Die Architektur befindet sich im Wandel. Eine der spannendsten Entwicklungen der letzten Jahre ist der Übergang hin zu nachhaltigen und lebendigen Materialien im Bauwesen. Bio-Crafting Architecture, also die Nutzung biologischer Prozesse und Materialien zur Gestaltung von Bauprodukten, gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung. Besonders im Fokus steht das Myzelium, das Wurzelgeflecht von Pilzen, das mit seinen Eigenschaften eine kreative und innovative Verbindung zwischen Natur und Technik eingeht. Die Kombination von Myzelium mit von Menschenhand geschaffenen, minimalen Oberflächenformen macht es möglich, einzigartige Strukturen mit ökologisch positiven Effekten zu erzeugen.
Minimalflächen – also geometrische Flächen mit minimaler Fläche für eine vorgegebene Randbedingung – bieten dabei eine ideale Form, um das Wachstum des Myzeliums zu steuern und zu beeinflussen. Sie wirken als schützende und gleichzeitig strukturgebende Schale für den Pilz. Eine tiefergehende Betrachtung des Prozesses des Myzel-Wachstums in solchen speziell entworfenen Formen eröffnet spannende Perspektiven für das Bauwesen von morgen. In einem innovativen Workshop mit Architekturstudenten wurde gezeigt, wie man minimalistische Oberflächen mithilfe von 3D-Drucktechnik und Holz-basierten Filamenten herstellen kann, die anschließend als Formen für das Wachstum von Myzelium dienen. Die Idee dahinter ist, dass das Myzelium in und um diese Formen wächst, sich an das Material bindet und so eine feste, belastbare Verbundstruktur schafft, die für Architektur- und Designzwecke genutzt werden kann.
3D-Druck bietet eine außerordentliche Flexibilität bei der Erstellung komplexer, präzise berechneter Formen und eröffnet damit ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten. Holz-basierte Druckmaterialien tragen zudem zur Nachhaltigkeit bei und unterstützen als organisches Material das Wachstum des Myzeliums besonders gut. Die Ergebnisse zeigen, dass das Myzelium nicht nur mit den Holzfilamenten verflochten ist, sondern auch die Hüllstruktur der minimalen Oberfläche stärkt und sich sogar in kleinste Poren hinein ausbreitet. Dadurch entsteht ein bio-mechanischer Verbundstoff, der nicht nur natürliche Ästhetik mit sich bringt, sondern auch eine gute statische Tragfähigkeit besitzt. Solche Materialien können als Bausteine für ökologische Bauprojekte oder als innovative Möbeldesigns konzipiert werden.
Die Optik des lebendigen Materials wirkt dabei faszinierend: die organischen Strukturen des Myzeliums bilden kontrastreiche Muster und natürliche Texturen, die bei klassischen Baumaterialien selten vorkommen. Der kreative Prozess selbst, bei dem Architekten und Designer ihre Formen entwerfen, diese im 3D-Druck herstellen und anschließend mit einem lebenden Material besiedeln, fördert eine völlig neue Beziehung zum Material. Teilnehmer dieses Bio-Crafting-Workshops berichteten von einer erhöhten Wertschätzung lebender Systeme und einer erweiterten Perspektive auf nachhaltiges Design. Biophilie – die natürliche menschliche Verbundenheit zur Natur – wurde während des Umgangs mit dem Myzelium besonders deutlich. Gleichzeitig gab es aber auch eine gewisse Biophobie, also Ängste im Umgang mit lebenden Organismen, die vor allem bei der Unwissenheit über das Material auftreten können.
Dieses Spannungsfeld zwischen Faszination und Skepsis zeigt, wie wichtig es ist, wissenschaftliche Aufklärung und partizipative Erfahrungen beim Einsatz solcher neuer Technologien zu fördern. Die öffentliche Rezeption des Projekts bei der Ausstellung bestätigte die positive Grundhaltung gegenüber bio-basierten Materialien. Besondere Bedenken wurden hinsichtlich der Hygiene, der Haltbarkeit und der Produktionskosten geäußert. Solche pragmatischen Fragen sind essenziell für den kommenden Markt bio-basierter Baumaterialien und müssen von Forschung und Entwicklung umfassend adressiert werden. Zudem wird in der Gesellschaft intensiv über ethische Aspekte diskutiert: Wie viel Einfluss sollen moralische Überlegungen auf biotechnologische Forschung und die Nutzung lebender Materialien haben? Auch hier gibt es unterschiedliche Meinungen, was die zukünftige gesellschaftliche Akzeptanz und Regulierung prägt.
Die Kombination von digitaler Fabrikation durch 3D-Druck mit organischem Wachstum stellt einen Brückenschlag zwischen Hightech und Naturwissenschaft dar. Dies macht den Bio-Crafting-Ansatz zu einem potenziell revolutionären Werkzeug für nachhaltige und entwicklungsfähige Architektur. Bio-basierte Materialien wie Myzelium verfügen über hervorragende natürliche Eigenschaften wie geringe Umweltbelastung, biologischer Abbau und Kohlenstoffbindung, die sie zu idealen Kandidaten für eine grüne Bauwirtschaft machen. Darüber hinaus ermöglichen minimalistische Oberflächenformen eine effiziente Materialnutzung und ästhetisch anspruchsvolle Designs. Dennoch stehen diese Technologien vor bedeutenden Herausforderungen.