Der Fear and Greed Index ist ein bekannter Stimmungsindikator, der die vorherrschenden Emotionen am Aktienmarkt misst. Entwickelt von CNN Money, basiert der Index auf der Annahme, dass Angst und Gier die Haupttriebfedern der Anleger sind und dementsprechend wesentlichen Einfluss auf die Kursbewegungen haben. Das Verständnis dieses Index bietet Investoren wertvolle Hinweise auf mögliche Übertreibungen oder Unterbewertungen am Markt und kann somit als ergänzendes Werkzeug für die eigene Investmentstrategie dienen. Emotionen wie Angst und Gier sind im Finanzmarkt keine bloßen Nebenerscheinungen, sondern oft die treibenden Kräfte hinter massiven Kursbewegungen. Wenn die Angst überwiegt, tendieren Anleger dazu, ihre Wertpapiere zu verkaufen oder sich aus dem Markt zurückzuziehen, was häufig zu fallenden Kursen und Panikverkäufen führt.
Umgekehrt kann eine vorherrschende Gier dazu führen, dass Investoren blindlings in den Markt investieren, was oft eine Überbewertung von Aktien und spekulative Blasen nach sich zieht. Der Fear and Greed Index misst diese beiden gegensätzlichen Emotionen auf einer Skala von 0 bis 100, wobei 0 für „Extreme Angst“ steht und 100 für „Extreme Gier“. Werte im unteren Bereich signalisieren, dass Anleger ängstlich sind und möglicherweise zu pessimistisch auf den Markt blicken. Solche Situationen können Chancen für risikobereite Investoren darstellen, da die Kurse bei extremer Angst oft unter ihrem intrinsischen Wert gehandelt werden. Werte im oberen Bereich weisen dagegen darauf hin, dass der Markt von Euphorie geprägt ist, was das Risiko von Überbewertungen birgt und auf eine bevorstehende Korrektur hindeuten kann.
Die tägliche Veröffentlichung des Index durch CNN Money hat ihn zu einem weit verbreiteten Instrument unter professionellen und privaten Investoren gemacht. Dabei zeigt der Index nicht nur den aktuellen Stand der Anlegerstimmung, sondern stellt diese auch im Vergleich zu historischen Durchschnittswerten, was bei der Einschätzung der langfristigen Marktzyklen hilfreich ist. Berechnet wird der Fear and Greed Index aus sieben verschiedenen Teildaten, die jeweils unterschiedliche Facetten der Marktstimmung widerspiegeln. Der erste Faktor ist die Momentum-Messung anhand der Differenz des aktuellen S&P 500 Index zum gleitenden 125-Tage-Durchschnitt. Wenn der Index über diesem Durchschnitt liegt, spricht dies für eine positive Stimmung und somit Gier.
Liegt der Kurs darunter, dominiert die Angst die Märkte. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Anzahl der Aktien, die neue 52-Wochen-Hochs oder Tiefs erreichen. Überwiegen die Hochs, signalisiert dies, dass Anleger optimistisch sind und verstärkt kaufen. Überwiegen hingegen die Tiefs, herrscht Pessimismus und Verkaufsdruck. Diese Kennzahl gibt direkten Aufschluss über die Breite und Tiefe der Marktentwicklung, da sie nicht nur einzelne, sondern eine Vielzahl von Aktien betrachtet.
Auch die Handelsvolumina fließen in den Index ein. Insbesondere wird das Volumen der Aktien, deren Preise steigen, mit denen verglichen, deren Preise sinken. Ein höheres Volumen an steigenden Aktien spricht für eine zunehmende Gier im Markt, während ein höheres Volumen von fallenden Titeln die Angst widerspiegelt. Darüber hinaus werden weitere Faktoren wie der Volatilitätsindex (VIX), der die erwartete Schwankungsbreite des Marktes misst, einbezogen. Ein hoher VIX-Wert steht meist für gesteigerte Angst unter den Investoren.
Der Spread zwischen Renditen sicherer Staatsanleihen und riskanter Unternehmensanleihen dient ebenfalls als Stimmungsbarometer. Ein größerer Spread deutet auf eine höhere Risikoaversion hin, da Anleger verstärkt auf sichere Anlagen ausweichen. In der Praxis hilft der Fear and Greed Index Anlegern dabei, emotionale Überreaktionen des Marktes zu erkennen. Wer die Marktstimmung berücksichtigt, kann etwa in Phasen extremer Angst günstige Einstiegsgelegenheiten finden oder vor Überbewertungen warnen, wenn die Gier überhandnimmt. Erfahrungsgemäß ist es klug, gegen den aktuellen Trend zu investieren: Man kauft, wenn die Angst am größten ist, und verkauft, wenn die Gier den Höhepunkt erreicht hat.
Viele professionelle Investoren und Fondsmanager nutzen den Fear and Greed Index als Teil ihres Entscheidungsprozesses. Ergänzt wird er durch eigene Analysen von Fundamentaldaten, technischen Indikatoren und makroökonomischen Entwicklungen. Dennoch zeigt sich, dass das menschliche Verhalten und die kollektive Psychologie oft entscheidender sind als reine Zahlen, insbesondere in volatilen Phasen. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit veranschaulicht die Bedeutung des Index. Während der Corona-Pandemie 2020 fiel der Fear and Greed Index mehrfach auf extreme Angstwerte, als die Märkte nach dem Ausbruch weltweit stark einbrachen.
Investoren, die in diesen Phasen rational bleibend und gegen den Markttrend investierten, konnten von der anschließenden Erholung profitieren. Umgekehrt stieg der Index in den darauffolgenden Monaten auf Extreme Gier, mit stark überbewerteten Aktienmärkten, was schließlich in einer markanten Korrektur mündete. Der Fear and Greed Index ist jedoch kein Allheilmittel. Wie jeder Indikator hat er seine Grenzen und sollte nicht isoliert betrachtet werden. Marktstimmungen können sich sehr schnell ändern, und was noch gestern als extreme Angst galt, kann heute bereits überholt sein.
Auch technische Ausreißer oder außergewöhnliche Ereignisse lassen den Index teilweise verzerrt erscheinen. Es lohnt sich daher, den Index mit weiteren Quellen und Analysen zu kombinieren. Dazu zählen beispielsweise die Untersuchung von Unternehmensgewinnen, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, geldpolitischen Entscheidungen und geopolitischen Entwicklungen. Nur so entsteht ein umfassendes Bild von Chancen und Risiken. Abschließend kann festgehalten werden, dass der Fear and Greed Index ein wertvolles Werkzeug darstellt, um die kollektive Psychologie des Aktienmarktes besser zu verstehen.