Im November 2021 sorgte ein besonderes Ereignis in der Welt der Kryptowährungen und der digitalen Kunst für Schlagzeilen. Die dezentrale autonome Organisation Spice DAO ersteigerte bei einer Auktion von Christie’s in Paris ein seltenes Buch über die gescheiterte Filmadaption von „Dune“ durch Alejandro Jodorowsky für die enorme Summe von 3 Millionen Dollar – mehr als hundertfach über dem ursprünglichen Schätzpreis. Dieses Buch, das Jodorowskys Konzeptkunst und Ideen für die ambitionierte, aber nie realisierte Verfilmung des Kultromans von Frank Herbert aus den 1970er Jahren dokumentiert, gilt als eine der legendärsten Relikten der Science-Fiction-Kulturgeschichte. Doch der eigentliche Skandal folgte schnell: Spice DAO nahm fälschlicherweise an, mit dem Kauf die Urheberrechte an dem Buch und damit die Erlaubnis zum Erstellen und Verkaufen von NFTs basierend auf dessen Inhalten erworben zu haben. Diese Fehlannahme zog heftige öffentliche Kritik und erhebliche juristische Bedenken nach sich und wirft ein Schlaglicht auf die komplexen Herausforderungen rund um Copyright, digitale Kunst und den Krypto-Hype.
Spice DAO ist eine sogenannte dezentrale autonome Organisation, eine Gemeinschaft von Mitgliedern, die auf Blockchain-Technologie basiert und kollektiv Entscheidungen trifft. Ihr Ziel war es, mit dem Kauf des Buches eine innovative NFT-Kollektion zu schaffen, die nicht nur technisch wegweisend, sondern auch kulturell disruptiv sein sollte. Dabei planten sie, das physische Buch zu zerstören – die sogenannte „Verbrennung“ des Originals sollte als spektakulärer Marketing-Event per Video dokumentiert und ebenfalls als NFT verkauft werden. Darüber hinaus kündigten sie an, die Inhalte digital aufzubereiten, für eine breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sogar eine originale animierte Serie für einen Streamingdienst zu produzieren, die das Material als Grundlage nutzen würde. Doch die Euphorie schlug schnell in Ernüchterung um, denn der Kauf eines physischen Objekts – selbst von großer Seltenheit – führt nicht automatisch zum Erwerb der zugrunde liegenden Urheberrechte.
Das Buch enthielt zwar wertvolle Kunstwerke und Konzeptnotizen von Jodorowsky und anderen bedeutenden Künstlern jener Zeit, doch die Rechte an den Bildern, Texten und dem geistigen Eigentum liegen weiterhin bei den tatsächlichen Eigentümern, darunter vor allem die Herbert Limited Partnership, die die Rechte an Frank Herberts Roman verwaltet. Deshalb wäre das Produzieren von NFTs oder anderen digitalen Produkten auf Basis des Buches ohne entsprechende Lizenz rechtlich höchst problematisch und könnte zu teuren und langwierigen Gerichtsverfahren führen. Dieser Umstand wurde von zahlreichen Experten und der Internetgemeinschaft rasch hervorgehoben, was Spice DAO in der Folge in den Fokus negativer Kritik stellte. In Krypto- und Kunstkreisen entstanden hitzige Debatten über die Grenzen digitalen Eigentums, die Bedeutung von Urheberrechten in der neuen Blockchain-Welt und die Risiken, die aus Unwissenheit oder vorschnellem Handeln entstehen können. Die Episode wurde zum Lehrstück darüber, wie kompliziert das Zusammenspiel von traditionellen Rechtssystemen und neuartigen Technologien ist, und dass ein bloßer Besitz eines wertvollen physischen Objekts keinesfalls mit Besitz der damit verbundenen kreativen Inhalte gleichzusetzen ist.
Die Geschichte von Alejandro Jodorowskys „Dune“-Adaption ist selbst schon legendär und trägt zur Faszination um das Buch bei. In den 1970er Jahren plante Jodorowsky eine fast 14-stündige Adaption des Science-Fiction-Klassikers. Während Frank Herbert das Buch seit 1965 als Vorlage bereitstellte, scharte Jodorowsky ein Team außergewöhnlicher Künstler um sich, darunter den bekannten französischen Comiczeichner Jean Giraud alias Moebius, Schauspieler Salvador Dalí mit seinem exorbitanten Gagenwunsch und die Rockband Pink Floyd als potenzielle Komponisten des Soundtracks. Das Projekt wurde schließlich wegen der fast unmöglichen technischen und finanziellen Anforderungen gestoppt, doch Jodorowskys Vision erhielt Kultstatus und inspirierte zahlreiche nachfolgende Künstler und Filmemacher. Während es vor der erfolgreichen Verfilmung von Denis Villeneuve im Jahr 2021 nur eine kontrovers diskutierte Umsetzung von David Lynch im Jahr 1984 gab, blieb Jodorowskys Version eine faszinierende und zugleich tragische Vision, die viele Fans des Romans bis heute beschäftigt.
Das heute immens rare Buch dokumentiert diese kreative Episode, die weit mehr als nur ein gescheitertes Filmprojekt repräsentiert – es steht symbolisch für große künstlerische Ambitionen, innovative Denkansätze und eine Verbindung von Literatur, Film und bildender Kunst. Der Kauf durch Spice DAO und der damit verbundene Medienrummel zeigen eindrücklich, wie viel Wert manche Krypto-Communities in physische Sammlerstücke setzen, selbst in einer Branche, die eigentlich digitale Assets und Token im Fokus hat. Gleichzeitig illustriert der Vorgang die Herausforderungen, denen sich Investoren und Kreative in der Schnittstelle zwischen digitalem und physischem Eigentum stellen müssen. Der Wunsch, mit NFTs neue Formen des Besitzes und Handels von Kunst und Kultur zu etablieren, stößt dabei immer wieder auf bestehende rechtliche Rahmenbedingungen, die dringend Beachtung finden müssen. Darüber hinaus wirft die Geschichte auch die Frage auf, wie die Zukunft von Künstlerrechten und Kreativwirtschaft angesichts von Blockchain-Technologie und Krypto-Assets aussehen wird.
Unterschiedliche Interessen treffen aufeinander: die demokratisierende Kraft der Dezentralisierung und die Bewahrung von Urheberrechten, die Möglichkeit für Künstler, direkt von digitalen Verkäufen zu profitieren, und gleichzeitig der Schutz vor unautorisierten Nutzungen und Ausbeutung geistigen Eigentums. Der Fall Spice DAO illustriert, dass ohne fundierte juristische Beratung und genaue Kenntnis der rechtlichen Grundlagen riskante Fehlentscheidungen getroffen werden können, die neben enormen finanziellen Verlusten auch das Ansehen beschädigen. In der Folge wurde deutlich, dass das Buch bereits online kostenlos verfügbar ist und dass die Handlungen von Spice DAO eine irrtümliche Vorstellung der Rechte und Möglichkeiten in der Krypto-Szene widerspiegeln. Die geplanten Vorhaben wie NFT-Kollektionen, Animationsserien oder öffentliche Digitalisierung standen in klarer Diskrepanz zu den tatsächlichen Rechten an dem Werk. Diese Diskrepanz sorgte für erhebliche Kritik und zeigte, wie wichtig es ist, neben technologischem Enthusiasmus auch rechtliche Expertise einzubeziehen.
Gleichzeitig wurde die Auktion selbst von Auktionshäusern wie Christie’s als außergewöhnliches Ereignis vermarktet. Das Buch gilt als „eines der legendärsten Objekte in der Geschichte des Science-Fiction-Kinos und der Popkultur“, eine wertvolle Verbindung von Kunst, Filmgeschichte und Literatur. Die außergewöhnlich hohe Gebotsabgabe spiegelte zum einen die enorme Exklusivität wider, zum anderen aber auch die Unsicherheit, die durch mangelndes Verständnis der rechtlichen Sachlage entstehen kann. Der Fall Spice DAO sollte daher nicht nur als kostspieliger Fehler abgetan werden, sondern als wertvolle Lehrlektion dienen für all jene, die digitale Innovationen und traditionelle Kulturgüter miteinander verknüpfen wollen. Die Balance zwischen technologischem Fortschritt, künstlerischer Freiheit und juristischem Schutz ist essenziell, wenn die neuen Formen digitaler Kunst und Eigentumsübertragung nachhaltig wirken sollen.