Die Untersuchung von Lebenserwartung und Gesamtsterblichkeit hat in den letzten Jahrzehnten vermehrt an Bedeutung gewonnen, da sie zentrale Indikatoren für den Gesundheitszustand und das Wohlergehen einer Bevölkerung darstellen. In den Vereinigten Staaten zeigen sich dabei vielfältige Unterschiede – nicht nur zwischen den Bundesstaaten, sondern auch zwischen verschiedenen Geburtskohorten im Laufe des 20. Jahrhunderts. Diese Kohortenperspektive bietet tiefere Einblicke, wie historische Ereignisse, soziale Bedingungen und politische Entscheidungen die Lebensjahre einzelner Generationen beeinflussen. Grundsätzlich wird zwischen sogenannter Periodenlebenserwartung und Kohortenlebenserwartung unterschieden.
Die erstere betrachtet die Sterblichkeitsraten in einem bestimmten Kalenderjahr und berechnet, wie lange Menschen unter den aktuellen Bedingungen durchschnittlich leben würden. Die Kohortenlebenserwartung dagegen verfolgt eine Gruppe von Menschen, die in einem bestimmten Jahr geboren wurden, über ihre gesamte Lebensspanne hinweg. Somit berücksichtigt die Kohortenmethode den Einfluss von zeitlich verschobenen Risiken und Entwicklungen, die sich über das Leben hinweg auswirken. Der Verlauf der Kohortenlebenserwartung in den US-Bundesstaaten zeigt, dass es große regionale und zeitliche Variationen gibt. Während in Bundesstaaten im Nordosten und Westen der USA, wie New York oder Kalifornien, deutliche Verbesserungen der Lebenserwartung für Geburtskohorten des 20.
Jahrhunderts verzeichnet werden können, bleiben die Fortschritte in vielen südlichen Bundesstaaten wie Alabama, Mississippi oder Kentucky überraschend begrenzt. So konnten Frauen in manchen Südstaaten von 1900 bis 2000 nur eine marginale Steigerung in ihrer durchschnittlichen Lebenserwartung erzielen, während ihre Altersgenossinnen im Nordosten unseres Nachbarlandes einen Zugewinn von bis zu 20 Lebensjahren verzeichnen konnten. Diese regionalen Unterschiede sind multifaktoriell bedingt. Tabakkonsum hat sich beispielsweise in Staaten mit restriktiven Raucherkontrollgesetzen wie Kalifornien in den letzten Jahrzehnten signifikant reduziert. Dies wirkt sich langfristig positiv auf die Mortalitätsraten aus.
Im Kontrast dazu führen mangelnde Präventionsmaßnahmen, wirtschaftliche Benachteiligung und eingeschränkter Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung in einigen südlichen Regionen zu höheren sterblichkeitsbedingten Verlusten. Auch der Einfluss sozialer Determinanten wie niedriger Bildungsstand, Arbeitslosigkeit oder ländliche Abhängigkeit spielt eine entscheidende Rolle. Die Analyse von Mortalitätsdaten zwischen 1969 und 2020 illustriert, dass Zuwächse in der Lebenserwartung zwar über alle Altersstufen hinweg zu beobachte sind, jedoch die Zunahme nach der Mitte des letzten Jahrhunderts ins Stocken geriet – besonders in den Bundesstaaten des Südens. Männliche Geburtskohorten zeigen hier oft stagnierende oder minimal verbesserte Werte. Dieses Phänomen ist besorgniserregend, da es auf anhaltende gesundheitliche Benachteiligungen und möglicherweise auf Auswirkungen von Faktoren wie Drogenmissbrauch, chronischen Erkrankungen und unzureichender Prävention hinweist.
Interessanterweise setzt sich in der Kohortenanalyse ebenfalls ein Trend fort, der seit Langem in der biomedizinischen Forschung beobachtet wird: Frauen weisen eine generell höhere Lebenserwartung auf als Männer, jedoch steigen ihre Sterblichkeitsraten im höheren Alter schneller an. Dieses komplexe Zusammenspiel biologischer, sozialer und verhaltensbezogener Dimensionen bedingt unterschiedliche Altersprofile der Mortalität. Ein bemerkenswertes Beispiel stellt Washington, D.C. dar.
Obwohl die Hauptstadt im Jahrgang 1900 noch zu den Bundesländern mit der niedrigsten Lebenserwartung gehörte, sind für spätere Jahrgänge dramatische Verbesserungen erkennbar. So beträgt die Differenz beispielsweise für Frauen fast 30 Lebensjahre zwischen dem Geburtsjahrgang 1900 und 2000. Faktoren wie Urbanisierung, bessere Zugänge zu medizinischer Versorgung, demografische Veränderungen und politische Initiativen dürften zu dieser positiven Entwicklung beigetragen haben. Methodisch basiert diese gesamtheitliche Untersuchung auf einem alter-perioden-kohorten Modell, das sowohl Alterseffekte als auch zeitliche Veränderungen und Kohorteneinflüsse berücksichtigt. Durch den Einsatz von statistischen Modellen wie den sogenannten kubischen Splines gelingt es, Trends über 100 Jahre hinweg zu erfassen und gleichzeitig Unsicherheiten bei früheren oder zukünftigen Datenpunkten zu adressieren.
Trotz der umfangreichen Datenlage sind einige Einschränkungen zu beachten. So konnten demographische Verschiebungen aufgrund von Migration innerhalb der Staaten oder Einwanderungsbewegungen nicht vollständig separat analysiert werden. Auch die Auswirkungen äußerst jüngerer Ereignisse, beispielsweise der COVID-19-Pandemie, sind nur begrenzt berücksichtigt. Zudem sollte die Interpretation der Kohortenlebenserwartung für jüngste Geburtsjahre vorsichtig erfolgen, da ein vollständiger Todesverlauf naturgemäß noch nicht vorliegt. Die dargestellten Unterschiede in Lebenserwartung und Sterblichkeit verdeutlichen, wie stark Politik, Gesellschaft und Gesundheitsversorgung ineinandergreifen.
Bundesstaaten mit progressiven Gesundheitspolitiken etwa im Bereich der Tabakkontrolle, Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Umweltschutz weisen spürbare Vorteile in der Mortalitätsreduktion auf. Im Gegensatz dazu wirken sich strukturelle Benachteiligungen auf einzelne Kohorten negativ aus, was sich in stagnierenden oder sogar verschlechterten Lebenserwartungen niederschlägt. Vor dem Hintergrund der UN-Nachhaltigkeitsziele, die eine Reduktion vorzeitiger Todesfälle weltweit anstreben, liefert eine kohortenbasierte Analyse eine wertvolle Grundlage für zielgerichtete Interventionen. Die Identifikation von Bundesstaaten mit schlechten Fortschritten oder anhaltenden Problemen bietet eine Chance zur gezielten Ressourcenverteilung und Entwicklung wirksamer öffentlicher Gesundheitsmaßnahmen. Langfristig wird die kontinuierliche Erfassung und Auswertung von detaillierten Sterblichkeitsdaten auf Geburtskohortenbasis entscheidend sein, um regionale Disparitäten besser zu verstehen und zu überwinden.