Megan Gleason, Absolventin des Jahrgangs 2018 von Whitman College, hat eine bemerkenswerte Reise hinter sich, die von anfänglichen Zweifeln und Ängsten bis hin zur internationalen Wettbewerbsstufe im Para-Klettern führt. Ihre Geschichte erzählt von Mut, Beharrlichkeit und einem unerschütterlichen Glauben daran, sich selbst immer wieder neu herauszufordern – und trotz einer körperlichen Einschränkung beeindruckende Erfolge zu erzielen. Aufgewachsen auf Bainbridge Island im US-Bundesstaat Washington, hat Gleason von Geburt an mit Zerebralparese (CP) zu kämpfen. Diese neurologische Erkrankung schränkt hauptsächlich die Koordination und Kraft ihres rechten Beins ein und führt gelegentlich zu clonusartigen Muskelkrämpfen, die durch Stress oder Erschöpfung ausgelöst werden können. Diese Herausforderungen haben Megan schon früh dazu gebracht, sich eher von Mannschaftssportarten wie Fußball fernzuhalten, bei denen Schnelligkeit und Gleichgewicht entscheidend sind.
Stattdessen fand sie größere Freude an individuellen Sportarten, wie zum Beispiel dem Reiten. Klettern war dabei für sie lange Zeit kein Thema. Das sollte sich erst im Studium am Whitman College ändern, als sie nach einer Sportart suchte, die sie kontinuierlich ausüben konnte. Trotz ihrer Höhenangst wagte Megan die Anmeldung zu einem Anfängerkletterkurs im Climbing Center der Hochschule. Sie wollte sich ihrer Furcht stellen und durch diese Konfrontation wachsen.
Das Klettern eröffnete ihr eine völlig neue Welt. Die Kombination aus körperlicher Herausforderung und dem Gefühl, ein klares Problem zu lösen, sprach Megan sofort an. Besonders beeindruckend für sie war, dass Fortschritte messbar waren. In einem intensiven Moment, als sie wegen ihres vollen Stundenplans mehrere Klettereinheiten verpasste, holte sie diese in einer einzigen Woche nach – viermal klettern innerhalb von sieben Tagen. Diese ungewöhnliche Anstrengung markierte für sie den Wendepunkt: Sie entwickelte eine Leidenschaft für das Klettern, die sie nie zuvor empfunden hatte.
Nach ihrem zweiten Studienjahr begann sie gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester zu klettern, was die Aktivität weiter förderte und sie motivierte. Dennoch führten Auslandsaufenthalte in Frankreich und der Start ins Berufsleben dazu, dass das Klettern für mehrere Jahre in den Hintergrund rückte. Erst fünf Jahre später fand Megan den Weg zurück an die Kletterwand. Die Rückkehr war nicht ohne Herausforderungen. Gerade das Alleinklettern, das durch die Nutzung eines Auto-Belay-Systems abgesichert wird, war zunächst eine große Hürde.
Ein Auto-Belay ersetzt den menschlichen Sicherungspartner durch eine automatische Seilwinde, die im Falle eines Sturzes den Kletterer sicher auffängt. Für Megan war es zunächst erschreckend, Vertrauen in die Technik zu haben und selbst wiederholt zu fallen, um sich daran zu gewöhnen. Mit viel Mut übte sie das kontrollierte Fallen, bis sie sich sicher genug fühlte, auch ohne menschlichen Partner zu klettern. Diese mentale Stärke und ihr bedingungsloser Wille, Ängste zu überwinden, spiegeln sich auch in ihrem Training und Erfolg wider. In den folgenden Jahren kletterte Megan wöchentlich als Hobby, bis sie bei einem Multi-Sport-Event namens The Big Hurt zufällig auf einen Mitglied eines adaptiven Kletterteams traf.
Die Erwähnung der Para-Klettermeisterschaften weckte in ihr eine neue Ambition. Die direkte Herausforderung, die ihr entgegengebracht wurde, ließ ihren Ehrgeiz lodern – schon damals versprach sie, bei den nächsten Nationals dabei zu sein. Die Umsetzung dieses Versprechens erforderte eine noch intensivere Trainingsroutine. Seit 2024 arbeitet Megan mit dem erfahrenen Trainer Emmett Cookson aus Seattle zusammen. Ihr Trainingsplan sieht vier Trainingseinheiten pro Woche vor, mit ausreichend Erholungszeit zwischen den Einheiten, um Überlastung zu vermeiden.
Trotz eines Vollzeitjobs im Bereich Marketing und Kommunikation investiert sie regelmäßig zwei bis zweieinhalb Stunden unter der Woche für das Training, an Wochenenden sind es sogar bis zu vier Stunden mit Pausen zwischen den einzelnen Kletterabschnitten. Nach sechs Monaten konsequenter Vorbereitung trat Megan schließlich im März bei den US Para Climbing Nationals an – ohne genau zu wissen, wie sie im Vergleich zur Konkurrenz abschneiden würde. Doch nicht nur schaffte sie es ins Finale, sondern sicherte sich auch die Silbermedaille und einen Platz im U.S. Para Climbing National Team.
Die Faszination für das Klettern hat für Megan weniger mit dem Jagdtrieb nach Medaillen zu tun als vielmehr mit dem unmittelbaren Erfolgserlebnis, ein komplexes Problem am Fels zu lösen. Jede Route, jede Herausforderung ist klar strukturiert und gibt ihr die Möglichkeit, ihre körperlichen Grenzen neu auszuloten und immer wieder zu erweitern. Dieser strukturierte Ansatz erinnert Megan an ihre Zeit an der Hochschule, wo sie trotz großer akademischer Herausforderungen – besonders in Biologie und Französisch – ihre Mantras entwickelte, mit denen sie nicht aufgab, sondern sich motivierte, dranzubleiben. Die Parakletterin betont, dass ihre körperliche Einschränkung sie zwar überzeugen kann, manche Routen schwieriger zu bewältigen, aber das Klettern bringt jeden Athleten dazu, individuelle Anpassungen vorzunehmen. Zyklusbedingt oder körperlich bedingt müssen alle Strategien eingesetzt werden, um erfolgreich zu sein.
Megan selbst trägt außerhalb des Kletterns eine Prothese an ihrem rechten Bein, was ihr die Mobilität erleichtert, aber auch bei der Bewegung und Balance herausfordernd bleibt. Ihr größter persönlicher Fortschritt liegt in der Veränderung ihrer Denkweise: „Ich kann nicht mehr sagen, ‚Das werde ich nie schaffen‘. Es geht nicht darum, ob man dorthin kommt, sondern nur darum, wie lange der Weg dauert.“ Diese positive Einstellung macht ihren Erfolg aus und ist auch ausschlaggebend dafür, dass sie trotz Müdigkeit oder Schmerzen regelmäßig im Klettergym erscheint. Die hartnäckige tägliche Arbeit zeigt Wirkung – und sie ist sich bewusst, dass ihr Einsatz nicht nur sie selbst betrifft, sondern auch andere Menschen inspiriert, die sie beobachten.
Im Bereich des Para-Kletterns gibt es nur wenige Vorbilder, die eine ähnliche körperliche Situation wie Megan haben und diese publik machen. Umso wichtiger ist es, dass sie selbst mit gutem Beispiel vorangeht und ihre Erfahrungen teilt – etwa über soziale Netzwerke. Dabei ist es ihr wichtig, nicht als bekannte Figur zu glänzen, sondern als Repräsentantin der Vielfalt des Sports und der Fähigkeiten von Menschen mit Behinderung. Die Elite-Kletterin Melissa Ruiz, die ebenfalls mit CP klettert, ist für Megan ein inspirierendes Role Model. Am Horizont steht für Megan Gleason nun die Teilnahme am Para Climbing World Cup der International Federation of Sport Climbing (IFSC), der im Mai 2025 in Salt Lake City stattfindet.
Es wird ihr erster Auftritt auf der internationalen Bühne sein, bei dem sie mit ihrer Leistung überraschen und vielleicht sogar auf dem Podium landen will. Obwohl ihr Ziel darin liegt, ihr bestes Potenzial auszuschöpfen und zu sehen, wohin sie damit kommt, möchte sie vor allem eines: bei diesem Ereignis Erfahrungen sammeln und sich mit anderen High-Performance-Athleten messen. Ein weiterer großer Grund zur Vorfreude ist die bevorstehende Premiere von Para Climbing bei den Paralympischen Spielen 2028 in Los Angeles. Megan träumt davon, irgendwann das olympische Rampenlicht zu betreten, weiß jedoch, dass die Qualifikationskriterien hierfür noch nicht feststehen. Da sie sich jährlich erneut für das Nationalteam qualifizieren muss, liegt der Fokus momentan darauf, langfristig an ihrer Leistung zu arbeiten und den Sport weiter voranzubringen.
Megan Gleasons Geschichte ist mehr als die eines erfolgreichen Athleten. Sie ist die Geschichte einer Frau, die sich trotz großer körperlicher Herausforderungen nicht einschränken lässt. Sie zeigt, wie wichtig es ist, Ängste zu überwinden, an sich zu glauben und Schritt für Schritt große Ziele zu verfolgen. Neben der körperlichen Fitness hat sie vor allem ihre mentale Stärke trainiert – das nicht aufzugeben, wenn es schwierig wird, und sichtbar zu machen, dass Behinderung kein Hindernis sein muss, um auf höchstem Niveau zu konkurrieren. Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Para-Kletterns als Sportart schafft für Athletinnen und Athleten wie Megan neue Möglichkeiten und Vorbilder.
Sie trägt dazu bei, mit Klischees zu brechen und die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft zu verändern. Ihr Engagement geht weit über persönliche Erfolge hinaus – es geht darum, andere Mut zu machen und teilzuhaben an einer sportlichen Bewegung, die bald auf den globalen Bühnen angekommen ist. Für diejenigen, die sich für Para-Klettern interessieren oder selbst den Einstieg suchen möchten, bieten der Internationale Sportkletterverband (IFSC) und USA Climbing zahlreiche Informationsmöglichkeiten. Wer Megans Entwicklung verfolgen möchte, findet Einblicke in ihren Trainingsalltag und Wettkämpfe über ihre sozialen Medien – eine Quelle für Inspiration, Herausforderungen und Triumphe gleichermaßen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Megan Gleason mit ihrem Weg von der anfänglichen Angst vor dem Klettern zu einer Silbermedaillengewinnerin bei den Nationals ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist, wie individuelle Stärke und der unbeirrbare Wille zum Erfolg führen können.
Sie zeigt uns, dass Grenzen oft nur im Kopf existieren und dass es sich lohnt, immer wieder höher zu klettern – im wörtlichen und übertragenen Sinne.