Im digitalen Zeitalter entwickeln sich kriminelle Netzwerke und Marktplätze rasant weiter. Eine der jüngsten Enthüllungen betrifft den chinesischsprachigen Telegram-Marktplatz Xinbi Guarantee, der seit 2022 Transaktionen im Gesamtwert von mindestens 8,4 Milliarden US-Dollar abgewickelt hat. Dabei handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen Online-Handelsplatz: Xinbi fungiert als ein komplexer und zentraler Knotenpunkt für eine breite Palette krimineller Aktivitäten, die von Krypto-Kriminalität über Romance-Scams bis hin zu grenzüberschreitender Geldwäsche reichen. Die Dimension und Struktur dieses Marktplatzes zeigen, wie digitale Plattformen in der heutigen Welt zur Verbreitung und Unterstützung illegaler Geschäfte beitragen können und welche Herausforderungen dies für Strafverfolgungsbehörden weltweit mit sich bringt. Der Ursprung von Xinbi lässt sich als eine chinesischsprachige, Telegram-basierte Plattform beschreiben, die es Nutzern ermöglicht, verschiedenste illegale Dienste und Waren zu handeln.
Dabei von entscheidender Bedeutung ist, dass Xinbi Guarantee als „Investment- und Kapitalgarantie-Gesellschaft“ auftritt, die offiziell in Colorado, USA, registriert sein soll. Diese Registrierung wird jedoch durch Inkonsistenzen getrübt und mit dem Status "Delinquent" markiert, was auf fehlende oder verspätete Berichte hinweist. Dieses Verhalten zeigt, dass die Plattform versucht, eine gewisse Legitimität vorzutäuschen, während sie in Wirklichkeit ein Hub für kriminelle Aktivitäten darstellt. Das Unternehmen Elliptic, spezialisiert auf Blockchain-Analysen, lieferte die erschreckenden Einblicke in den Umfang und die Art der Transaktionen auf Xinbi. Laut dieser Analyse setzte der Marktplatz vor allem auf die Kryptowährung USDT (Tether), eine so genannte Stablecoin, die aufgrund ihrer Stabilität gegenüber Schwankungen besonders in kriminellen Kryptowährungsumgebungen bevorzugt wird.
Die Summe aller Transaktionen auf der Plattform beläuft sich auf mindestens 8,4 Milliarden US-Dollar, wobei einzelne Quartale, wie zum Beispiel das letzte Quartal im Jahr 2024, sogar mehr als eine Milliarde US-Dollar an Einzahlungen verzeichneten. Diese Zahlen übersteigen bei weitem die Aktivitätsvolumina klassischer Darknet-Märkte auf Basis von Tor und verdeutlichen den neuen Maßstab, den solche Telegram-Marktplätze setzen. Das Spektrum der angebotenen Dienstleistungen auf Xinbi ist breit gefächert und geht weit über den bloßen Verkauf von Kryptowährungen hinaus. Händler bieten eine Vielzahl von illegalen Produkten und Services an, darunter technische Tools und Software, gefälschte Identitätsdokumente, umfangreiche Datenbanken gestohlener persönlicher Informationen sowie spezielle Ausrüstung für Satelliteninternet über Starlink, was auf ein hohes technisches Niveau und spezialisierte Zielgruppen hinweist. Besonders besorgniserregend ist das Angebot von persönlichen Dienstleistungen wie Stalking und Einschüchterung in China, die Vermittlung von Eizellenspenderinnen oder Leihmüttern sowie sogar Beteiligungen im Bereich Sexhandel.
Diese Aktivitäten beweisen, dass sich das kriminelle Angebot nicht nur auf Cyberbetrug beschränkt, sondern auch andere Dimensionen der organisierten Kriminalität umfasst. Ein zentrales Element der Kriminalität auf Xinbi sind sogenannte Romance-Scams, vormals auch als "Pig Butchering" bekannt. Diese betrügerischen Beziehungen basieren darauf, dass Täter Vertrauen und emotionale Bindungen zu ihren Opfern aufbauen, um sie anschließend um beträchtliche Geldbeträge zu betrügen. Gerade im südostasiatischen Raum haben sich diese Scams zu einer der lukrativsten Formen der Cyberkriminalität entwickelt, bei der raffinierte Taktiken und psychologische Manipulation kombiniert werden, um ahnungslose Opfer auszunutzen. Xinbi dient als Drehscheibe für Deckungshaltung, Finanzierung und technische Unterstützung solcher Betrugsnetzwerke.
Neben der Unterstützung von Betrügern und Identitätsdieben spielt Xinbi auch eine bedeutende Rolle bei der Geldwäsche, insbesondere von Kryptowährungen, die durch den Diebstahl mafiöser oder staatlicher Akteure, namentlich Nordkorea, erlangt wurden. Elliptic zufolge lassen sich direkte Verbindungen zwischen Transaktionen auf Xinbi und gestohlenen Geldern aus dem indischen Kryptowährungsaustausch WazirX nachvollziehen, der im Juli 2024 Ziel eines großangelegten Hackerangriffs war. So sollen am 12. November 2024 220.000 USDT an Wallet-Adressen von Xinbi geflossen sein.
Diese Verbindung unterstreicht die geopolitische Dimension der betriebenen Kriminalität und verdeutlicht, wie digitale Währungen zur Umgehung von internationalen Sanktionen und zur illegalen Finanzierung verwendet werden. Telegram als Plattform spielt bei der Funktionsweise von Xinbi eine zentrale Rolle. Anders als klassische Darknet-Märkte agieren Xinbi und ähnliche Dienste vollständig innerhalb des beliebten Messengers Telegram. Dieser bietet den Vorteil, dass er für Nutzer relativ einfach zu bedienen ist, gleichzeitig aber kanalgesteuerte und verschlüsselte Kommunikation ermöglicht. Die Marktplätze nutzen auf Telegram integrierte Funktionen wie Gruppen, Kanäle, Bots und automatisierte Dienste, um ihren Betrieb zu organisieren, Zahlungen abzuwickeln sowie Anti-Betrugsmechanismen einzusetzen.
Dazu gehören unter anderem Escrow-Dienste, bei denen Gelder treuhänderisch gehalten werden, bis Transaktionen sicher abgeschlossen sind. Diese Zentralisierung auf Telegram ermöglichte es den Betreibern zunächst, eine enorme Anzahl von Nutzern zu gewinnen; bislang sind mehr als 230.000 User bei Xinbi registriert. Allerdings bedeutete die Offenheit Telegrams auch einen Schwachpunkt. Nachdem die Aktivitäten auf Xinbi und HuiOne, einem verwandten Marktplatz, öffentlich gemacht wurden, reagierte Telegram mit der Löschung tausender Kanäle und der Sperrung der zugehörigen Nutzernamen.
Dies stellte einen erheblichen Schlag für die Betreiber dar, da der übliche Mechanismus zur Wiedereröffnung oder Umleitung von Nutzern auf neue Kanäle unterbunden wurde. Dennoch zeigen sich bereits Zeichen eines Wiederauferstehens unter dem Namen Xinbi 2.0, was eine dauerhafte Herausforderung für Strafverfolgungsbehörden bedeutet. Die finanziellen und sicherheitspolitischen Auswirkungen des Betrugs und der Geldwäsche über Xinbi sind enorm. So reagierte die U.
S. Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN), indem sie HuiOne, den Schwester-Marktplatz, als "Primary Money Laundering Concern" einstufte und dadurch hoffte, den Zugang zum US-Finanzsystem zu erschweren oder zu verhindern. Doch da die Geldwäsche zunehmend über kryptobasierte und dezentrale Netzwerke läuft, bleibt die Kontrolle komplex und erfordert fortschrittliche Plattformüberwachung und internationale Kooperation. Das Beispiel Xinbi illustriert auch eine tieferliegende Problematik: die Entstehung eines China-basierten Untergrund-Bankensystems, das auf Stablecoins und digitalen Zahlungssystemen basiert. Viele dieser Transaktionen finden außerhalb der offiziellen Finanzaufsicht statt und bieten Kriminellen neue Möglichkeiten, Geldströme zu verschleiern und zu bewegen.
Diese Entwicklung unterstreicht die Notwendigkeit, umfassende Regulierungen für Kryptowährungen und digitale Bezahlsysteme zu etablieren, begleitet von einer besseren globalen Zusammenarbeit der Strafverfolgung. Schließlich zeigen sich auch Trends in der weiteren Entwicklung solcher Marktplätze. Die Schließung von Xinbi und HuiOne könnte mittelfristig zu einer Verlagerung hin zu dezentralen Marktplätzen führen, die widerstandsfähiger gegen Zensur sind. Dies würde bedeuten, dass Kommunikation und Zahlungsabwicklung völlig dezentralisiert und somit schwerer zu kontrollieren wären. Für die Behörden wird dies eine Herausforderung darstellen, da traditionelle Mittel der Abschaltung oder Blockierung nicht mehr ausreichen.
Die Enthüllungen rund um Xinbi Guarantee sind ein eindrücklicher Beleg dafür, wie stark die Schattenwirtschaft durch digitale Innovationen transformiert wird. Sie zeigen aber auch die Risiken eines unregulierten Kryptowährungs-Ökosystems und die Bedeutung internationaler Anstrengungen im Kampf gegen Cyberkriminalität, Geldwäsche und Betrug. Die Kombination aus technisch ausgereiften Tools, sozialpsychologischen Manipulationstechniken und geopolitischer Verstrickung macht Marktplätze wie Xinbi zu Kernpunkten moderner, grenzüberschreitender Kriminalität – und zu einem Prüfstein für die Wirksamkeit moderner Sicherheits- und Rechtsstaatmechanismen.