Im globalen Technologiewettbewerb stehen Themen wie Künstliche Intelligenz oft im Vordergrund. Doch ein Bereich, der zunehmend an Bedeutung gewinnt und in dem China eine überraschend starke Position einnimmt, ist die Biotechnologie. Während die Vereinigten Staaten lange Zeit als führende Nation in Forschung und Entwicklung der Biotechnologie galten, deuten aktuelle Berichte und Analysen darauf hin, dass China hier rasch Boden gutmacht und in einigen Feldern sogar kurz davorsteht, die USA einzuholen oder zu übertreffen. Die Dynamik hinter diesem Wandel ist vielfältig und umfasst staatliche Förderung, regulatorische Flexibilität sowie die Nutzung globaler Talente und Innovationsnetzwerke. China hat in den vergangenen Jahren seine Strategie konsequent darauf ausgelegt, in zukunftsträchtigen Schlüsseltechnologien weltweit eine Spitzenposition einzunehmen.
Die Biotechnologie ist dabei ein Kernbereich, der sowohl medizinische Innovationen als auch landwirtschaftliche Anwendungen umfasst. Laut einem Bericht des Harvard Belfer Centers für Wissenschaft und internationale Angelegenheiten bietet Chinas Biotechnologieindustrie die unmittelbarste Chance, die USA zu überholen – zwei Jahre intensiver Forschung bestätigten diesen Trend. Dies wirft nicht nur Fragen hinsichtlich der globalen Machtverhältnisse auf, sondern stellt auch eine Herausforderung für die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsförderung in den Vereinigten Staaten dar. Einer der entscheidenden Vorteile Chinas liegt in seiner Dominanz der pharmazeutischen Produktion und Fertigung. Das Land verfügt über eine immense Anzahl an qualifizierten Fachkräften, mehr als die USA.
Wissenschaftler und Unternehmer in China profitieren zudem von einem durchdachten staatlichen Förderrahmen, der Innovationsprozesse beschleunigt und zielgerichtet unterstützt. Im Gegensatz zu den komplexen und langwierigeren Zulassungsverfahren in den USA agiert China flexibler und bringt neue Produkte und Anwendungen teilweise deutlich schneller zur Marktreife. Dieser Unterschied in den regulatorischen Abläufen kann große Auswirkungen auf Geschwindigkeit und Umfang von Innovationen haben. Die US-amerikanische Biotechnologiebranche kämpft unterdessen mit Herausforderungen, die das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit bremsen. Berichte aus den Biotechnologiezentren Cambridge und Boston zeigen, dass dort Stellen gestrichen werden und Labore ungenutzt bleiben.
Diese Entwicklung steht im Kontrast zum Expansionskurs Chinas, das überdurchschnittlich viele klinische Studien durchführt, stetig steigende Patentanmeldungen verzeichnet und weltweit das höchste Volumen im Bau von Biowissenschafts-Einrichtungen aufweist. Ein weiterer Aspekt ist die stark staatlich geprägte Innovationsstrategie Chinas. Bereits 2007 begannen mehrjährige Förderprogramme mit hohen finanziellen Mitteln, die gezielt und koordiniert den Biotechnologiesektor flankieren. Im Gegensatz dazu existiert in den USA keine konsistente, umfassende Biotechnologiestrategie auf Regierungsebene. Die US National Security Commission on Emerging Biotechnology appellierte deshalb an die Regierung, mindestens 15 Milliarden US-Dollar in den kommenden fünf Jahren zu investieren, um das Innovationspotenzial aufrechtzuerhalten und auszubauen.
Die Sorge besteht, dass China durch seine wachsende technologische Führerschaft in Biotechnologie künftig strategischen Einfluss gewinnt, den es als Hebel in geopolitischen Beziehungen nutzen könnte – ähnlich wie bereits mit seltenen Erden in der Automobilindustrie. Experten weisen zudem darauf hin, dass eine Zusammenarbeit zwischen China und den USA in Bereichen wie Biotechnologie oder Künstlicher Intelligenz derzeit sehr unwahrscheinlich ist. Die politischen Spannungen und Sicherheitsbedenken sorgen für einen zunehmend harten Wettbewerb. Die US-Regierung dürfte daher ihren Druck auf China erhöhen, etwa durch exportkontrollpolitische Maßnahmen oder Investitionsrestriktionen bei sensiblen Technologien. Auf der anderen Seite bleibt Biotechnologie jedoch ein global vernetztes Feld.
Start-ups und etablierte Unternehmen nutzen häufig internationale Teams und Forschungskooperationen, um Synergien zu generieren. So entwickelt beispielsweise das auf KI-basierte Medikamentenentwicklung spezialisierte Unternehmen Insilico Medicine mit Standorten in China, Nordamerika und dem Nahen Osten vielversprechende neue Wirkstoffe. Während die klinischen Versuche in China stattfinden, werden die computergestützten Entwicklungsmethoden unter anderem in Kanada und Abu Dhabi eingesetzt. Auch das regulative Umfeld in verschiedenen Ländern wird durch geschicktes Navigieren überbrückt und für sogenannte Arbitragemöglichkeiten genutzt. Die Zukunft der Biotechnologie dürfte damit von einem weltumspannenden Wettbewerb und einer Nutzung internationaler Ressourcen geprägt sein.
Während der chinesische Markt durch seine Größe und den Fokus auf Projektkommerzialisierung als „Supermarkt“ für biotechnologische Innovationen gilt, müssen Unternehmen dort gleichzeitig besonders hohe Qualitätsstandards erfüllen, um herauszuragen. Dies wird durch zunehmende Technologierevolutionen wie den Einsatz künstlicher Intelligenz noch beschleunigt und verbilligt die Kosten für Forschung und Entwicklung maßgeblich. Experten sprechen hier von einem möglichen „DeepSeek-Moment“ in den nächsten fünf Jahren, der ähnlich sprunghafte Veränderungen mit sich bringen könnte wie es ChatGPT im Bereich der KI war. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Biotechnologie nicht mehr nur ein Randgebiet im Wettstreit der Großmächte ist, sondern zunehmend an substrantieller wirtschaftlicher und geopolitischer Bedeutung gewinnt. Während die USA weiterhin führend sind, gibt China deutlichen Anlass zur Sorge, da das komplexe Zusammenspiel aus staatlicher Förderung, regulatorischer Geschwindigkeit, Talentpotenzial und globaler Vernetzung dem Reich der Mitte einen raschen Aufstieg ermöglicht.
Für die westlichen Länder bedeutet dies, die Innovationsstrategien fundamental zu überdenken und sowohl in Forschung als auch Infrastruktur deutlich zu investieren. Nur so kann verhindert werden, dass die USA in diesem für Gesundheit, Landwirtschaft und Industrie bedeutenden Zukunftsfeld ins Hintertreffen geraten. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie sich dieser Wettbewerb entwickelt und welche Rolle Kooperationen und politische Rahmenbedingungen spielen werden, um die Zukunft der Biotechnologie global zu gestalten.