Die Ashio-Kupfermine im späten 19. Jahrhundert war nicht nur ein Zentrum technologischer Innovation in Japan, sondern gleichzeitig Schauplatz einer der ersten großen Umweltkatastrophen des Landes. Die rapide industrielle Expansion führte zu schwerwiegenden Umweltverschmutzungen, die Flüsse und landwirtschaftliche Flächen in der Region stark beeinträchtigten. Die Folgen waren katastrophal für die lokale Bevölkerung und lösten eine Protestbewegung aus, die von einer bemerkenswerten Persönlichkeit angeführt wurde: Tanaka Shōzō, weithin als Japans erster Ökologe anerkannt. Tanaka Shōzō, geboren 1841, war ursprünglich ein Dorfvorsteher und politisch engagiert in der liberalen Bewegung, die sich für Bürgerrechte und parlamentarische Mitbestimmung einsetzte.
In den 1890er Jahren widmete er sich mit großer Intensität dem Kampf gegen die Umweltverschmutzung durch die Ashio-Mine. Seine Arbeit ging dabei weit über einfache Proteste hinaus. Tanaka entwickelte eine tiefgehende ökologische Theorie, die auf zwei grundlegenden Naturprozessen basierte: dem „Gift“ (doku) und dem „Fluss“ (nagare). Diese beiden Begriffe fasste er als Metaphern für die Dynamik der Natur und die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt. Im Zuge dieser Theorie kritisierte Tanaka nicht nur die industrielle Umweltverschmutzung, sondern auch staatliche Maßnahmen, die auf eine totale Kontrolle und Umgestaltung der Natur abzielten.
Besonders problematisch waren für ihn die geplanten Hochwasserschutzprojekte des Meiji-Staates, bei denen große Flusslandschaften durch Beton und Staudämme „beherrscht“ werden sollten. Tanaka warnte davor, dass solche Eingriffe die natürlichen Flussläufe stören und langfristig zu größerem Schaden führen würden. Er argumentierte, dass eine Politik nicht gegen, sondern mit der Natur gestaltet werden müsse. Die Ashio-Mine war ein Paradebeispiel für Industrialisierung gegen Umweltschutz. Unter der Leitung von Furukawa Ichibei wurde die Mine nach 1877 stark ausgebaut.
Technologisch fortschrittlich, verfügte sie bereits in den 1880er Jahren über elektrische Bahnen, Hydrokraft und andere Neuerungen. Doch diese Expansion kam zu einem hohen Preis. Abfälle und chemische Rückstände vergifteten den Watarase-Fluss und umliegende Böden. Insbesondere Überschwemmungen, die durch Entwaldung und Bodenverarmung der umliegenden Berge begünstigt wurden, führten zur Verbreitung toxischer Substanzen wie Arsen, Quecksilber und Schwefelsäure in der Flusslandschaft. Die Bauern, Fischer und Bewohner des Tals waren unmittelbar betroffen.
Ihre Felder wurden verseucht, der Fischbestand brach ein, und zahlreiche Gesundheitsprobleme traten auf. Die Flüsse wurden so stark belastet, dass selbst das für Indigo-Färber wichtige Wasser unbrauchbar wurde. Tanaka wurde zur Stimme dieser Leidtragenden. Er organisierte Proteste, sammelte Beweise und wandte sich an das Parlament. Seine Rolle als Abgeordneter des damaligen Shimotsuke war zentral für die öffentliche Wahrnehmung des Problems und für den politischen Druck auf die Regierung.
Trotz erster Untersuchungen und einem 1897 erlassenen Umweltschutzbefehl an die Bergbaugesellschaft nahmen die Umweltprobleme nicht ab. Das Vorgehen der damaligen Behörden war oft davon geprägt, die Eigentumsrechte der Unternehmen zu schützen und finanzielle Entschädigungen zu priorisieren, statt effektive Umweltschutzmaßnahmen durchzusetzen. Die Lösung wurde bei der geplanten Neuordnung des Flusssystems gesucht, die darauf abzielte, durch den Bau von Dämmen und Hochwasserschutzanlagen den Fluss streng zu regulieren. Der Staat erklärte die Flüsse somit faktisch zu Objekten, die maximal kontrolliert und fixiert werden müssten. Dieses Verständnis von Natur als passivem, gestaltbarem Material kritisierte Tanaka scharf.
Sein Konzept von „nagare“ als lebensspendendem Fluss betonte den ständigen Wandel und die Bewegung in der Natur. „Doku“, das Gift, sah er als Resultat der unnatürlichen Eingriffe des Menschen, der versuche, die Natur zu manipulieren, statt mit ihr im Einklang zu leben. Tanakas Philosophie beinhaltete eine ganzheitliche Sicht. Umweltprobleme seien stets eng mit sozialen und politischen Fragen verbunden. Er erkannte früh, dass Umweltzerstörung die Grundlage ziviler Rechte und sozialer Gerechtigkeit bedrohe.
Seiner Auffassung nach kann eine Gesellschaft nur dann gerecht sein, wenn sie im Einklang mit den natürlichen Prozessen lebt und diese respektiert. Das Drama der 1907 erzwungenen Umsiedlung des Dorfes Yanaka, das der Wasserspeicherung für ein Hochwasserschutzprojekt weichen musste, illustriert diese Verbindung zwischen Umweltpolitik und sozialer Unterdrückung. Für Tanaka wurde Yanaka zum Symbol einer Politik, die auf Kosten der Schwächsten umzusetzen versuchte, was aus seiner Sicht grundsätzlich falsch war. Seine Kritik an staatlichen Fluss- und Umweltschutzgesetzen verlief gegen die herrschende Politik der meijizeitlichen Modernisierung, die naturbeherrschend und industrialisierend war. Tanakas „Grundgesetz des Flusses“ trug eine ökologische Ethik in sich, die eine Anpassung menschlichen Handelns an die natürlichen Bewegungen und Grenzlinien der Umwelt einforderte.
Diese Ideen waren ihrer Zeit weit voraus und haben bis heute Bedeutung. Tanakas Vision eines „universellen Grundgesetzes“ beruht auf dem Gedanken, dass Naturgesetzte und ökologische Prinzipien universell gültig sind und als Basis für soziale Ordnung und Rechte dienen sollten. Seine Forderung, Politik nicht gegen, sondern im Sinne der Natur zu gestalten, verweist auf eine Nachhaltigkeit, die erst heute breite Resonanz findet. Der Einfluss von Tanakas Arbeit und Umweltphilosophie reichte weit über seine Lebenszeit hinaus. Vor dem Hintergrund späterer Umweltkatastrophen in Japan, insbesondere der Minamata-Krankheit durch Quecksilbervergiftungen, wurde Tanaka wiederentdeckt und zu einer Inspirationsquelle für moderne Bürgerbewegungen im Umweltbereich.
Gruppen wie die Watarase Study Group arbeiten bis heute daran, seine Werte und Lehren wachzuhalten. Auch über Japan hinaus ist die Geschichte von Ashio und Tanaka von großem Interesse. Die Problematik industrieller Umweltverschmutzung, sozialer Gerechtigkeit sowie der Kritik an staatlichen Infrastrukturprojekten zur Flussregulierung hat globale Bedeutung. Die Wiederaufforstung der ehemaligen Ashio-Gebiete durch Freiwillige zeugt vom Wunsch, die Schäden der Vergangenheit zu heilen und die Natur wiederherzustellen, wenngleich noch Jahrzehnte an Anstrengungen notwendig sind, um den Boden vom süßlich riechenden Schwefel zu befreien. Tanaka Shōzō lehrt uns, dass Umweltprobleme immer auch Ausdruck tiefgreifender gesellschaftlicher Konflikte sind.
Seine Mahnung, die Natur nicht als statisches Objekt menschlicher Gestaltung zu sehen, sondern als dynamisches System, das Achtung und Verständnis erfordert, hat heute mehr Bedeutung denn je. In Zeiten des globalen Klimawandels, schwindender Biodiversität und wachsender sozialer Ungleichheit sind seine Einsichten eine wertvolle Erinnerung daran, dass nachhaltiger Umweltschutz untrennbar mit sozialer Gerechtigkeit verbunden ist. Sein Kampf gegen die Ashio-Mine fungiert als frühes Beispiel für umweltpolitisches Engagement, das lokale Interessen mit globalen Fragestellungen verbindet. Tanakas Philosophie von „Gift“ und „Fluss“ eröffnet eine Perspektive, die ökologische Prozesse nicht auf physische Umweltaspekte reduziert, sondern deren soziale Auswirkungen und menschliche Verantwortung betont. Gerade diese Verknüpfung macht seinen Beitrag zu einer umweltethischen Debatte unverzichtbar.
Angesichts der heutigen Herausforderungen in der Umweltpolitik ist Tanakas Grundidee, dass Politik nicht um der Beherrschung der Natur willen gestaltet werden darf, sondern die Politik der Natur folgen muss, von großer Aktualität. Seine Arbeit erinnert daran, dass ökologische Nachhaltigkeit stets mit sozialer Verantwortung und politischem Einsatz für Gerechtigkeit verbunden sein muss. Die Geschichte der Ashio-Mine ist somit ein Fenster in die Ursprünge moderner Umweltbewegungen in Japan und zugleich eine Einladung zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Natur, der universell gültig ist.