten Punkt der Erde. Der Everest bleibt ein Ort, an dem Mut, Technik und Wissenschaft aufeinanderprallen – und wo der Mensch immer wieder seine Grenzen auslotet.