Die Klimakrise stellt heute zweifellos die größte Bedrohung für unsere Zivilisation dar. Seit Jahrzehnten mahnen Wissenschaftler und Umweltaktivisten zur dringenden Notwendigkeit, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren und die globale Erwärmung einzudämmen. Doch während die wissenschaftlichen Erkenntnisse heute so eindeutig sind wie nie zuvor, nimmt der Widerstand gegen wirksame Maßnahmen eine neue, gefährliche Form an: die sogenannte „wirtschaftliche Leugnung“. Dieser Begriff beschreibt die zunehmende Ablehnung der Vorstellung, dass wirtschaftliche Transformationen notwendig und vorteilhaft für den Klimaschutz sein können – eine These, die mittlerweile von einigen Politikern, Wirtschaftsakteuren und Populisten genutzt wird, um Klimapolitik zu diskreditieren und zu verzögern. André Corrêa do Lago, der Präsident der COP30, die 2025 in Belém am Amazonas stattfinden wird, warnt eindringlich vor dieser Entwicklung.
Er unterscheidet klar zwischen der früheren Klimawissenschaftsleugnung, die versucht hat, die Fakten rund um den Klimawandel in Zweifel zu ziehen, und der heutigen wirtschaftlichen Leugnung, die darauf abzielt, Klimaschutzmaßnahmen als schlecht für die Volkswirtschaften und die Menschen darzustellen. Diese Verschiebung in der Argumentation stellt eine erhebliche Gefahr dar, denn sie untergräbt das Vertrauen in politische Maßnahmen, die eine nachhaltige und gerechte Umstellung der Wirtschaft erfordern. Die Gründe für diese „ökonomische Gegenwehr“ sind vielfältig. Zum einen resultieren sie aus der Sorge vieler Menschen um Arbeitsplatzverluste und wirtschaftliche Unsicherheit durch den Rückzug aus fossilen Energien. Zum anderen führen populistische Bewegungen und Politiker, wie etwa die Zeit unter der Präsidentschaft von Donald Trump in den USA, die die Klimapolitik als Bedrohung der nationalen Interessen darstellen, diese Ängste gezielt zum eigenen politischen Vorteil.
Sie setzen dabei auf Parolen, die Klimaschutzmaßnahmen als überflüssig oder sogar schädlich für das Wirtschaftswachstum darstellen. Corrêa do Lago hat selbst einen wirtschaftlichen Hintergrund und glaubt fest daran, dass Ökonomen eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Klimakrise spielen können. Seine Überzeugung beruht auf bedeutenden Studien, die seit Jahren belegen, dass wirtschaftliche Investitionen in erneuerbare Energien und nachhaltige Technologien nicht nur den Klimawandel bremsen, sondern zugleich neue Chancen für Wachstum, Innovation und Beschäftigung schaffen. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die vielzitierte Stern-Studie von 2006, die bereits damals nachwies, dass die Kosten des Verharrens auf fossilen Energien und der Untätigkeit höher sind als die Investitionen zur Emissionsreduzierung. Noch aktueller sind Berichte von Organisationen wie der OECD und dem UN-Entwicklungsprogramm, die in jüngster Vergangenheit betonten, dass nachhaltiges Wirtschaften den globalen Wohlstand durchaus fördern kann.
Diese Erkenntnisse werden jedoch nur langsam in die politische Praxis und viele wirtschaftliche Entscheidungsprozesse integriert. In zahlreichen Staaten und Unternehmen bleiben Klimaaspekte bei der Budget- und Investitionsplanung oft außen vor oder werden systematisch unterschätzt. Das hat zur Folge, dass die weitreichenden wirtschaftlichen Folgen der Klimakrise nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die COP30 sieht sich daher vor eine besondere Herausforderung gestellt: Zum einen müssen die Staaten gegen die Verbreitung von „wirtschaftlicher Leugnung“ ankämpfen, zum anderen geht es darum, konkrete, überzeugende Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die die Wirtschaft zukunftsfähig machen. Das gelingt nur durch stärkere Einbindung von Ökonomen, Finanzexperten und Politikern, die die wirtschaftlichen Chancen des Klimaschutzes deutlich kommunizieren und glaubwürdig vermarkten.
Die COP30 findet in einem besonderen Umfeld statt. Gastgeber Brasilien, ein Land, das am Amazonas beheimatet ist und damit eines der wichtigsten Ökosysteme für das globale Klima schützt, steht selbst unter Druck. Trotz des Austragungsortes genehmigt die aktuelle brasilianische Regierung weiterhin umstrittene Bergbau- und Ölprojekte, was internationale Kritik hervorruft. Zudem wird in Brasilien, wie auch weltweit, an der nötigen Umsetzungskraft der Mitglieder der UN-Klimarahmenkonvention gefeilt. Bislang haben erst wenige Länder ihre langfristigen Emissionsreduktionspläne eingereicht, die sogenannten nationally determined contributions (NDCs), obwohl der Stichtag bereits verstrichen ist.
Die Verspätungen und das unzureichende Engagement erschweren die globale Einigung zusätzlich. Darüber hinaus gibt es tiefgreifende geopolitische Spannungen. Staaten wie Saudi-Arabien, Russland und Venezuela spielen oft eine bremsende Rolle, während protektionistische und populistische Strömungen den Multilateralismus schwächen. Die Abwesenheit führender Nationen, wie der USA unter der Trump-Regierung während früherer COPs, und der Rückzug aus dem Pariser Abkommen haben die Klimagemeinschaft gespalten. Obgleich sich die USA inzwischen wieder stärker engagieren, bleiben viele Unsicherheiten über den Kurs der weltweiten Klimapolitik.
Dennoch öffnet die COP30 auch neue Chancen. Die Gastgeber setzen auf eine verstärkte Mobilisierung der internationalen Gemeinschaft, um das Vertrauen in eine wirtschaftliche Transformation zu stärken. Dazu gehört ebenso, den sozialen Aspekt mitzudenken – Klimaschutz muss gerecht und sozial ausgewogen gestaltet werden, um breite Akzeptanz zu erzielen. Nur so lässt sich eine nachhaltige und gerechte Energiewende erreichen. Die wissenschaftliche Grundlage für ein Umdenken in Wirtschaft und Politik ist längst vorhanden.
Die Herausforderung besteht darin, diese Erkenntnisse in überzeugende, handfeste Politik umzusetzen und dabei populistische Widerstände zu überwinden. Es gilt, den Mythos zu widerlegen, Klimaschutz sei ein wirtschaftlicher Nachteil, und stattdessen die Vorteile für Beschäftigung, Innovation und Lebensqualität in den Vordergrund zu stellen. Ökonomisches Umdenken bedeutet auch, den Klimawandel vollständig in wirtschaftliche Modelle und Planungen zu integrieren. Viele traditionelle ökonomische Theorien und Modelle berücksichtigen Umweltrisiken und ökologische Faktoren nur unzureichend. Um dem gerecht zu werden, müssen neue Denkansätze und innovative Instrumente entwickelt werden, die den ökologischen Fußabdruck sowie langfristige Klimarisiken richtig bewerten und in politische Maßnahmen übersetzen.
Die COP30 bietet die Gelegenheit, eine neue Ära der internationalen Klimapartnerschaft einzuläuten, bei der Wirtschaft und Umwelt Hand in Hand gehen. Die Botschaft von André Corrêa do Lago ist klar: Der Kampf gegen den Klimawandel ist keine Last für die Weltwirtschaft – im Gegenteil, er kann der Motor für eine gerechtere, sauberere und nachhaltigere Zukunft sein. Doch dafür muss die „wirtschaftliche Leugnung“ überwunden werden. Ohne konsequentes Handeln und internationale Zusammenarbeit droht eine beschleunigte Klimakatastrophe, die verheerende Folgen für Menschen, Wirtschaft und Natur haben wird. Der Einsatz bei der COP30 wird somit nicht nur über Emissionsziele entscheiden, sondern darüber, ob die Menschheit bereit ist, ihre wirtschaftlichen Vorstellungen grundlegend zu überdenken und mutig in die Zukunft zu gehen.
Die Zeit drängt. Es liegt an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, diese Herausforderung anzunehmen und eine Welt zu schaffen, in der ökologischer und ökonomischer Fortschritt Hand in Hand gehen – zum Wohle aller.