Indien ist einer der größten Apfelverbraucher weltweit, doch die heimische Produktion kann mit der wachsenden Nachfrage nicht Schritt halten. Während das nördliche Bundesland Jammu und Kashmir traditionell als Zentrum des Apfelanbaus gilt, rücken innovative Ansätze und neue Anbaugebiete zunehmend in den Fokus. Wissenschaftler und Landwirte im ganzen Land suchen intensiv nach Wegen, um die Apfelproduktion zu steigern, den Geschmack der Früchte zu verbessern und gleichzeitig die Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen. Der Apfelanbau in Indien steht vor besonderen klimatischen Herausforderungen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Apfelernte ist eine ausreichend lange Winterruhephase mit Temperaturen zwischen 0°C und 6°C, die sogenannten „Chilling Hours“.
Regionen wie Großbritannien verfügen über etwa 1.000 Stunden solcher Kälteperioden, was den Anbau verschiedener Apfelsorten ermöglicht. In Indien sind solche Bedingungen nur in wenigen, hauptsächlich nördlichen Regionen vorhanden. Jammu und Kashmir sowie Himachal Pradesh dominieren zwar die heimische Apfelproduktion, doch auch dort machen sich die Folgen des Klimawandels bemerkbar. Die Zahl der notwendigen Kältestunden sinkt, was sich negativ auf Ertrag und Qualität auswirkt.
Hinzu kommen ältere Obstgärten mit abnehmender Produktivität und wetterbedingte Ernteausfälle. Vor diesem Hintergrund ist die Forschung an sogenannten „low-chill“ Apfelsorten von großer Bedeutung. Diese Sorten benötigen deutlich weniger Kältestunden und könnten theoretisch in wärmeren Regionen Indiens angebaut werden. Ein eindrückliches Beispiel ist der Versuch von Kakasaheb Sawant, einem Landwirt aus der subtropischen Region Maharashtra im Süden Indiens, der 2022 mit der Kultivierung von Apfelbäumen begann. Trotz starker Hitze mit Temperaturen bis zu 43°C konnte er eine beachtliche Anzahl von Äpfeln ernten und auch junge Bäume verkaufen.
Allerdings fehlt es bei den angebauten Sorten noch an Geschmack und Süße, um kommerziell erfolgreich sein zu können. Sawant und andere Optimisten sind dennoch überzeugt, dass mit mehr Zeit und Erfahrung die Bäume besser gedeihen und süßere Früchte produzieren werden. Auch die Birsa Agricultural University in Ranchi beschäftigt sich mit der Erforschung und Einführung von low-chill Apfelsorten in subtropischen Gebieten. Bisher sind die Ergebnisse noch zurückhaltend: Von den getesteten 18 Sämlingen dreier Sorten trug nur eine tatsächlich Früchte, die zwar essbar, aber qualitativ noch nicht überzeugend waren. Die klimatischen Bedingungen sowie der Boden seien nicht ideal, zudem hätten Schädlinge wie Termiten die jungen Bäume angegriffen.
Die Wissenschaftler betonen, dass es sich um ein langfristiges Experiment handelt, das mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird, bevor definitive Aussagen über die Erfolgsaussichten getroffen werden können. Das in Himachal Pradesh angesiedelte Forschungszentrum unter der Leitung von Dr. Dinesh Thakur verfolgt einen etwas anderen Ansatz. Anstatt ausschließlich auf low-chill Sorten zu setzen, konzentriert man sich auf die Züchtung klimastabiler Apfelsorten, die auch unter den sich verändernden Bedingungen in den traditionellen Anbaugebieten gut gedeihen. Unter einem staatlich geförderten Projekt werden rund 300 Apfelsorten getestet, um deren Widerstandsfähigkeit gegenüber extremen Wetterlagen und sich verringernden Chilling Hours zu bewerten.
Durch die gezielte Züchtung wurde bereits eine Sorte entwickelt, die zwei Monate früher reift und deren Farbe früher ausbildet. Dieses frühe Reifen bietet Vorteile unter den Bedingungen von zunehmender Wetterunbeständigkeit und weniger Sonnenstunden. Zudem entspricht der Geschmack besser den Vorlieben des indischen Marktes. Trotz dieser technischen Fortschritte stehen Indiens Apfelproduzenten vor zahlreichen weiteren Problemen. Die traditionelle Anbaufläche veraltet zunehmend, da viele Obstgärten bereits 15 bis 20 Jahre alt sind und damit weniger tragfähig.
Die notwendige Neuanpflanzung von Bäumen erfordert erhebliche Investitionen, auf die viele Landwirte und Unternehmen nicht vorbereitet sind. Investitionen in Infrastruktur, Bewässerung und Schädlingsbekämpfung sind ebenso nötig wie neue Absatzstrategien. Eine Erweiterung des Marktes durch Verarbeitung zu Apfelsaft und Marmeladen könnte zusätzliche Wertschöpfung schaffen und Landwirten helfen, wirtschaftliche Einbußen durch Ertragsschwankungen auszugleichen. Die Regionalforschung und praktische Versuche sind nur ein Teil der Lösung. Es braucht auch politische und wirtschaftliche Unterstützung, um den Apfelanbau in Indien nachhaltig auszubauen.
Der Klimawandel bleibt ein übergreifendes Problem, das nicht nur den Apfelanbau, sondern viele Bereiche der Landwirtschaft betrifft. Durch Innovationskraft, langfristige Forschungsprojekte und den Mut, neue Anbaugebiete und Sorten auszuprobieren, können indische Wissenschaftler und Bauern jedoch Hoffnung schöpfen, dass in Zukunft mehr Äpfel mit guter Qualität aus heimischem Anbau auf den Märkten angeboten werden. Der Apfel gilt weltweit als Symbol für Gesundheit und Frische. Für Indien, das mit wachsender Bevölkerung und sich ändernden Essgewohnheiten ein steigendes Interesse an Obst zeigt, ist eine steigende Produktion strategisch wichtig. Die Suche nach dem perfekten Apfel – sowohl im Hinblick auf Geschmack als auch auf Anpassungsfähigkeit an das Klima – ist ein modernes Abenteuer, das wissenschaftlichen Ehrgeiz, landwirtschaftliches Know-how und den Willen zum Wandel erfordert.
Insgesamt zeigt sich, dass trotz vieler Hindernisse das Potenzial für eine breitere und effektivere Apfelproduktion in Indien vorhanden ist. Mit den richtigen Anstrengungen in Forschung, Investitionen und Anbauinnovationen könnten die heutigen Herausforderungen in Chancen verwandelt werden. Damit könnte Indien seinen starken Bedarf an Äpfeln künftig zunehmend aus eigener Produktion decken und gleichzeitig seine Apfelliebhaber mit robusteren, schmackhafteren und an die lokalen Bedingungen angepassten Früchten erfreuen.