CVS Health ist zweifellos eines der einflussreichsten Unternehmen im US-amerikanischen Gesundheitssektor. Mit einem Umsatz von über 124 Milliarden US-Dollar im letzten Jahr gehört es zu den Branchenriesen, die durch ihre vielfältigen Geschäftsbereiche das Gesundheitswesen maßgeblich mitgestalten. Doch trotz dieses Erfolgs ist die genaue Identität und zukünftige Ausrichtung von CVS Gegenstand intensiver interner Diskussionen. Die Frage „Was ist CVS?“ spiegelt nicht nur die Komplexität des Unternehmens wider, sondern auch die Herausforderungen, vor denen die Führung steht, um den Konzern zukunftsfähig aufzustellen. Die Ursprünge von CVS liegen vor allem im Bereich der Einzelhandelsapotheken.
Diese Apothekenkette ist wohl das bekannteste Gesicht des Unternehmens und prägt das Image bei Kunden seit Jahrzehnten. Kunden verbinden CVS in erster Linie mit Apotheken vor Ort, die neben rezeptpflichtigen Medikamenten auch ein breites Sortiment an Gesundheitsprodukten und Alltagswaren anbieten. Doch dieser Bereich hat zunehmend mit einem schwieriger werdenden Marktumfeld zu kämpfen: Wettbewerbsdruck, veränderte Kundenbedürfnisse und steigende Betriebskosten zwangen CVS und seine Konkurrenten, neue Strategien zu finden, um die Rentabilität zu sichern. Neben den Einzelhandelsapotheken hat sich CVS mit der Übernahme von Caremark einen wesentlichen Vorteil im Bereich des Pharmacy Benefit Managements gesichert. Pharmabestandsverwaltung ist ein komplexer Bereich, der durch politische Debatten und regulatorische Anforderungen immer stärker in der Öffentlichkeit steht.
Caremark verwaltet Arzneimittelprogramme für Arbeitgeber, Krankenversicherungen und andere Institutionen und beeinflusst dadurch maßgeblich, welche Medikamente zugelassen und bezahlt werden. Diese Rolle macht Caremark zu einem zentralen, aber auch kritisierten Geschäftsbereich innerhalb von CVS. Die Versicherungsgruppe Aetna, die ebenfalls zum Konzern gehört, stellt eine weitere wichtige Säule dar. Mit Aetna ist CVS auch im Bereich der Krankenversicherung stark vertreten, was dem Unternehmen ermöglicht, über die reine Arzneimittelversorgung hinauszugehen und komplette Gesundheitsdienstleistungen anzubieten. Allerdings war der Erfolg von Aetna in den letzten Jahren gemischt, was nicht zuletzt an den Herausforderungen durch die Pandemie sowie regulatorischen Vorgaben liegt.
Ein bedeutender Schritt zur Ausweitung der Gesundheitsdienstleistungen war die Übernahme von Oak Street Health im Jahr 2023. Oak Street betreibt ambulante Versorgungszentren und verfolgt einen innovativen Ansatz, der vor allem auf die Versorgung älterer Patienten ausgerichtet ist. Diese Akquisition zeigt, dass CVS zunehmend versucht, sich als umfassender Gesundheitsdienstleister zu positionieren – weg vom reinen Arzneimittelvertrieb hin zu einem integrierten Gesundheitsunternehmen. Die Frage, die sich daraus ergibt, lautet: Ist CVS ein Einzelhandelsapothekenkonzern, ein Versicherungsunternehmen, ein Anbieter von Gesundheitsdiensten oder eine Kombination all dieser Bereiche? Diese strategische Frage ist zentral für den neuen CEO David Joyner, der seit Kurzem die Unternehmensleitung innehat. Nach dem Weggang von Karen Lynch steht er vor der Herausforderung, die verschiedenen Unternehmensbereiche zu harmonisieren und eine klare Zukunftsvision für CVS zu entwickeln.
Im Gespräch mit Medienvertretern machte Joyner deutlich, dass das Unternehmen derzeit intensiv an der Beantwortung dieser Frage arbeitet. Ziel sei es, „Amerikas vertrauenswürdigstes Gesundheitsunternehmen“ zu werden. Dabei müsse CVS sowohl im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen – sowohl durch Apotheken als auch Kliniken – präsent sein, als auch im Risikomanagement, wofür Aetna und Caremark wichtige Rollen spielen. Eine klare Linie und ein einheitliches Narrativ sollen bis zum Jahresende entstehen, damit Investoren und Kunden besser verstehen, wohin die Reise geht. Eine aktuelle Entwicklung, die zeigt, wie CVS auf neue Marktgegebenheiten reagiert, ist die Entscheidung im Bereich der GLP-1-Medikamente.
Diese Medikamente wurden in den letzten Jahren besonders wegen ihrer Effektivität bei der Gewichtsreduktion bekannt und erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Kosten für solche Medikamente sind jedoch sehr hoch, was zu Diskussionen über Erstattungen und Zugangsmöglichkeiten geführt hat. CVS hat kürzlich den Wirkstoff Wegovy von Novo Nordisk als bevorzugtes Medikament auf seiner Liste platziert und dafür das Konkurrenzprodukt Zepbound von Eli Lilly ausgeschlossen. Diese Entscheidung verursachte Spannungen in der Branche und führte zu öffentlichen Erklärungen von Lilly, deren CEO darauf hinwies, dass das Unternehmen keine exklusiven Liefervereinbarungen eingehen wolle und auch alternative Wege zur Kundenversorgung etabliert habe, beispielsweise durch den eigenen Online-Versand LillyDirect. Solche Entscheidungen unterstreichen die Komplexität, in der sich CVS bewegt: Als Gesundheitsdienstleister muss das Unternehmen einerseits wettbewerbsfähig bleiben, andererseits politische, regulatorische und ethische Aspekte berücksichtigen.
Diese Balance zu finden ist eine Herausforderung, die von der Unternehmensführung höchste Aufmerksamkeit verlangt. Die künftige Rolle von CVS im US-Gesundheitssystem wird sich auch daran messen lassen, wie gut es dem Unternehmen gelingt, die einzelnen Geschäftsbereiche zu integrieren und Synergien zu nutzen. Während die Regulierung in den USA eine vollständige Verschmelzung von Krankenversicherung, Medikamentenvertrieb und Gesundheitsdienstleistungen schwierig macht, könnten innovative Konzepte und Technologien den Weg zu einem neuen, einheitlichen CVS ebnen. Die Branche insgesamt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Von digitalen Gesundheitsangeboten über personalisierte Medizin bis hin zu Präventionsprogrammen – die Anforderungen an Unternehmen wie CVS steigen stetig.
Die Fähigkeit, auf diese Trends flexibel zu reagieren und gleichzeitig stabile Geschäftsmodelle zu erhalten, wird über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Abschließend lässt sich sagen, dass CVS Health mehr als nur ein Apothekenbetreiber ist. Das Unternehmen ist ein komplexer, vertikal integrierter Gesundheitsdienstleister mit Aktivitäten in verschiedenen Segmenten, die jeweils eigene Herausforderungen und Chancen bieten. Die markante Frage „Was ist CVS?“ symbolisiert die spannende Phase, in der sich das Unternehmen befindet. Unter der Führung von David Joyner wird es darauf ankommen, eine klare strategische Antwort zu finden, die CVS nicht nur wirtschaftlich stärkt, sondern auch den Anspruch erfüllt, zu den vertrauenswürdigsten Gesundheitsunternehmen Amerikas zu gehören.
Die kommenden Monate und Jahre werden zeigen, wie erfolgreich dieser Transformationsprozess verlaufen wird und wie CVS sich in einem dynamischen und anspruchsvollen Marktumfeld behauptet.