Die Szene wirkt wie aus einem dystopischen Film: zwei Orcas, Wikie und ihr Sohn Keijo, gefangen in einem abgelassenen Marinepark nahe Cannes, ihre Becken überzogen von dichten Algen. Der Marinepark Marineland Antibes wurde Anfang Januar 2025 geschlossen, nachdem Frankreich bereits 2021 ein Verbot für Delfin- und Walshows erlassen hatte. Doch das Schicksal der beiden letzten in Gefangenschaft gehaltenen Orcas des Landes bleibt weiterhin ungewiss und vor allem besorgniserregend. Was als erfreuliche Entwicklung zugunsten des Tierschutzes begann, hat in der Realität zu einer gefährlichen und dringlichen Situation für die betroffenen Tiere geführt. Während der Park stillgelegt ist, werden Wikie und Keijo weiterhin in den verwahrlosten Pools gehalten, ohne Aussicht auf baldige Rettung oder Verlegung in artgerechte Refugien.
Die dramatischen Aufnahmen, die von Tieraktivisten veröffentlicht wurden, zeigen deutlich, wie die Becken von Algen überwuchert sind und kaum noch als Lebensraum taugen. Dieser Zustand schwächt die Gesundheit der Orcas erheblich und steigert das Risiko von Krankheiten. Die Tieraktivist:innen, unter ihnen Marketa Schusterova von TideBreakers, appellieren auf eindringliche Weise an die französische Regierung und die internationale Gemeinschaft, unverzüglich zu handeln. Sie warnen vor den erheblichen gesundheitlichen und Sicherheitsrisiken, die diese unhaltbaren Bedingungen für Wikie, Keijo und die im Park ebenfalls gefangen gehaltenen zwölf Delfine darstellen. Die Situation im Marineland Antibes wird von Schusterova als katastrophal und dringend bezeichnet, mit der Erkenntnis, dass die Zeit knapp wird, um das Leben der Meeressäuger zu retten.
Verantwortlich für die Tiere ist weiterhin der Parkbetreiber, der betonte, dass ein sofortiger Umzug der Orcas dringend notwendig sei, um ihr Wohlbefinden sicherzustellen. Trotz dieser Klarheit jedoch wurden bisher keine praktikablen Lösungen gefunden, die von den Behörden genehmigt wurden. Von Anfang an war die Suche nach geeigneten Nachzuchtstätten oder Auffangstationen schwierig. Vorschläge für eine Verlegung der Tiere nach Japan oder in den bekannten Loro Parque in Teneriffa wurden entweder von französischer oder spanischer Seite abgelehnt. Besonders problematisch ist, dass der Loro Parque angab, derzeit nicht über die ausreichenden Kapazitäten zu verfügen, um Wikie und Keijo unter optimalen Bedingungen aufzunehmen.
Vor diesem Hintergrund verfolgen Tier- und Wal-Schutzorganisationen eine Alternative in Kanada. Der Whale Sanctuary Project, geleitet von Lori Marino, setzt sich leidenschaftlich dafür ein, die Tiere in eine dafür vorgesehene Auffangstation in Nova Scotia umzusiedeln. Diese Einrichtung, die auf das Wohl der Meeressäuger spezialisiert ist, bietet den Orcas mehr Raum zum Schwimmen und ein viel naturnäheres Umfeld als die bisherigen Betonbecken. Trotz dieser Perspektive wurde auch hier der Antrag seitens des französischen Umweltministeriums vorerst abgelehnt, was die Situation zusätzlich verschärft. Ein erwähnenswerter Aspekt beim Schicksal von Wikie und Keijo ist ihre Herkunft: beide sind in Gefangenschaft geboren, was ein unkontrolliertes Aussetzen in die freie Wildbahn unmöglich macht.
Ohne die für die Jagd und das Überleben nötigen Instinkte oder Fähigkeiten, wären sie in ihrer natürlichen Umgebung kaum überlebensfähig. Deshalb ist es umso wichtiger, dass ihnen zumindest ein sicherer, artgerechter Lebensraum geboten wird, in dem sie bis ans Ende ihres Lebens betreut werden können. Die Erfahrungen mit Keiko, dem berühmten Orca aus dem Kinofilm „Free Willy“, zeigen, dass aufwändige Umsiedlungen und Integrationsinitiativen anspruchsvoll sind, aber dennoch möglich. Das Whale Sanctuary Project kann dabei auf jahrelange Erfahrung zurückgreifen und arbeitet mit Experten zusammen, die den Umbau und Betrieb von Wal-Auffangstationen beherrschen. Trotz der Dringlichkeit und des zunehmenden Drucks, vor allem vonseiten globaler Tierschutzorganisationen und der Öffentlichkeit, scheinen bürokratische und administrative Hindernisse den entscheidenden Schritt hinauszuzögern.
Der geschlossene Zustand von Marineland Antibes und die fehlenden Sofortmaßnahmen ziehen sich bereits mehrere Monate hin. In der Zwischenzeit verschlechtern sich die Lebensbedingungen für die Meeressäuger stetig. Die dramatischen Bilder haben bereits international für Empörung gesorgt und rufen Politiker sowie Bürger dazu auf, nicht wegzuschauen. Ein Umdenken in der Haltung von Meeresbewohnern in Gefangenschaft ist längst überfällig. Die schrittweise Abschaffung von Delfin- und Orcashows in Ländern wie Frankreich spiegelt dies wider, doch der Übergang muss mit Ganzer Konsequenz gestaltet werden.
Der Schutz der Tiere endet nicht mit der Schließung einer Einrichtung, sondern muss mit ihrer Umsiedlung in sichere Refugien beginnen. Dass sich die Lebensbedingungen der Orcas nach Jahrzehnten der Gefangenschaft nicht über Nacht verbessern lassen, ist verständlich. Dennoch muss das öffentliche und politische Bewusstsein für schnelle und humane Lösungen wachsen. Das Beispiel von Wikie und Keijo zeigt, wie wichtig fachkundige Betreuung, geeignete Infrastruktur und ein klares politisches Bekenntnis zum Tierschutz sind. Angesichts der globalen Entwicklungen im Bereich Meeresschutz, die immer stärker auf Naturnähe und artgerechte Lebensräume setzen, sollte der Fall dieser Orcas als Weckruf dienen.
Die internationale Gemeinschaft ist gefragt, zusammenzuarbeiten und die notwendigen Ressourcen bereitzustellen, um den Meeressäugern eine sichere Zukunft zu ermöglichen. Nur so kann verhindert werden, dass das traurige Bild von Orcas in einem aufgegebenen, von Algen und Verfall bedrohten Park zur tragischen Realität wird. Dies ist auch eine Erinnerung daran, dass die Haltung von Wildtieren in Gefangenschaft immer einer sorgfältigen ethischen Überprüfung unterzogen werden muss. Die Forderungen von Experten, Aktivisten und engagierten Organisationen sind eindeutig: Wikie und Keijo brauchen dringend Hilfe, und es besteht Hoffnung, wenn unverzüglich gehandelt wird. Die Schutz- und Auffangstationen wie jene in Nova Scotia könnten ein Modell sein, an dem sich künftig weitere Länder orientieren, um ähnliche Situationen zu vermeiden.
Abschließend lässt sich sagen, dass der Fall der verlassenen Orcas im Marineland Antibes ein Mahnmal für den Umgang mit Meeresbewohnern in Gefangenschaft ist. Er fordert zu mehr Verantwortung, Transparenz und Humanität auf und zeigt, dass aktiver Schutz und Rettung nicht nur möglich, sondern zwingend notwendig sind.