Qt gilt seit Jahrzehnten als eines der führenden plattformübergreifenden Frameworks für die Entwicklung von Benutzeroberflächen. Der aktuelle Chief Maintainer des Projekts, Volker Hilsheimer, gewährt interessante Einblicke in die Herausforderungen, Chancen und Zukunftsperspektiven von Qt. Sein Blick zurück sowie die Ausführungen zu den jüngsten technologischen Entwicklungen und der Nutzercommunity zeigen, wie Qt heute positioniert ist und wofür es in den kommenden Jahren stehen wird. Volker Hilsheimer hat eine lange Geschichte mit Qt, die bis in die späten 1990er Jahre zurückreicht. Er war nicht nur früher Nutzer, sondern wechselte 2000 zu Trolltech, dem Unternehmen, das Qt ursprünglich entwickelte.
Heute, als Chief Maintainer bei The Qt Company, ist er maßgeblich daran beteiligt, das Framework weiterzuentwickeln und die Herausforderungen des Umstiegs von Qt 5 auf Qt 6 zu meistern. Die Architektur von Qt zeigt sich in zwei grundverschiedenen Technologien zur UI-Gestaltung: Qt Widgets und Qt Quick. Während Qt Widgets auf einem klassischen C++-API basieren und ihre Wurzeln in Legacy-Technologien wie MFC (Microsoft Foundation Class Library) und Win32 haben, steht Qt Quick für eine moderne, deklarative Herangehensweise an die UI-Entwicklung. Die Benutzeroberflächen werden hier über QML (Qt Meta-object Language) definiert und nutzen eine eigene JavaScript-Engine namens V4 zur Laufzeit. Diese duale Architektur bedeutet für Entwickler, dass bestehender Code, der auf Widgets basiert, weiterhin wichtig bleibt, weil er in zahlreichen Projekten eingesetzt wird.
Gleichzeitig ist Qt Quick der Fokus für neue Features und Innovationen, da es den aktuellen Trends in der UI-Entwicklung besser entspricht, vor allem durch hardwarebeschleunigte Rendering-Technologie und eine flexible Kompositionsmethode. Es handelt sich hier um zwei Ansätze, die sich in vielen technischen Details fundamental unterscheiden, was auch die Entwicklungsstrategie von Qt prägt. Im Kern des Entwicklungsplans steht das Ziel, die Leistung und Flexibilität von Qt Quick weiter auszubauen. Ein spannender Aspekt ist die geplante Erweiterung um eine hardwarebeschleunigte imperative API für das Zeichnen von Grafiken, was aktuell noch experimentell ist. Diese neue Komponente soll QPainter-ähnliche Möglichkeiten in das Qt Quick Ökosystem bringen.
Sollte dies gelingen, könnte es die Migration bestehender Widgets-basierter Anwendungen auf Qt Quick erleichtern und trotz der unterschiedlichen Architekturen eine Brücke schlagen. Ein weiterer wichtiger Fokus liegt auf der Sprachunabhängigkeit von Qt. Ursprünglich wurde Qt vor allem als C++-Framework wahrgenommen, doch die Realität der Softwareentwicklung hat sich stark verändert. Heute kommt eine breite Vielfalt an Programmiersprachen zum Einsatz, von Swift über Rust bis zu Julia oder Zig. Darauf hat Qt mit den sogenannten Qt Bridges reagiert, die es ermöglichen, Qt auch aus anderen Sprachen heraus einfach zu nutzen.
Die Herausforderung liegt dabei in der Datenintegration zwischen den verschiedenen Sprachwelten und Qt Quick. Wie können Datenstrukturen aus einer Sprache nahtlos im Qt-Runtime-Umfeld verwendet werden? Die technischen Hürden sind groß, aber die Vorteile enorm. Entwickler können so moderne UI-Funktionalitäten nutzen, ohne tief in C++ einsteigen zu müssen. Ebenfalls positiv ist, dass Entwickler dadurch unabhängiger von der Zukunft einzelner Programmiersprachen bleiben und flexibel auf Veränderungen im Sprachökosystem reagieren können. Eine der bedeutendsten Veränderungen im Qt-Universum war der Übergang von Qt 5 zu Qt 6.
Obwohl der Chefmaintainer den technischen Umstieg für einfacher einschätzt als frühere große Versionssprünge, war die Migration für viele Nutzer dennoch eine große Herausforderung. Der Grund lag weniger im Portierungsvorgang selbst als vielmehr darin, dass Qt 6 bei seiner Einführung nicht alle Funktionen von Qt 5 bot. Stattdessen priorisierte das Team die wichtigsten Kernfeatures und arbeitete inkrementell an selten genutzten oder schwierigeren Modulen. Das führte dazu, dass viele Kunden nicht sofort auf Qt 6 umsteigen konnten, insbesondere weil auch Drittanbieterbibliotheken ihre Kompatibilität erst mit Verzögerung anpassen konnten. Zudem war das gesamte Qt-Ökosystem inzwischen sehr groß und komplex, was den Umstieg zusätzlich erschwerte.
Ein weiterer Effekt war ein Rückgang der Open-Source-Beiträge während der Übergangsphase, da viele Entwickler mit ihren eigenen Projekten beschäftigt waren. Die KDE-Community zeigte sich in dieser Phase besonders aktiv. KDE, als einer der prominentesten Nutzer von Qt und Betreiber eines eigenen Desktop-Ökosystems, nahm die Situation zum Anlass, nicht nur ihre Unterstützung auf Qt 6 umzustellen, sondern auch ihre eigene Architektur zu überarbeiten und zu verbessern. Nach Abschluss dieser Arbeiten kam es zu einer Zunahme von Beiträgen zurück ins Qt-Projekt, was die Bedeutung starker Partner und einer engagierten Community unterstreicht. Die Beziehung zwischen Qt und KDE ist für Hilsheimer von strategischer Bedeutung.
Einerseits bietet KDE eine Lernplattform und ein lebendiges Ökosystem, in dem Entwickler praxisnah mit Qt arbeiten können. Andererseits stellen KDE-Anwendungen und Frameworks eine Art „Testfeld“ dar, von dem Kunden mit Blick auf Stabilität und Funktionalität neuer Qt-Versionen profitieren. Das folkloristische Vertrauen, dass neue Qt-Features bei KDE bereits erprobt wurden, vermittelt Kunden Sicherheit. Ein weiterer Punkt, der angesprochen wurde, ist die Aussicht auf zukünftige Qt-Versionen. Zwar ist eine Version Qt 7 derzeit nicht in Sicht, doch sollten die Entwickler eines Tages diesen Schritt wagen, muss für die gesamte Community der Nutzen die Migrationskosten deutlich übersteigen.
Hier zeigt sich das Bewusstsein, dass nicht nur Qt selbst weiterentwickelt werden muss, sondern vor allem dessen umfassendes Ökosystem eng eingebunden ist. Die Balance zwischen Innovationsdruck und Stabilitätsbedürfnis ist deshalb zentral. Das Fazit aus den Ausführungen von Volker Hilsheimer ist, dass Qt trotz aller Herausforderungen ein Framework mit großer Zukunftsoption bleibt. Die kompromisslose Ausrichtung auf Plattformunabhängigkeit, die Flexibilität durch Sprachbrücken und die enge Zusammenarbeit mit Nutzern und Communities wie KDE bilden eine stabile Basis. Zugleich wurden wichtige Lehren aus dem Übergang von Qt 5 zu Qt 6 gezogen, welche zukünftige Migrationen und Erweiterungen erleichtern können.
Für Entwickler und Unternehmen bedeutet das, dass Qt weiterhin eine attraktive Wahl für plattformübergreifende UI-Entwicklung ist – nicht zuletzt, weil es mit Konkurrenten durch offene Architektur, moderne Features und starke Community weiterhin gut mithalten kann. Die strategische Offenheit gegenüber neuen Programmiersprachen und die Konzentration auf zukunftsfähige Technologien wie hardwarebeschleunigtes Rendering sind zudem klare Zeichen, dass Qt nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Zukunft ein bedeutender Akteur im UI-Bereich sein wird.