Die Grafik des NEC PC-98 ist eine der faszinierendsten Erscheinungen aus der Anfangszeit der Personal Computer. Ihre Eigenart und Ästhetik prägen bis heute die nostalgische Erinnerung vieler Retro-Gaming-Fans und Technikenthusiasten. Doch nur wenige wissen, dass wir die PC-98-Grafik womöglich jahrzehntelang falsch betrachtet haben. Der Grund dafür liegt im sogenannten Dithering, einer optischen Technik, die speziell auf die Eigenschaften der damaligen PC-98-Monitore abgestimmt war. Der folgende Text beleuchtet die Geschichte, Technik und den nostalgischen Wert der PC-98-Grafik und zeigt, warum originale CRT-Monitore, die häufig als veraltet oder minderwertig gelten, auf ihre ganz eigene Weise unverzichtbar für das authentische visuelle Erlebnis sind.
In den frühen 1980er und 1990er Jahren dominierten bei Computermonitoren noch CRT-Geräte (Cathode Ray Tube). Diese Röhrenbildschirme unterschieden sich stark von modernen LCD- oder OLED-Bildschirmen, besonders im Hinblick auf die Bilddarstellung. Am Beispiel des PC-98 ist besonders die schlechte Dot-Pitch, also der Abstand zwischen einzelnen Phosphorpunkten auf dem Bildschirm, hervorzuheben. Monitore wie der PC-KD854N, eine der gängigen Anzeigeeinheiten für PC-98-Systeme, verfügten über einen Dot-Pitch von ungefähr 0,39 Millimetern. Zum Vergleich: Das entspricht ungefähr dem, was beim damals ebenso verbreiteten EGA-Standard verwendet wurde.
Während ein heutiger Nutzer vermutlich die schlechte Schärfe oder das verpixelte Bild als Makel wahrnimmt, war genau diese technische Eigenheit ein kreativer Spielraum für Entwickler der PC-98-Plattform. Trotz der geringen Farbtiefe von nur 16 Farben setzten sie Dithering-Techniken geschickt ein, um den Eindruck von mehr Farben und Details zu vermitteln. Dabei handelt es sich um das gezielte Mischen zweier Farben in einem Muster, das für das menschliche Auge bei genügender Entfernung wie eine dritte Farbe erscheint. Auf modernen LCD-Bildschirmen, die einzelne Pixel sauber und scharf darstellen, wird das Dither-Muster jedoch offensichtlich und wirkt eher wie ein störendes Rauschen oder ein Artefakt, wodurch der eigentliche Effekt verloren geht. Dieses Missverständnis prägt die aktuelle Darstellung von PC-98-Spielen und -Grafiken vor allem in Emulatoren.
Während PC-98-Emulatoren wie NP21w oder andere zwar funktionierende Nachbildungen bereitstellen und die ursprünglichen Bilddaten korrekt abspielen, gelingt es ihnen nur unzureichend, die optischen Charakteristika eines echten CRTs zu simulieren. Die beliebten CRT-Shader, die für westliche Retro-Emulationen oft zum Einsatz kommen, haben ihre Stärken nicht immer bei den speziellen Farben und Dithering-Effekten der PC-98-Grafik. Das führt dazu, dass Nutzer geneigt sind, den verwaschenen und farblich eingeschränkten Eindruck als das Original zu akzeptieren – was so jedoch nicht korrekt ist. Tatsächlich wurde die PC-98-Grafik genau für die damals vorhandenen technischen Limitierungen optimiert. Entwickler nutzten das analoge RGB-Signal und das schlechte Dot-Pitch der Monitore als kreative Grundlage, indem sie fein abgestufte Dithering-Muster entwarfen, die das Bild auf der Röhre regelrecht lebendig werden ließen.
Auf einem echten CRT, besonders auf dem PC-KD854N-Modell, verschmolzen diese Muster mit den physikalischen Eigenschaften des Bildschirms, so dass das Bild viel farbiger und harmonischer wirkte, als es eine (digitale) reine Farbtiefe erahnen lässt. Beispielhafte Belege dafür finden sich in vielen klassischen PC-98-Titeln. Die „vaporwave“-ähnliche Ästhetik, die sich durch das Dithering ergibt, war keine zufällige stilistische Entscheidung, sondern eine praktische Lösung für eine optische Herausforderung. Viele Zeichenprogramme der Ära unterstützten die Erzeugung ditherter Farben explizit, und zahlreiche Entwickler lobten besonders clevere Dithering-Techniken als „magisch“. Sogar Sachbücher diverser Ära mit Einblicken in die Entwicklung von Visual Novels und PC-98-Spielen weisen auf die zentrale Bedeutung dieser Technik hin.
Eine besonders eindrückliche Quelle sind Fotos, die den Unterschied zwischen PC-98-Grafik auf einem Emulator oder LCD-Monitor und dem Originalbild auf einem PC-KD854N-CRT zeigen. Selbst eingefleischte Retro-Fans fahren eine Überraschung ein, wenn sie entdecken, dass die scheinbar detailarme und grobe Grafik in Wirklichkeit sorgfältig ausgearbeitete Farbmischungen und optische Harmonien enthält, die erst auf dem originalen Hardware-Setup wirklich zur Geltung kommen. Für Fans und Sammler bedeutet das überraschenderweise auch, dass die Suche nach einem originalen PC-KD854N-Monitor weiterhin einen sehr hohen Stellenwert hat. Leider gilt der Import von CRT-Monitoren aus Japan als kostenintensiv und riskant, da die empfindlichen Röhren leicht beim Transport beschädigt werden können. Dennoch wächst das Bewusstsein, dass ohne einen authentischen CRT der visuelle Eindruck der PC-98-Ära unvollständig bleibt.
Interessanterweise gibt es mittlerweile auch Softwarelösungen, die versuchen, das Gefühl eines PC-98-CRT-Monitors auf heutigen Displays zu simulieren. Programme wie ShaderGlass ermöglichen es, beliebige Anwendungen, darunter auch NP21w, mit speziellen CRT-Filtern zu versehen. Eines der besten verfügbaren Filter für PC-98-Grafiken ist der GTU-V050-Shader. Dieser versucht besonders das Dithering bestmöglich abzubilden und somit den nostalgischen Eindruck zu verbessern. Die Ergebnisse machen deutlich, wie weit Emulatoren ohne solche Filter von der Originaldarstellung entfernt sind.
Allerdings arbeiten diese Filter besser mit höheren Auflösungen wie 640×400 Pixel und weniger zuverlässig bei niedrigeren Modi, beispielsweise 640×200 Pixel. Das schränkt den Einsatzkomfort zwar etwas ein, zeigt aber dennoch Potenzial, die PC-98-Grafik erlebbar zu machen wie nie zuvor – selbst für jene, die keinen originalen Monitor besitzen. Das Wissen um die besondere Bedeutung des Ditherings und der CRT-Eigenschaften öffnet gleichzeitig einen neuen Blickwinkel auf die gesamte Retro-Gaming-Szene. Zahlreiche ikonische Spiele, die lange als grafisch simpel oder eingeschränkt galten, werden so in einem völlig neuen Licht dargestellt. Entwickler der PC-98-Plattform waren technisch kreativ und haben nicht etwa das Hardwarelimit ertragen müssen, sondern es aktiv zu ihrem gestalterischen Vorteil gemacht.
Es zeigt die enge Verzahnung von Software und Hardware, die für die Computergeschichte grundlegend ist. Viele moderne Enthusiasten und Historiker plädieren daher dafür, dass zukünftige Emulatoren unbedingt verbesserte CRT-Shader anbieten sollten, die speziell auf die Eigenschaften der PC-98-Hardware abgestimmt sind. Nur so können neue Generationen von Spielern die visuelle Magie der PC-98-Grafik genauso erleben, wie sie damals gedacht war – und nicht als pixelige Farbangabe ohne atmosphärischen Feinschliff. Diese Erkenntnisse regen auch dazu an, über weitere historische Systeme nachzudenken. Ähnliche Techniken wie Dithering oder die Ausnutzung schlechter Display-Hardware gab es bereits bei Konsolen mit Composite-Video-Ausgabe oder frühen PCs.
Der PC-98 ist damit ein wichtiges Beispiel dafür, wie technische Limitierungen zu innovativen ästhetischen Stilen werden können. Zusammenfassend zeigt sich, dass viele von uns PC-98-Grafik bisher in einem unvollständigen oder verfälschten Zustand kannten. Erst durch das Verständnis und die Simulation der ursprünglichen CRT-Anzeige bekommt man die visuelle Tiefe, die einst hunderttausende von Spielern und Entwickler genossen haben. Die nostalgische Faszination der PC-98-Ära lebt damit weiter, nicht nur als Technikgeschichte, sondern als ein Stück Computerkultur, das mit moderner Technik wieder neu entdeckt werden kann. Das Erleben der PC-98-Grafik auf einem echten CRT oder mit speziell abgestimmten Shadern ist mehr als nur Nostalgie.
Es bringt uns nah an die technische und künstlerische Vielfalt, die in der Entwicklung dieser Kultspiele steckte. Es lohnt sich, den Blick auf die Pixel von damals zu verändern und das Dithering als kreativen Meilenstein der Computergeschichte wertzuschätzen.