In einer Zeit, in der der Klimawandel die Erde ins Chaos stürzt und weltweite Konflikte die Menschheit erschüttern, öffnet Eclipse ein Fenster in eine futuristische Welt, die sowohl faszinierend als auch nachdenklich stimmt. Das dreitägige Science-Fiction-Larp (Live Action Role Play) spielt im Jahr 2059 auf dem fernen Planeten Gliese 628A, einem der sieben ausgewählten Kandidaten für eine neue menschliche Kolonie. Hier erleben 150 Spielerinnen und Spieler in einem beeindruckenden, realistischen Setting den Ablauf einer ersten Begegnung mit einer nicht-menschlichen intelligenten Lebensform – der NHIL. Dabei ersetzt Eclipse klassische Weltraumschlachten durch das intensive Erkunden menschlicher Natur, zwischenmenschlicher Beziehungen und existenzieller Fragen. Es ist kein gewöhnliches Spiel, sondern ein Erlebnis von epischer Breite, das mit seinen vielschichtigen Inhalten und der technischen Ausstattung Maßstäbe in der Larpproduktion setzt.
Die Handlung wird beeinflusst durch Umweltkatastrophen und politische Unruhen auf der Erde, die die Schatten auf jede Mission werfen, aber auch persönliche Schicksale einzelner Figuren strapazieren. Die Spannung entsteht weniger durch äußere Gefahren, sondern im Spiegel innerer Konflikte und ethischer Dilemmas. Erschaffen wurde die Welt von Chaos League aus Italien, einer Gruppe, die mit Eclipse die Tradition des New Italian Larp fortsetzt. Diese unterscheidet sich vom nordischen Larp insbesondere durch eine stärker gesteuerte Erzählstruktur und ein präzises dramaturgisches Design, das die Spieler auf eine vorgegebene narrative Fahrt mitnimmt. Doch die Komplexität und der Umfang von Eclipse dürfen keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass jeder Teilnehmende durch eigenes Rollenspiel und individuelle Entscheidungen diesen Kosmos mitprägt.
Ein zentraler Aspekt von Eclipse ist die Verwendung modernster Technologie, die das Spielerlebnis intensiviert. Jeder Teilnehmer erhält ein eigens programmiertes Tablet, das maßgeschneiderte Software enthält, welche die Spielmechaniken, Kommunikation, Missionsdaten und soziale Interaktion unterstützt. Diese technologische Ausstattung, gepaart mit authentischen Sci-Fi-Uniformen und 3D-gedruckten Requisiten, vertieft die Immersion und hebt das Larp auf ein Kino-ähnliches Niveau. Durch den Einsatz von Virtual- und Augmented-Reality-Elementen sowie detailverliebter Inszenierung gelingt es, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zu verwischen und weit mehr als nur eine bloße Rollenspielveranstaltung zu bieten. Das larp-spezifische Gelände von Eclipse, Alvernia Planet nahe Krakau in Polen, ist ein einzigartiger Spielort: Ein riesiges Netzwerk aus miteinander verbundenen Glaskuppeln und Stahlbetonstrukturen erstreckt sich über 13.
000 Quadratmeter und schafft eine futuristische Umgebung, die tatsächlich von der Cover-Illustration eines Science-Fiction-Magazins stammen könnte. Ursprünglich als Filmstudio geplant, bietet der Ort heute die perfekte Kulisse für eine immersive Veranstaltung wie Eclipse, die den physischen Raum als wichtigen Teil des Erlebnisses nutzt. Im Gegensatz zu klassischen Larps, die oft in kleinen Innenräumen oder auf begrenztem Gelände stattfinden, erlaubt diese großflächige Anlage eine dynamische Mischung aus intimen Szenen, wissenschaftlichen Expeditionen und sozialen Begegnungen. Die Rollenwahl bereitet die Spieler auf ein intensives, auf ihre Stärken zugeschnittenes Spiel vor. Je nach Interesse und Vorliebe entscheiden sie sich für eine der drei Hauptdivisionen des Spiels: Hard Science, Soft Science oder Exploration.
Während Hard Science auf logisches Denken und die mentale Verbindung zum Alien abzielt, sind Soft Science Spieler eher in der sprachlichen und sozialen Interaktion mit den unbekannten Wesen engagiert. Die Explorer schlagen sich körperlicher mit dem fremden Terrain herum und führen physische Erkundungsmissionen durch. Diese Aufteilung erlaubt nicht nur individuelle Erfahrungswelten, sondern verknüpft unterschiedliche Spielstile zu einem kollektivem Erlebnis. Die tiefe Charakterausgestaltung mit ausgefeilten Backstories und lebensnahen Beziehungsgeflechten verleiht dem Spiel eine bemerkenswerte Authentizität. So umfassen die Charakterbögen mehrere Seiten und sind durchzogen von den narrativen Wunden, Hoffnungen und moralischen Konflikten, die das bedrückende Szenario einer sterbenden Erde widerspiegeln.
Das Spiel lädt die Teilnehmenden ein, sich mit Persönlichkeiten auseinanderzusetzen, die nicht als Helden geboren, sondern durch Politik, Katastrophen und persönliche Tragik geformt wurden. Diese Figuren sind oft komplex, widersprüchlich und von inneren Zwiespälten geprägt – dadurch entstehen besonders intensive Rollenspielmomente, die den Nachhall weit über die drei Tage hinaus bewahren. Ein herausragendes Merkmal des Spiels ist die Art und Weise, wie das soziale Gefüge an Bord der Basis dargestellt wird. Da sowohl die Handlung als auch die Workshifts stark teamorientiert organisiert sind, entstehen zwangsläufig vielfältige Spannungen und Konflikte, die den Alltag prägen. Schwierigkeiten im Umgang mit Kommandostrukturen, unterschiedliche Ansichten über den Umgang mit der NHIL, der Umgang mit Ängsten angesichts ungewisser Zukunftsaussichten und die persönliche Isolation trotz räumlicher Nähe werden ausgiebig thematisiert.
Das laufende Wechselspiel zwischen Kooperation und Konkurrenz spiegelt realistische Dynamiken intensiver Arbeitssituationen und die Dramatik zwischenmenschlicher Beziehungen wider. Besonders faszinierend ist, wie Eclipse den Umfang und die Tiefe einer sogenannten „First Contact“-Situation untersucht. Statt einfacher Gegensätze oder gut/böse-Mechanismen wird das Fremde als vielschichtiges Rätsel dargestellt, das sich weder eindeutig deuten noch leicht erfassen lässt. Spieler erfahren eine ständige Ambivalenz in der Interaktion mit der NHIL – zwischen Verständnis, Misstrauen und dem Drang zur Selbstverteidigung. Diese Ungewissheit spiegelt die Limits menschlicher Erkenntnis in fiktionaler Form eindrucksvoll wider und lockt zu philosophischem Nachdenken.
Die Rolle der künstlichen Intelligenz als Kontrollinstanz des Basissystems und Entscheidungsrotationsmechanismus hebt zudem den innovativen Charakter von Eclipse hervor. Yggdrasil, die KI, fungiert nicht nur als in-game-Entscheidungshüter sondern lenkt anhand von aggregierten Spielermeinungen auch die Entwicklung der Geschichte und gewährleistet so eine Balance zwischen kollektiver Beteiligung und dramaturgischer Steuerung. Diese Mischung aus Strukturiertheit und Offenheit stellt eine Neuheit in großangelegten Larps dar und beendet potenzielle Frustrationen über Entscheidungslosigkeit oder Chaos. Trotz des hohen Produktionsaufwands ist die Teilnahme an Eclipse mit einem nicht unerheblichen Kostenfaktor verbunden, was einerseits die hochklassige Ausstattung und Logistik erklärt, andererseits aber auch Diskussionen über Zugänglichkeit anstößt. Mit Eintrittspreisen, Unterkunft und Ausrüstung summieren sich die Ausgaben für den einzelnen Spieler auf etwa 890 Euro.
Diese Investition steht im Verhältnis zu einem anspruchsvollen Kurzurlaub und fordert Engagement und Leidenschaft. Kritiker aus der Larpgemeinde äußern jedoch Bedenken, dass explosionsartig wachsende Blockbuster-Veranstaltungen ähnlich exklusiv und weniger zugänglich für Anfänger oder Menschen mit schmalerem Budget werden. Andererseits führen solche Großprojekte oft neue Spieler in die Szene ein, inspirieren Hobbyisten und ermöglichen eine breite Vielfalt an Formaten, selbst wenn manche Spieler am Ende eher in kleineren, kostengünstigeren Stadien weiterlesen. Der Ablauf des Spiels wird sorgfältig durch ein dichtes Workshop-System unterstützt, das vor Beginn verlangt, alle Spieler mit denselben Regeln, Sicherheitsstandards und Spielprinzipien vertraut zu machen. In diesen Sessions wird ein gemeinsames Verständnis geschaffen, abwechslungsreiche Szenarien durchgesprochen und die emotionale Belastbarkeit trainiert.
So können auch Neulinge mit einem intensiven sozialen Spiel umgehen, Ängste adressiert und Erfahrungen geteilt werden. Zugleich widmet sich das Team dem nötigen Respekt vor kritischen Themen wie Kolonialismus, Gewalt und persönlichen Grenzen. Dabei wird stets betont, dass Spielerhaftigkeit geschärft und das Rollenspiel ernster genommen wird als etwa bei herkömmlichen Theaterformen. Die titelgebende „First Contact“-Szenerie führt schließlich zu den Höhepunkten des Spiels: Intensiven Begegnungen mit einer intelligenten außerirdischen Spezies, die möglichst realistisch und immersiv inszeniert werden. Während die Hard- und Soft-Science-Divisionen auf kommunikative und intellektuelle Interaktion setzen, liefern die Explorer mit ihren sensorischen Einsätzen räumliche und physische Eindrücke.
Diese strukturierten aber doch offenen Konflikte, Aushandlungsprozesse und Entdeckungen erzeugen einen Sog, der Spielerinnen und Spieler tief in die Handlung eintauchen lässt. Nicht zuletzt bieten die emotionalen Video-Tagebücher und die Anrufe zu „Affektionen“ auf der Erde eine perfekte Verbindung zwischen persönlichem und kollektiven Erleben. Die tragischen und hoffnungsvollen Momente, die daraus entstehen, verstärken die Intensität und laden auch außerhalb des Spiels zum Reflektieren über Beziehungen, Verlust und Hoffnung ein. Obendrein sind die Spielmechanismen von Eclipse konsequent darauf angelegt, Fehler und Missgeschicke nicht zu sanktionieren, sondern als Teil des Spiels zu integrieren. Dies sorgt für eine entspannte Atmosphäre, die zu vielfachen Improvisationen einlädt und einem Szenario Raum gibt, das nicht auf Sieg, sondern auf gemeinsames Erleben und narrative Tiefe setzt.
Das komplexe Geflecht von Kollaboration und Konflikten spiegelt dabei in Miniaturform politische und soziale Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wider. Die Moralfragen werden bis zum Schluss auf die Spitze getrieben, wenn die Spieler vor die Entscheidung überleben, auslöschen oder verschmelzen gestellt werden. Dieses Dreieck aus Genozid, Integration und Transformation ist nicht nur ein dramatischer Höhepunkt, sondern beschwört tiefgreifende Assoziationen an reale humanitäre Dilemmata herauf. Eclipse vermittelt so die Schwere und Herausforderung von Existenz, ohne einfache Antworten zu liefern.
Das Spiel hinterlässt einen bleibenden Eindruck, jenseits der klassischen Unterhaltung. Nachdem die letzten Minuten des Spiels vorüber sind, die Spieler in einer gemeinsamen Handlung verbunden und zugleich vom Schicksal getrennt wurden, beginnt die Nachbereitung – der so genannte „De-roleing“-Prozess. Hier helfen angeleitete Reflexionen, Gespräche und Übungen, die intensive emotionale Bindung an die Charaktere schrittweise zu lösen und die Erfahrungen zu verarbeiten. Damit schafft Eclipse einen geschützten Raum, der sowohl aufregend als auch heilsam sein kann und das soziale Erleben nachhaltig prägt. Im Ergebnis ist Eclipse mehr als nur ein Larp: Es ist ein großes soziales Experiment, eine performative Studie über Kommunikation, Fremdheit und Verantwortung in einer globalisierten Welt.
Seine Kombination aus persönlicher Herausforderung, hochgradiger Immersion und moralischer Komplexität macht es zu einem Leuchtturmprojekt im Bereich des Science-Fiction-Rollenspiels. Wer sich auf dieses Abenteuer einlässt, betritt eine fremde Welt, die zugleich beklemmend vertraut und wunderschön ist – und erlebt, wie Larp zu echter Kunst und tiefen Gedanken führen kann.