Seltene Erden sind für die moderne Technik unverzichtbar und bilden das Fundament zahlreicher Hightech-Industrien. Sie werden unter anderem bei der Herstellung von Elektromotoren, erneuerbaren Energien, Elektronikgeräten und der Automobilindustrie eingesetzt. Angesichts ihrer enormen Bedeutung sind stabile und sichere Lieferketten von strategischer Bedeutung für viele Nationen. Indien, das über die weltweit fünftgrößten Lagerstätten dieser wertvollen Mineralien verfügt, hat nun einen bedeutenden Schritt unternommen, um seine Ressourcen besser zu schützen und für den heimischen Markt vorzuhalten. Die Entscheidung, die Exporte von seltenen Erden nach Japan auszusetzen, markiert einen Wendepunkt in der Rohstoffpolitik des Landes und unterstreicht das Bestreben, sich unabhängiger von globalen Schwankungen, insbesondere von China, zu machen.
Eine der Hauptgründe für diesen strategischen Schritt sind die zunehmenden Einschränkungen Chinas bei den Exporten von seltenen Erden, die seit Jahren eine weltweite Unsicherheit im Liefernetzwerk verursachen. China kontrolliert derzeit einen Großteil der weltweiten Produktion und hat mit Exportlimits bereits viele Industrien vor Herausforderungen gestellt. Für Indien bietet sich hier eine Gelegenheit, die Verfügbarkeit dieser kritischen Rohstoffe für den heimischen Bedarf anzureichern und eine robustere Wirtschaft aufzubauen, die weniger von externen Einflüssen abhängig ist. Die indische Regierung hat die staatliche Bergbaugesellschaft Indian Rare Earths Limited (IREL) angewiesen, ihre Exporte nach Japan vorerst einzustellen. Dies betrifft besonders neodymhaltige Stoffe, die essenziell für die Herstellung von Hochleistungsmagneten sind, die in Elektromotoren, etwa in Elektrofahrzeugen (EVs), zum Einsatz kommen.
Bislang bestanden umfangreiche Liefervereinbarungen, insbesondere eine auf das Jahr 2012 datierende Vereinbarung mit Toyotsu Rare Earths India, einer Tochtergesellschaft von Toyota Tsusho, die für die Verarbeitung und Exportabwicklung zuständig war. Diese Lieferbeziehung ermöglichte es Japan, einen Teil seiner benötigten Seltenen Erden aus Indien zu beziehen, auch wenn China weiterhin der Hauptlieferant ist. Doch angesichts der geopolitischen Lage und den zunehmenden Herausforderungen in der Lieferkette ist eine Neubewertung dieser Handelsbeziehungen aus Sicht Indiens sinnvoll. Zusätzlich zu den exportpolitischen Maßnahmen setzt Indien mit der Einführung der National Critical Mineral Mission (NCMM) eine umfassende Strategie um, um die Versorgung mit kritischen Mineralien nachhaltig sicherzustellen. Ziel ist es, die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren, innovative Technologien für die Gewinnung und Verarbeitung im Inland zu fördern und langfristig selbst die Kapazität zur Herstellung fortschrittlicher Produkte wie elektromagnetischer Komponenten aufzubauen.
Dabei spielt der Klimaschutz eine zentrale Rolle: die NCMM trägt zum Ziel bei, Indien emissionsärmer zu gestalten und langfristig bis 2070 klimaneutral zu werden. Die Seltenen Erden sind wichtige Bestandteile bei der Entwicklung und Produktion sauberer Technologien wie Windturbinen, Batterien und Elektromobilität, die alle für die Erreichung dieser ökologischen Ziele unverzichtbar sind. Die Herausforderungen für Indien sind jedoch nicht gering. Zwar sind bedeutende Lagerstätten vorhanden, doch dem Land fehlt bisher eine leistungsfähige heimische Fertigung von Magneten und verwandten Hightech-Produkten. Deshalb importierte Indien allein im Fiskaljahr bis März 2025 über 53.
000 Tonnen seltene Erden-Magnete hauptsächlich aus China, was die Verwundbarkeit der Lieferkette verdeutlicht. Zudem ist die Erschließung neuer Minen mit aufwändigen Genehmigungsprozessen verbunden, sorgfältiger Planung und Umweltprüfungen. Derzeit wartet IREL auf die Freigaben für den Betrieb von vier neuen Bergwerken, die die heimische Produktion deutlich erhöhen könnten. Solange diese Projekte nicht vollständig in Betrieb sind, gestaltet sich die vollständige Autarkie schwierig. Daher ist der sofortige Exportstopp gegenüber Japan auch angesichts der bestehenden bilateralen Verträge nicht uneingeschränkt realisierbar.
Die Gespräche zwischen den beteiligten Ministerien und Unternehmen laufen weiter, während die Handelsministerien beider Länder sich zurückhaltend zu den Entwicklungen äußern. Aus globaler Perspektive sorgt Indiens Schritt für Aufsehen, da die Versorgung mit Seltenen Erden zunehmend zu einem geopolitischen Machtmittel wird. Japan ist hochgradig auf Importe angewiesen, insbesondere aus China, und bemüht sich seit Jahren um eine Diversifizierung seiner Bezugsquellen. Indiens Rolle als alternativer Anbieter gewinnt damit an strategischer Bedeutung. Für europäische und andere asiatische Länder sind diese Entwicklungen ebenfalls von Interesse, da sie auf Störungen im Markt reagieren und ihre eigenen Versorgungsrisiken neu bewerten müssen.
Langfristig könnten Kooperationen entstehen, bei denen Indien mit seinen Rohstoffen und wertschöpfenden Prozessen die industrielle Wertschöpfungskette für Seltene Erden national und regional stärkt. Ein weiterer Aspekt ist der Umweltschutz. Der Abbau und die Verarbeitung von Seltenen Erden sind oft mit erheblichen ökologischen Herausforderungen verbunden, weshalb Indien seine Förderung nur in Übereinstimmung mit nachhaltigen Umweltrichtlinien und sozialverträglichen Praktiken vorantreiben wird. Diese Verantwortung wird ein integraler Bestandteil der nationalen Strategie sein, um international Vertrauen zu schaffen und im Wettbewerb zu bestehen. Nicht zuletzt steht dieser Wandel exemplarisch für eine größere Bewegung in der Weltwirtschaft, die auf Resilienz, strategische Unabhängigkeit und nachhaltige Ökonomie setzt.
In den kommenden Jahren wird sich zeigen, wie erfolgreich Indien diese Aufgaben meistern kann – sowohl was die technologische Entwicklung als auch die wirtschaftspolitische Integration betrifft. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Indiens Entscheidung, seine seltenen Erden für den heimischen Bedarf zu reservieren und Exporte nach Japan zu drosseln, ein klarer Ausdruck des globalen Wandels in der Rohstoffpolitik ist. Es symbolisiert das Streben nach Eigenständigkeit, die Sicherung zukünftiger Wirtschaftskompetenz und den Vorstoß in eine grünere und innovativere Zukunft. Dieses Vorgehen könnte als Vorbild für andere rohstoffreiche Nationen dienen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen und den Übergang von Rohstofflieferanten zu technologisch selbstbewussten Wirtschaftsmächten anstreben.