Die Preisgestaltung von Software hat sich über Jahre hinweg in eine Richtung entwickelt, die von nahezu null marginalen Kosten geprägt war. Software konnte nahezu beliebig kopiert und verteilt werden, ohne dass für einzelne zusätzliche Nutzer oder Instanzen substanzielle Mehrkosten entstanden. Diese Entwicklung führte vielfach zu flachen oder sehr günstig kalkulierten Preisen, in einigen Fällen sogar zu komplett kostenlosen Angeboten, die durch andere Monetarisierungswege finanziert wurden. Doch mit dem Aufkommen von Künstlicher Intelligenz (KI) und dem enormen Ressourcenverbrauch, der mit deren Entwicklung, Training und Einsatz verbunden ist, ändert sich dieses Paradigma grundlegend. Unternehmen, die KI-Funktionalitäten anbieten, sehen sich heute mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert, wenn es darum geht, ihre Produkte fair und gleichzeitig profitabel zu bepreisen.
In diesem Text wird beleuchtet, wie diese Herausforderungen aussehen, welche Strategien sich in der Praxis bewährt haben und wie Firmen ihre KI-Dienste gewinnbringend und kundenorientiert anbieten können. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den praktischen Erfahrungen von Experten wie Anh Tho Chuong, CEO von Lago, der in der Branche für seine Expertise zur Monetarisierung von KI-Lösungen bekannt ist. Die grundlegende Veränderung: Warum herkömmliche Preismodelle nicht mehr ausreichen In der klassischen Softwarelandschaft werden meist Lizenzgebühren, Abonnements oder nutzungsabhängige Modelle angeboten, die sich oft auf Anzahl der Nutzer, Instanzen oder Transaktionen stützen. Der Cloud-Boom führte zudem zu verbrauchsabhängigen Kostenrechnungen – beispielsweise bezahlte man für Speicher, Rechenleistung oder API-Aufrufe. Diese Modelle sind grundsätzlich auch im KI-Kontext anwendbar, doch die Kostenstruktur ist drastisch verändert: Das Trainieren großer Modelle verursacht enorme Rechenkosten, die wiederum direkte Auswirkungen auf die Betriebskosten haben.
Die Bereitstellung von KI-gestützten Funktionen – seien es NLP-Dienste, Bilderkennung oder personalisierte Empfehlungen – ist fließend, ständig in Entwicklung und datenabhängig. Daraus resultiert eine nicht zu unterschätzende Herausforderung: Statt einer linearen oder nahezu konstanten zusätzlichen Kostenbelastung pro Nutzer entstehen variable, oftmals sehr hohe und unvorhersehbare Kosten. Auch der Wettbewerb verschärft die Situation: Viele Technologieanbieter gelangen unter Druck, ihre KI-Funktionalitäten zu attraktiven Konditionen anzubieten, da erweiterte KI-Features oft zum Standard oder expected feature Set werden. Dies führt dazu, dass Unternehmen, die ihre KI-Dienstleistungen erfolgreich monetarisieren möchten, neue Wege der Differenzierung und Preisgestaltung einschlagen müssen – klassische Software-Preisstrategien stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Wer seine KI-Funktionen also zukunftssicher gestalten möchte, muss die Kostenstruktur präzise verstehen und seine Preismodelle agil anpassen.
Ein Patentrezept gibt es nicht, doch es haben sich mehrere bewährte Ansätze etabliert, die nun vorgestellt werden. Kostenbasierte Preisfindung versus Wertorientierung Ein grundlegender Schritt besteht darin, die tatsächlichen Kosten der KI-Funktion genau zu analysieren. Das bedeutet, die Ausgaben für Hardwareressourcen, Energie, Datenbereitstellung, Modelltraining, kontinuierliche Optimierung und Infrastruktur zu kalkulieren. Auf dieser Basis kann man einen Mindestpreis ermitteln, der keine Verluste verursacht. Doch dieser kostenbasierte Ansatz reicht allein nicht aus.
Der Wert für den Kunden muss ebenso berücksichtigt werden. KI-Funktionalitäten ergeben oft enorme Produktivitätssteigerungen, Automatisierungspotentiale und Wettbewerbsvorteile. Hier kann es sinnvoll sein, den Preis eher am Nutzen auszurichten, als an den reinen Produktionskosten. Beispielsweise darf eine KI-basierte Diagnostik, die in einem medizinischen Umfeld erhebliche Einsparungen bei Fehlbehandlungen verursacht, durchaus einen höheren Preis tragen, als die rein technischen Bereitstellungskosten vermuten lassen. Hybride Preismodelle, die beide Faktoren verbinden, sind daher empfehlenswert.
Die Herausforderung besteht darin, sowohl den Kostenfokus als auch den wahrgenommenen Kundennutzen richtig auszubalancieren und passende Preisstufen zu definieren. Pay-per-Use und nutzungsbasierte Modelle: Flexibilität für Kunden und Anbieter Viele Unternehmen setzen im KI-Bereich zunehmend auf Pay-per-Use-Modelle. Hier zahlt der Kunde nur für die tatsächliche Nutzung, zum Beispiel nach Anzahl der API-Aufrufe, verarbeiteten Abfragen oder Rechenzeit. Dieses Modell schafft für Kunden Transparenz und senkt die Einstiegshürden, da keine großen Vorauszahlungen nötig sind. Gleichzeitig kann der Anbieter die Kosten proportional weitergeben und langfristig stabile Umsätze erzielen.
Der Nachteil liegt allerdings in der Planbarkeit. Schwankende Nutzungsvolumina können Einnahmen unvorhersehbar machen und erschweren die interne Kostenkontrolle. Daher setzen viele Unternehmen zusätzlich auf Mindestabnahmemengen oder Kombi-Modelle, die eine Grundgebühr mit nutzungsabhängigen Komponenten verbinden. Dies bietet eine Grundsicherheit für Anbieter und Flexibilität für Nutzer. Abonnements mit KI-Funktionalitäten: Wie sich die Wertversprechen verändern Viele etablierte SaaS-Unternehmen erweitern ihre bestehenden Abonnements um KI-Features.
Dabei stellt sich die Frage, wie der Mehrwert dieser Funktionen transparent kommuniziert und bepreist werden kann, ohne das Gesamtpaket überladen oder uninteressant zu machen. Ein möglicher Ansatz ist die Staffelung der Abonnements über Funktionen, also eine Art Feature-Tiering. Grundfunktionen werden oft weiterhin zu einem Basispreis angeboten, während KI-Module als Premium-Add-ons oder in höherwertigen Plänen enthalten sind. Dies erleichtert Kunden die Entscheidung und schafft klare Preis- und Leistungsgruppen. Wichtig bei dieser Strategie ist jedoch ein ständiges Monitoring der Nutzung und des Kundennutzens.
KI ist nicht statisch, sondern entwickelt sich rapide weiter, daher müssen Preismodelle regelmäßig validiert und angepasst werden. Ein fester Preis ohne Skalierungsmöglichkeiten kann schnell zu Problemen führen – sei es durch Unter- oder Überbewertung des Angebots. Dynamische Preisgestaltung und experimentelle Modelle Innovative Unternehmen experimentieren vermehrt mit dynamischen Preisen. KI kann dabei sogar unterstützen: mithilfe von datenbasierten Analysen lassen sich Nachfrage, Wettbewerb und Kundenverhalten in Echtzeit auswerten und Preisangebote entsprechend anpassen. Beispielsweise kann ein Großkunde, der besonders hohe Rechenressourcen beansprucht, individualisierte Tarifmodelle erhalten.
Ein weiteres populäres Modell sind Freemium-Angebote mit eingeschränkten KI-Funktionalitäten, die den Einstieg erleichtern und Vertrauen schaffen. Kostenpflichtige Premium-Versionen bieten dann erweiterte Leistung oder bessere Servicebedingungen. Solche Stufenmodelle fördern den Upsell und helfen die Preisdiskussion auf Ebene der wahrgenommenen Vorteile zu führen. Besondere Herausforderungen der Transparenz und Kundenkommunikation Bei der Preisgestaltung von KI-Funktionen ist es essenziell, die Transparenz gegenüber Kunden zu gewährleisten. Die oft komplexen technischen Abläufe und Rechenkosten bleiben für Anwender häufig undurchsichtig.
Das schafft Unsicherheit und kann zu Vorbehalten führen – abgesicherte und verständliche Erklärungen zum Preis-Leistungs-Verhältnis helfen hier enorm. Gleichzeitig gilt es, Erwartungen aktiv zu steuern. Nicht jede KI-Funktion liefert sofort maximale Ergebnisse, oftmals sind Trainings- und Optimierungsphasen notwendig. Kunden sollten über kontinuierliche Updates, Verbesserungen und Supportoptionen informiert werden, die den Wert des Preises unterstreichen. Zukunftstrends: Automatisierung im Pricing und KI-gesteuerte Monetarisierung Die Zukunft der Preisgestaltung liegt zunehmend in der Automatisierung.
KI-basierte Preistools können Angebot und Nachfrage, Konkurrenzpreise, Kundenfeedback und Nutzungsdaten in Echtzeit analysieren, um optimale Preise vorzuschlagen. So entstehen dynamische, kontextabhängige Preisangebote, die sich an die individuellen Bedürfnisse der Kunden anpassen. Dies eröffnet spannende Möglichkeiten, Kunden attraktiver zu bedienen und gleichzeitig die Profitabilität zu steigern. Anbieter gewinnen bei hoher Datenqualität und smarter Strategie langfristig Wettbewerbsvorteile. Fazit Die Ära der zero marginal cost Software ist mit dem Aufstieg von KI endgültig vorbei.