Die amerikanische Wirtschaft steht angesichts wachsender finanzieller Herausforderungen vor einer wegweisenden Krise, die sich in der jüngsten Entwicklung an den Anleihemärkten zeigt. Ein „Käuferstreik“ ausländischer Investoren gegenüber US-Staatsanleihen zeichnet sich immer stärker ab, da diese zunehmend skeptisch auf die enormen Staatsdefizite und die Risiken für die finanzielle Stabilität des Landes reagieren. Deutsche Bank-Experte George Saravelos bezeichnet diese Zurückhaltung als eindeutiges Warnsignal, das die Zukunft der US-Finanzmärkte maßgeblich beeinflussen könnte. Der Kern des Problems liegt in der Unnachgiebigkeit ausländischer Investoren, die in den vergangenen Jahrzehnten eine zentrale Rolle bei der Finanzierung der sogenannten Zwillingsdefizite – also dem Haushalts- sowie dem Leistungsbilanzdefizit – der USA gespielt haben. Mit einem Anstieg der Ausgaben bei gleichzeitiger Ausweitung der Steuersenkungen ist die Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben in Washington weiter gewachsen.
Die daraus resultierende Vergrößerung der Defizite gefährdet das Vertrauen der Investoren, die allmählich nicht mehr bereit sind, US-Staatsanleihen in bisherigem Umfang zu erwerben oder zu halten. Besonders alarmierend ist die schwache Nachfrage bei der letzten Auktion von 20-jährigen US-Staatsanleihen, die zu einem sprunghaften Anstieg der Renditen führte. Normalerweise gilt ein Anstieg der Renditen als Indikator steigender Risiken oder geringerer Attraktivität eines Wertpapiers und spiegelt sich oft in einer Abwertung der damit verbundenen Währung wider. Doch in diesem Fall fiel zusätzlich der US-Dollar, was zugleich eine ungewöhnliche Marktreaktion widerspiegelt. Saravelos interpretiert dieses Phänomen als klare Reaktion ausländischer Käufer, die sich aktiv vom US-Anleihenmarkt zurückziehen – ein direkter Ausdruck einer Vertrauenskrise gegenüber der amerikanischen Fiskalpolitik.
Die politische Lage trägt wesentlich zu diesen Unsicherheiten bei. Das Repräsentantenhaus hat jüngst umfangreiche Steuersenkungen verabschiedet, die nicht nur frühere Vergünstigungen langfristig verlängern, sondern auch neue Ausnahmeregelungen enthalten, etwa Steuerbefreiungen auf Trinkgelder und Überstundenvergütungen. Diese Maßnahmen stehen in starkem Kontrast zu den vorgeschlagenen Ausgabenkürzungen, die diese zusätzlichen Defizite langfristig nicht kompensieren können. Die erwartete Ausweitung der Staatsausgaben, insbesondere im Verteidigungssektor, führt dazu, dass sich die Haushaltslage der USA weiter verschlechtert, anstatt sich zu stabilisieren. Die Debatte im Senat verspricht zwar Änderungen, dennoch bleibt der Kurs auf weitere Steuersenkungen gesetzt.
Die politischen Prioritäten, insbesondere unter der Führung von Präsident Donald Trump und vielen Republikanern, scheinen eine restriktive Fiskalpolitik zur Reduzierung der Defizite erschweren. Diese politische Pattsituation kann das Vertrauen der Anleger weiter erschüttern und somit den Käuferstreik ausländischer Investoren verschärfen. Die Konsequenzen eines anhaltenden Rückzugs ausländischer Kapitalgeber von US-Staatsanleihen sind weitreichend. Zum einen könnte die Finanzierung der US-Staatsverschuldung deutlich teurer werden, da die Regierung immer höhere Renditen bieten muss, um überhaupt Investoren zu finden. Dies würde den ohnehin bereits hohen Budgetdruck noch verstärken und zu einem Teufelskreis aus steigenden Zinsen und wachsenden Defiziten führen.
Darüber hinaus wirkt sich die sinkende Nachfrage nach US-Anleihen nicht nur auf die Zinskosten, sondern ebenfalls auf den Wert des US-Dollars aus. Ein schwächerer Dollar könnte zwar tendenziell die Exporte fördern, gleichzeitig verteuern sich jedoch auch Importe und die Inflation könnte ansteigen – ein Szenario, das zusätzliche wirtschaftliche Herausforderungen mit sich bringt. Ein weiterer Faktor, der die Lage verschärft, ist die finanzielle Unsicherheit in anderen großen Volkswirtschaften, insbesondere Japan. Als größter ausländischer Gläubiger von US-Schulden sieht sich Japan eigenen finanziellen Schwierigkeiten gegenüber, die durch eine schrumpfende Wirtschaft und steigende Anleiherenditen geprägt sind. Die japanische Regierung bezeichnet die Lage sogar als „schlimmer als die Griechenlands“.
Die finanzielle Instabilität Japans könnte somit indirekt den Druck auf US-Kapitalmärkte erhöhen und den Käuferstreik ausländischer Investoren befeuern. Vor diesem Hintergrund stehen die USA vor zwei wesentlichen Optionen, um das Vertrauen auf den Finanzmärkten zurückzugewinnen. Entweder wird die aktuelle Gesetzgebung grundlegend überarbeitet und eine glaubwürdige, strengere Fiskalpolitik umgesetzt, die die Defizite nachhaltig reduziert. Oder der Wert der ausstehenden US-Schulden in Nicht-Dollar-Währungen muss so stark fallen, dass US-Staatsanleihen trotz des hohen Defizits für ausländische Anleger wieder attraktiv werden – was jedoch mit erheblichen wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen verbunden wäre. Das Ausmaß dieses Käuferstreiks verdeutlicht, wie eng verknüpft die globale Finanzmärkte miteinander sind und welch enormen Einfluss politische Entscheidungen auf das Vertrauen internationaler Investoren haben.