Die zunehmende Urbanisierung führt weltweit zu einem wachsenden Bedarf an flexiblen und nachhaltigen Mobilitätslösungen. Während die urbane Infrastruktur in Großstädten oft die Grundlage für Mikromobilitätsdienste bildet, zeigt sich in suburbane Regionen eine andere Realität. Das Beispiel des OC Flex Programms in Orange County, Kalifornien, verdeutlicht die Herausforderungen, mit denen öffentliche Mikromobilität in Vororten konfrontiert ist. Während die Nachfrage nach sogenannten „Last-Mile“-Verbindungen in suburbanen Räumen wächst, konnte OC Flex weder wirtschaftlich noch auf Dauer erfolgreich betrieben werden. Diese Analyse beleuchtet, warum dies so ist, welche Faktoren zum Ende des Projekts führten und welche Lehren daraus für die Zukunft gezogen werden können.
OC Flex begann im Jahr 2018 als Pilotprojekt, das eine Uber-ähnliche öffentliche Kleinbus-Shuttle-Dienstleistung für ausgewählte suburbanen Zonen in Orange County anbot. Ziel war es, die Problematik der letzten Kilometer zwischen Bahnstationen und Wohn- oder Arbeitsorten zu lösen. Gerade in suburbanen Gebieten, wo die Infrastruktur weniger verdichtet ist und herkömmlicher öffentlicher Verkehr oft begrenzt, scheint Mikromobilität eine attraktive Lösung. Doch schon bald zeigte sich, dass die Umsetzung aufgrund verschiedener struktureller und finanzieller Herausforderungen äußerst komplex ist. Das Programm umfasste im Wesentlichen zwei Zonen: den „Blue Zone“-Bereich, der teilweise Huntington Beach und Westminster umfasste, und den „Orange Zone“-Bereich nahe Laguna Niguel, Mission Viejo und Aliso Viejo.
Beide Bereiche sind typische Beispiele für Suburbia mit weitläufigen, kaum fußgängerfreundlichen Quartieren, die einen starken Autoverkehr begünstigen. Gerade diese Flächenstruktur erschwert die Implementierung flexibler, öffentlicher Kleinbusverkehre, weil potenzielle Nutzer oftmals weit verstreut wohnen oder arbeiten. Die Blue Zone wurde während der COVID-19-Pandemie 2020 eingestellt und öffnete nie wieder, während die Orange Zone bis Mitte 2025 in Betrieb blieb. OCTA (Orange County Transportation Authority) kündigte schließlich die Komplettschließung des Programms zum 30. Juni 2025 an.
Hauptgründe waren die deutlich zu hohen Betriebskosten sowie die anhaltend niedrige Nachfrage. Trotz hoher Investitionen und Anpassungen wurde die Projektzielvorgabe, mindestens sechs Fahrgäste pro Betriebsstunde zu erreichen, nie annähernd erfüllt. Im besten Fall lag die durchschnittliche Auslastung bei etwas über zwei Fahrgästen pro Stunde. Schon vor der Pandemie, im Februar 2020, zeigte sich, dass das Angebot selbst in einem stark pendelnden Gebiet keine breite Akzeptanz fand. Die erhoffte Masse an Nutzern blieb aus.
Und obwohl das öffentliche Bahnangebot in Orange County inklusive Metrolink-Linien im selben Zeitraum einen Anstieg der Fahrgastzahlen verzeichnete, führte das nur bedingt zu mehr Umsteigern auf OC Flex. Grund hierfür waren einerseits Streckensperrungen und Unterbrechungen im Zugverkehr auf den Verbindungen zwischen Orange County und San Diego, zum anderen aber auch strukturelle Nachteile des Mikrotransits gegenüber Alternativen wie dem Individualverkehr mit dem Auto oder Buslinien. Die Frage der Attraktivität für Pendler war bei OC Flex besonders spannend, weil die letzten Streckenabschnitte zwischen Bahnstationen und Arbeitsplatz oft lange und schwierig zugänglich sind. So ist etwa das Gebiet um die Laguna Niguel / Mission Viejo Station geprägt von weiträumigen Gewerbegebieten, Autohändlern und wenig fußgängerfreundlichen Strukturen. Das heißt, die letzte Meile ist tatsächlich eine Herausforderung.
Nutzer, die das Angebot nutzten, schätzten daher den Service durchaus, insbesondere Berufspendler, die arbeiteten oder gelernt haben rund um Einrichtungen wie das Saddleback College oder die Soka University. Trotz dieser positiven Einschätzung reichte die Nutzerzahl nicht aus, um das Angebot kostendeckend zu gestalten. Besonders deutlich wurde die Diskrepanz im Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Betrachtung der Subventionen. Anfangs, vor der Pandemie, lag der Zuschuss der öffentlichen Hand bei ca. 31,56 US-Dollar pro Fahrgast, was bereits deutlich über dem Zielwert von neun Dollar lag.
Fünf Jahre später, 2025, explodierten diese Kosten auf über 58 Dollar pro Fahrgast. Im Vergleich dazu kostete eine einzelne Fahrt mit einem Uber alleine schon ähnlich viel wie ein Hin- und Rückfahrt-Ticket mit OC Flex, das bei 4,50 Dollar lag. Zusätzlich hatten Metrolink- und Amtrak-Passinhaber sogar freie Fahrt auf OC Flex. Das zeigt, dass die Preise für die Nutzer durchaus attraktiv waren, die staatliche Belastung durch das Pilotprojekt jedoch extrem hoch. Das Ungleichgewicht in den Kosten rührt auch von den zu geringen Fahrtzahlen her.
Ein wesentliches Problem war, dass die ursprünglichen Prognosen für das Projekt mit über 135.000 Fahrgängen pro Jahr unrealistisch optimistisch waren. Solch hohe Zahlen wurden niemals erreicht. Bei einem echten Erreichen solcher Werte hätte sich auch eine Kostenminderung eingestellt, die den Zuschuss pro Fahrt auf ein akzeptables Maß hätte senken können. So aber verursachte die geringe Auslastung steigernde Betriebskosten pro Nutzer.
Dies führt zu der Frage, ob die ökologische und öffentliche Förderung solcher Mikromobilitätslösungen in dünn besiedelten suburbanen Räumen überhaupt sinnvoll oder skalierbar ist. Einen weiteren Dämpfer erfuhr OC Flex durch die Veränderungen am Arbeitsplatz. Ein Beispiel hierfür ist der Chet Holifield Federal Building, ein Großbürokomplex, welcher zunächst eine der zentralen Nutzungszonen für OC Flex darstellte. Da die Besetzung dieser Bundesgebäude infolge von Arbeitsplatzverlagerungen immer weiter abnahm, verlor der Bereich viele potenzielle Nutzer. Diese Art von externen Faktoren zeigt, wie anfällig Mikromobilitätsdienste für sich ändernde demografische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen sein können.
Neben den hohen Kosten für Fahrer, deren Löhne über die Jahre angestiegen sind, sind auch Betriebskosten wie Fahrzeuge, Versicherung, Wartung und Verwaltung Faktoren, die das Projekt verteuerten. Die Zusammenarbeit mit privaten Dienstleistern wie Keolis und Transdev führte zwar zu professionellem Betrieb, verschleierte aber auch die genaue Kostenstruktur, da keine detaillierten Auswertungen seitens der öffentlichen Hand vorgelegt wurden. Im Vergleich dazu liegen die Kosten für den Betrieb konventioneller Busse mit festem Linienbetrieb deutlich günstiger pro Fahrgast. Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit und Skalierbarkeit ist somit berechtigt. Trotz der hohen Kosten und der geringen Nutzerzahlen bewies OC Flex, dass Mikromobilität durchaus eine Lösung für die letzte Meile im suburbanen Umfeld darstellen kann.
Die hohen Kundenzufriedenheitswerte von nahezu 100 Prozent belegen, dass das Angebot von denjenigen, die es nutzten, geschätzt wurde. Die Flexibilität und der Komfort eines On-Demand-Shuttlesystems, kombiniert mit günstigen Preisen, boten viele Vorteile gegenüber den vorhandenen Busverbindungen, die in den entsprechenden Zonen oft rudimentär ausgebaut waren. Dennoch zeigen Erfahrungen mit Alternativangeboten, wie MV Shuttle oder Ridematch.info, dass viele dieser Konzepte ohne ausreichende Reichweite, Frequenz oder Verlässlichkeit für die Antwort auf die letzten Kilometer kaum ausreichen. Ein zukunftsfähiges suburbanes Mikromobilitätskonzept muss daher auf bessere Integration mit vorhandenen Verkehrsmitteln setzen sowie eine höhere Dichte oder zusätzliche attraktive Anreize schaffen.
Für die zukünftige Entwicklung suburbaner Mikromobilität bieten sich alternative Ansätze an. Dazu könnten unter anderem selbstfahrende Fahrzeuge gehören, die langfristig durch eine geringere Personalkostenbelastung bei gleicher Dienstleistungsqualität rentabler betrieben werden können. Die Nutzung von kleinen, elektrischen On-Demand-Shuttles mit automatisiertem Fahrbetrieb wäre denkbar, um die Last-Minute-Verbindungen kostengünstig und sicher abzudecken. Darüber hinaus wäre eine bessere landesplanerische Abstimmung notwendig, um suburbanen Raum so zu gestalten, dass er fußgänger- und fahrradfreundlicher wird, sowie neue Mobilitätssysteme mit konventionellen Angeboten zu verbinden. Eine Verdichtung in Ballungsgebieten bei gleichzeitigem Ausbau von Radnetz und Fußwegen könnte die Nutzungsmöglichkeit alternativer Verkehrsmittel auch in Vororten verbessern.
OC Flex zeigt aber auch, dass die reine Übertragung von urbanen Mikromobilitätsmodellen in die Suburbia nicht automatisch erfolgreich ist. Flächendeckende Angebote sind dort meist teuer, ineffizient und erreichen oft nicht die notwendigen Nutzerzahlen. Die Förderung sollte daher stärker auf maßgeschneiderte Lösungen, eine Verbesserung der Infrastruktur und technologische Innovationen setzen. Das Ende von OC Flex ist somit kein endgültiges Scheitern von öffentlicher Mikromobilität in Vororten, sondern ein Weckruf für Planer, Anbieter und Politik, die Herausforderungen suburbaner Mobilität differenzierter zu betrachten. Nur durch eine Kombination aus innovativen Technologien, angepassten Mobilitätskonzepten und integrierten Verkehrsnetzen können nachhaltige und wirtschaftliche Lösungen entstanden, die den Bedürfnissen suburbaner Regionen gerecht werden und die Abhängigkeit vom eigenen Auto reduzieren.
Insgesamt illustriert die Fallstudie OC Flex, wie komplex die Implementierung von Mikromobilitätsangeboten außerhalb der urbanen Zentren ist. Die schmale Nutzerbasis, hohe Betriebskosten, infrastrukturelle Schwächen und sozioökonomische Veränderungen wirken sich negativ auf die Rentabilität und Nachhaltigkeit solcher Projekte aus. Die Zukunft der Mikromobilität im suburbanen Umfeld wird von einer intelligenten Balance aus Kosteneffizienz, Nutzerfreundlichkeit und technologischer Innovation abhängen, die nur durch gezielte Förderung und strategische Planung erreicht werden kann.