Der Anime "Lazarus" katapultiert seine Zuschauer in das Jahr 2052 und präsentiert eine Welt, in der technische Innovationen allgegenwärtig sind. Doch abseits der fesselnden Handlung und der beeindruckenden Animation verbirgt sich eine faszinierende Auseinandersetzung mit Technologie, die nicht nur futuristisch erscheint, sondern auch bemerkenswert nah an unserer heutigen Realität ist. Regie geführt von Shinichirō Watanabe, bekannt für Klassiker wie "Cowboy Bebop", verbindet Lazarus nicht nur spannendes Storytelling mit einem ausgezeichneten Soundtrack, sondern auch kritische Gedanken zu sozialen und technischen Entwicklungen. Die Geschichte des Animes dreht sich um Axel Gilberto, einen brasilianischen Protagonisten, dessen Herkunft allein schon eine subtile kulturelle Prognose darstellt. Der Name Axel soll laut der Autoren bis zum Jahr 2030 in Brasilien genauso populär sein wie Enzo oder Gael, was den Bezug zur realen Namensentwicklung verdeutlicht und eine gewisse Authentizität schafft.
Diese Szenarioplanung lässt vermuten, dass das Zukunftsbild von Lazarus sorgfältig durchdacht wurde, um Zuschauer aus verschiedenen Regionen anzusprechen und gleichzeitig globale Trends aufzugreifen. Ein besonders bemerkenswertes Detail findet sich im fünften Episodenteil mit dem Titel "Pretty Vacant". Hier offenbaren sich zwei kleine, aber aussagekräftige technologische Elemente, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken, bei näherer Betrachtung jedoch überraschend viel über die echte und zukünftige Nutzung von Technik aussagen. So veröffentlicht die im Anime zentrale Firma Delta Medical, verantwortlich für die Entwicklung eines essenziellen Medikaments, Testergebnisse mittels Audio-Dateien auf der Plattform SoundCloud. Dieses Detail weckt nicht nur Nostalgie, sondern auch Erstaunen darüber, dass ein digitales Medium, das heute als schnelllebig und teilweise schon überholt gilt, auch in einer weit entfernten Zukunft als Transportmittel für medizinische Informationen genutzt wird.
SoundCloud stellt somit im amerikanisch-europäischen Raum einen festen Bestandteil der Mediengeschichte dar, der bis 2052 präsent geblieben ist. Diese Entscheidung seitens der Autoren hat eine doppelte Bedeutung: Sie lenkt den Blick auf die Langlebigkeit digitaler Plattformen und regt gleichzeitig dazu an, über die Entwicklung neuer und existierender Plattformen nachzudenken. Die Realität zeigt bereits Parallelen, denn im Februar 2024 änderte SoundCloud seine Nutzungsbedingungen dahingehend, dass Nutzerinhalte zur KI-Trainingszwecken genutzt werden dürfen. Diese Änderung spiegelt Widerstände und Chancen in der heutigen Digitalwelt wider und illustriert auf dystopische Art, wie eng unsere digitale Gegenwart und die Zukunft mindestens aus Sicht von Lazarus miteinander verflochten sind. Das zweite technologische Element betrifft ein äußerst praktisches, geradezu alltägliches Detail in der Welt von Lazarus – das Smartphone und dessen Haltbarkeit.
Trotz aller futuristischen Technologien, die der Anime präsentiert, bleiben auch 2052 die Smartphones empfindlich gegen mechanische Schäden. Eine Szene, in der Dr. Ahmed Rahman, der CEO von Delta Medical, sein Handy wütend gegen die Wand wirft und es prompt zu Bruch geht, zeigt, dass Glasschirme weiterhin ein Problem darstellen. Dieses scheinbar banale Manko zeigt einen tiefen kulturellen und industriellen Bezug, der sowohl Zukunftsszenarien als auch gegenwärtige Marktentwicklungen reflektiert. Die Tatsache, dass selbst hochrangige Persönlichkeiten in einer Hightech-Zukunft auf zerbrechliche Smartphones angewiesen sind, öffnet neue Perspektiven sowohl auf die Materialwissenschaft als auch auf Konsumgewohnheiten.
Die Szenen verdeutlichen den Erfolg von Schutzgehäusen, Displayschutzfolien sowie weiteren Accessoires, die im Laufe der Zeit aus der Notwendigkeit heraus entstanden sind. Eine hierzu passende Verschwörungstheorie des Autors lässt vermuten, dass Hersteller solcher Schutzartikel zumindest teilweise vom Fortbestand dieser fragilen Displays profitieren. Im übertragenen Sinn verweist diese Beobachtung darauf, dass technologische Fortschritte selten linear verlaufen und dass selbst angebliche Innovationen oft auf bestehenden Schwächen aufbauen. Neben diesen kleinen, aber Ertrags bringenden Details präsentiert Lazarus eine Zukunft, die zuvorderst durch realistische Technologie geprägt ist, ohne sich in utopischen oder dystopischen Extremen zu verlieren. Die Nutzung digitaler Plattformen für medizinische Erkenntnisse, der Umgang mit Alltagsgegenständen wie Smartphones und nicht zuletzt die kulturelle Dynamik durch den brasilianischen Hauptcharakter entwerfen eine vielschichtige techologische Landschaft.
Der gewählte Zeitpunkt für die Handlung – das Jahr 2052 – liegt zwar in der Zukunft, doch beim genauen Betrachten scheint die Welt von Lazarus in greifbarer Nähe zu sein. Die Technik zeigt weniger revolutionäre Neuerungen, als dass sie heutige Trends konsequent weiterdenkt. Die Grundeigenschaften digitaler Dienste und mobiler Geräte bleiben erhalten, während soziale und wirtschaftliche Implikationen in den Vordergrund rücken. Die Entscheidung, SoundCloud als Klangträger medizinischer Daten einzusetzen, stellt eine kreative Verknüpfung zwischen traditioneller Medienarchitektur und einer mittels KI unterstützten Zukunft dar, die sich nicht voller Technologien ersticken, sondern weiter auf Bekanntem aufbauen will. Was bedeutet dieser Blick in die Zukunft aus heutiger Perspektive? Er mahnt dazu, sowohl die Chancen als auch Grenzen technischer Entwicklungen zu bedenken.
Trotz großer Fortschritte bleibt der Mensch mit seinen Gewohnheiten, Ängsten und Fehlern ein zentrales Element. Technologien werden weder zum Selbstzweck, noch lösen sie alle Probleme. Stattdessen müssen sie als Werkzeuge verstanden werden, deren Verwendung klug und kritisch reflektiert werden muss. Lazarus erzählt daher nicht nur eine spannende Geschichte, sondern regt auch zur Diskussion über den Fortschritt, dessen Nutzen und mögliche Konsequenzen an. Ob die Nebenhandlung um den zerbrechlichen Handybildschirm oder die subtile Einbindung näher rückender KI-Entwicklungen à la SoundCloud-Ausnutzung die Zuschauer zum Nachdenken bringt, zeigt den Erfolg des Animes als Medium, das Unterhaltung und Zukunftsvisionen vereint.
Der Anime fordert mit seinen nicht übertriebenen Darstellungen die Zuschauer heraus, sich mit der eigenen Digitalisierung auseinanderzusetzen und darüber zu reflektieren, was Technik in der Zukunft bedeuten kann. Die Anderung der SoundCloud-Nutzungsbedingungen im Jahr 2024 wirkt bei genauer Betrachtung nicht nur wie eine Randnotiz, sondern gewinnt im Kontext von Lazarus ganz neue Tragweite. Es lässt vermuten, dass die Grenzen zwischen Technologie, Datenschutz und gesellschaftlicher Akzeptanz zunehmend verschwimmen. Zukünftige Technologien werden also nicht einfach nur erforscht und entworfen, sondern sie müssen auch in das bestehende gesellschaftliche Gefüge eingewoben werden. In diesem Spannungsfeld positioniert sich Lazarus als ein wertvoller Beitrag, der nicht nur Fans von Science-Fiction begeistert, sondern auch Technologen, Sozialwissenschaftler und Kulturinteressierte gleichermaßen anspricht.
Die Kombination aus einer glaubwürdigen Zukunftsvision, die unsere gegenwärtigen Technologien mitdenkt, sowie der starken narrativen Umsetzung durch Watanabe macht Lazarus zu einem wegweisenden Werk. Es ist ein Beispiel dafür, wie Medien technologische Entwicklungen nicht nur darstellen, sondern kritisch beleuchten und zum Diskurs anregen können – auch wenn die Zukunft vielleicht gar nicht so fern oder fremd ist, wie man glaubt.