In der komplexen politischen Landschaft Chinas hat sich in den letzten Jahren ein bemerkenswerter Wandel vollzogen, der jüngst durch eine überraschende Betonung von wissenschaftlicher, demokratischer und rechtsbasierter Politik durch Staatspräsident Xi Jinping unterstrichen wurde. Diese neue Ausrichtung steht in auffälligem Kontrast zu Xi Jinpings bisher strikt zentralisierter und autoritär gestalteter Regierungsführung. Besonders bemerkenswert ist, dass Xi hierbei auf die Abschiedsworte seines Vorgängers Hu Jintao zurückgreift, eines Charakters, der in Chinas moderner Geschichte eher für seinen nüchternen, reformorientierten Stil steht. Diese Wiederbelebung von Hu Jintaos Botschaften könnte nicht nur ein strategisches politisches Signal innerhalb der chinesischen Führung sein, sondern auch weitreichende Konsequenzen für Chinas nationale Politik und seine außenpolitischen Beziehungen nach sich ziehen. Hu Jintao, der von 2002 bis 2012 als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas amtierte, war bekannt für sein Konzept der „harmonischen Gesellschaft“ und eine Politik, die auf Stabilität, Vernunft und moderater Öffnung basierte.
Seine Regierungszeit war geprägt von einer gewissen Vorsicht gegenüber radikalen Reformen, aber auch einem deutlichen wirtschaftlichen Wachstum und der Erweiterung von Chinas internationalem Einfluss. Bei seinem Rückzug aus der aktiven Politik formulierte Hu Prioritäten wie eine Orientierung an wissenschaftlicher Erkenntnis, der Einbindung demokratischer Prozesse innerhalb des Parteiapparats und einer stärkeren Betonung rechtsbasierter Entscheidungsfindung. Diese Prinzipien wurden damals als Teil eines reformorientierten, inkrementellen Modernisierungspfades verstanden. Xi Jinping, der Hu Jintao 2012 als mächtigster Mann in China ablöste, galt lange Zeit als Vertreter einer härteren Linie im politischen System. Unter seiner Führung wurden Kontrollmechanismen über die Gesellschaft, Medien und Parteiinstitutionen deutlich verstärkt.
Zudem führte das Konzept der „Neuen Ära“ eine zentralisierte und personalisierte Machtstruktur ein, die Xi selbst als unumschränkten Führer der Partei und des Landes etablierte. Seine bisherigen politischen Botschaften konzentrierten sich stark auf wirtschaftliche Entwicklung gepaart mit nationaler Einheit und dem Ausbau der globalen Machtposition Chinas. Der Fokus lag weniger auf transparenten Verwaltungsverfahren oder demokratischen Elementen innerhalb des Partei- und Staatsapparats. Umso überraschender war es, als Xi Jinping kürzlich öffentlich begann, wiederholt von der Notwendigkeit sprach, politische Entscheidungen auf eine wissenschaftliche, demokratische und rechtsbasierte Grundlage zu stellen — Worte, die direkt an Hu Jintaos politische Abschiedsbotschaft anknüpfen. Diese Entwicklung wird in China und international als Indiz für eine mögliche strategische Kurskorrektur gedeutet.
Für Beobachter stellt sich die Frage, warum Xi gerade jetzt, mehr als ein Jahrzehnt nach Hu Jintao, diese Themen wieder ins Zentrum rückt. Eine mögliche Antwort liegt im sich verändernden politischen und wirtschaftlichen Umfeld Chinas. Angesichts wachsender interner Herausforderungen wie einer verlangsamten Wirtschaftsentwicklung, demografischen Problemen, Umweltfragen und zunehmenden sozialen Spannungen, könnte Xi die Wiederbelebung von wissenschaftlicher und rechtsbasierter Politik als Mittel sehen, um Effizienz, Legitimität und Stabilität innerhalb der Regierung zu verbessern. Gerade die Betonung der Wissenschaftlichkeit im politischen Prozess kann als Antwort auf komplexe technologische und gesellschaftliche Herausforderungen interpretiert werden, die oft nur mit fundierten Daten und evidenzbasierter Planung bewältigt werden können. Der Hinweis auf demokratische Prozesse im Partykontext ist jedoch besonders interessant, da Chinas Einparteiensystem auf der festen Kontrolle durch die Kommunistische Partei beruht.
Doch Demokratie in diesem Sinne bedeutet in China nicht westliche Mehrparteiendemokratie, sondern eine partizipative Einbindung verschiedener Gruppen innerhalb der Partei und staatlicher Institutionen, um interne Konsensbildung und Konfliktlösung zu fördern. Dies könnte als Versuch gesehen werden, intra-parteiliche Transparenz und Verantwortlichkeit zu erhöhen, um die politische Stabilität zu sichern und Korruption effektiv zu bekämpfen. Rechtsbasierte Entscheidung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die politischen Prozesse stärker auf einem definierten Regelwerk basieren sollen. In der Praxis hat China in den letzten Jahren zwar Fortschritte bei der Institutionalisierung von Rechtssystemen gemacht, doch oft wird die Rechtsordnung zugunsten der Parteimacht moduliert. Xi Jinpings Betonung könnte daher auch den Willen signalisieren, eine verbindlichere und vorhersagbarere Rechtslage zu schaffen, die sowohl gegenüber Investoren als auch der Bevölkerung Vertrauen schaffen soll — ein wichtiger Faktor angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen und internationaler Spannungen.
Die internationale Dimension dieses Strategiewechsels sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden. In einer Phase weltweiter geopolitischer Unsicherheiten und wachsender Kritik an Chinas Umgang mit Menschenrechten, Handel und Sicherheitsfragen könnte Xi Jinping versuchen, mit dem Verweis auf wissenschaftliche, demokratische und rechtsbasierte Prinzipien das Bild Chinas als verantwortungsvoller globaler Akteur zu stärken. Dies kann das internationale Vertrauen erhöhen und puffernde Effekte gegen Sanktionen oder diplomatische Isolation erzielen. Chinas innere politische Dynamik profitiert zudem von der Rückbesinnung auf Hu Jintaos Vermächtnis, da sie ein Gefühl von Kontinuität und Stabilität vermittelt. Xi zeigt so, dass er den historischen Rahmen der Partei achtet und zugleich seine eigene Führung als integralen Bestandteil der Entwicklung des Landes präsentiert.
Diese doppelte Botschaft könnte dazu dienen, verschiedene Fraktionen innerhalb der Partei zu beruhigen und eine einheitlichere politische Front zu schaffen, was in den kommenden Jahren angesichts globaler und nationaler Herausforderungen von hoher Bedeutung ist. Allerdings bleiben zahlreiche Fragen offen, wie ernsthaft und umfassend diese neuen politischen Leitlinien implementiert werden. Der chinesische Staat regiert traditionell mit großer Kontrolle über Medien, Justiz und politische Partizipation. Reformen in Richtung größerer demokratischer Steuerung und rechtsstaatlicher Verfahren erfordern nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern substanzielle Veränderungen in den Machtstrukturen. Ob Xi Jinping tatsächlich bereit ist, diese grundlegenden Anpassungen vorzunehmen, oder ob es sich lediglich um rhetorische Strategie handelt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
Darüber hinaus gilt es zu beobachten, inwieweit diese innenpolitischen Signale mit Chinas außenpolitischer Strategie einhergehen. Das Reich der Mitte steht angesichts des Wettbewerbs mit den USA und anderer großer Mächte vor enormen Herausforderungen. Die Schaffung eines stabileren, transparenteren und prognostizierbareren politischen Raums könnte das Land widerstandsfähiger machen, seine internationalen Verbindungen verbessern und den Druck von außen besser abfedern. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Wiederbelebung von Hu Jintaos Abschiedsworten durch Xi Jinping mehr ist als eine bloße rhetorische Revival-Aktion. Sie steht für einen möglichen Richtungswechsel in Chinas politischer Kultur, der wissenschaftliche Erkenntnisse, demokratische Beteiligung innerhalb der Partei und eine stärkere Rechtsorientierung in den Mittelpunkt stellt.