Der Mars, unser faszinierender Nachbar im Sonnensystem, hält seit jeher viele Geheimnisse bereit. Durch seine charakteristische rote Oberfläche und vielfältige geologische Strukturen zieht er nicht nur Weltraumforscher, sondern auch die breite Öffentlichkeit in seinen Bann. Eines der prägendsten Merkmale des Mars sind die unzähligen Einschlagskrater, die von der gesamten Oberfläche zeugen. Diese Krater sind nicht einfach nur Narben der Marsgeschichte, sie fungieren zugleich als natürliche Bohrkerne und Enthüller der verborgenen Schichten des Planeten. Jeder Planet und Mond im Sonnensystem weist eine Geschichte von Meteoriteneinschlägen auf.
Ob der Mond, Merkur oder zahlreiche Eismonde der äußeren Planeten, ihre Oberflächen sind gezeichnet von Kratern unterschiedlichster Größe und Alter – stille Zeugen vergangener kosmischer Ereignisse. Insbesondere der Mars bietet hier aufgrund seiner dünnen Atmosphäre und der relativen geologischen Ruhe viele gut erhaltene Einschlagsstellen. Diese Krater sind von immenser wissenschaftlicher Bedeutung, denn ihre Eigenschaften offenbaren nicht nur die Geschichte von Einschlägen, sondern auch die Struktur und Zusammensetzung des Untergrunds. Ein multidisziplinäres Forscherteam unter der Leitung von Aleksandra Sokolowska, einer UKRI-Stipendiatin am Department of Earth Science and Engineering am Imperial College London, hat kürzlich bedeutsame Fortschritte in diesem Forschungsbereich erzielt. Gemeinsam mit Fachkollegen von Brown University und der Universität Bern untersuchte sie, wie sich aus der Analyse von Krater-Formen und dem sogenannten Impaktauswurf neue Erkenntnisse über die Materialien unter der Marsoberfläche gewinnen lassen.
Traditionell nutzen Planetengeologen die Form, Größe und Tiefe von Einschlagskratern, um Rückschlüsse auf die geologische Beschaffenheit und die Dynamik des Einschlags zu ziehen. Sokolowskas Arbeit geht jedoch einen Schritt weiter und fokussiert sich auf das sogenannte „Ejektamuster“ – das Material, das bei einem Einschlag aus dem Boden geschleudert wird und die Umgebung des Kraters bedeckt. Dabei stellte sich heraus, dass nicht nur die reine Größe des Kraters, sondern auch der Auswurfbereich Aufschluss über die physikalischen Eigenschaften unter der Oberfläche geben kann. Die Forschungsarbeit beinhaltete umfangreiche Computersimulationen, die von Kollegen wie Gareth S. Collins mitentwickelt wurden.
Diese Modellrechnungen simulieren die komplexen physikalischen Prozesse, die bei einem Meteoriteneinschlag ablaufen, und erlauben Variationen hinsichtlich der Schichten, aus denen der Boden besteht. Beispielsweise wurden Modelle getestet, die Gesteinsschichten, Sedimente, lockeres Material mit Eisanteil oder sogar solide Gletschereis-Schichten berücksichtigen. Die Resultate zeigten deutlich, dass die Zusammensetzung und Struktur des Untergrunds einen maßgeblichen Einfluss auf die Ausbreitung des ausgeworfenen Materials haben. Zur Überprüfung dieser Simulationen untersuchte das Team zwei vergleichsweise frische Krater auf der Marsoberfläche, deren Einschläge bereits als entweder in festen Gesteinsschichten oder über subsurface Eisvorkommen stattgefunden bekannt sind. Die Frische dieser Krater ist entscheidend, da Erosion und andere Verwitterungsprozesse die charakteristischen Merkmale der Auswurfmaterie verwischen würden.
Dabei wurde beobachtet, dass der Auswurfbereich über festem Gestein deutlich größer und ausgedehnter ist als bei einem Untergrund mit subsurface Eis. Diese Erkenntnis stimmt mit den Vorhersagen der Modelle überein und gilt als klare Bestätigung, dass die Verteilung des Ejektas ein direktes Abbild der Eigenschaften des Marsuntergrunds darstellt. Diese Methode eröffnet spannende Perspektiven für die Erforschung des Roten Planeten. Durch hochauflösende Bilder von Orbitermissionen wie dem Mars Reconnaissance Orbiter, der mit seiner HiRISE-Kamera detaillierte Oberflächenaufnahmen anfertigt, können Forscher künftig gezielt Unterschiede in den Ejektamustern erkennen. So lassen sich potenzielle Eisvorkommen unter der Marsoberfläche identifizieren, ohne bislang notwendige aufwendige Landemissionen oder Bohrungen.
Gerade das Auffinden von Wassereis ist von großer Bedeutung für unser Verständnis der Marsgeschichte, aber auch für zukünftige bemannte Missionen, bei denen Ressourcen für Trinkwasser und Treibstoffproduktion direkt vor Ort genutzt werden könnten. Darüber hinaus hat das Team betont, dass diese Methode nicht nur für den Mars gilt, sondern auch auf anderen Himmelskörpern im Sonnensystem anwendbar ist. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist das doppelte Asteroiden-System Didymos, das im Februar 2026 von der ESA-Raumsonde Hera untersucht wird. Nach dem Einschlag des NASA-DART-Raumschiffs auf den kleinen Begleiter Dimorphos im Jahr 2022 wird Hera die entstandene Einschlagsstelle und dessen Ejektamuster genau analysieren. Erkenntnisse über die Auswurfverteilung könnten wesentlich dazu beitragen, die innere Beschaffenheit des Asteroiden zu entschlüsseln – ein entscheidender Schritt für das Verständnis kleinerer Himmelskörper.
Aleksandra Sokolowska weist darauf hin, dass das ausgeworfene Material, das auf dem Asteroiden verbleibt und nicht ins All entkommen konnte, wichtige Hinweise auf seine innere Struktur geben kann. Diese Beobachtungen helfen nicht nur dabei, die physikalischen Eigenschaften der Oberfläche und der Substanz besser zu verstehen, sondern eröffnen auch neue Wege, um zukünftige Forschungsmissionen zu planen und gezielt auszurichten. Im Kontext des Mars sind diese Errungenschaften von enormer Bedeutung. Die Erkenntnisse über Eisvorkommen, Bodenstruktur und Materialzusammensetzung helfen nicht nur bei der Rekonstruktion der Planetengeschichte und des potenziellen Lebensraums in der Vergangenheit, sondern tragen auch zur Auswahl sicherer und nachhaltiger Landestellen für bemannte Einsätze bei. Faktoren wie das Vorhandensein von Eis können die Errichtung von Basen erleichtern, während die Kenntnis der Bodeneigenschaften essenziell für technische Planungen und Schutzmaßnahmen ist.