Das menschliche Auge ist ein hochkomplexes Organ, dessen Gesundheit maßgeblich für unsere Lebensqualität und unser Wohlbefinden verantwortlich ist. Chronische Augenerkrankungen wie Glaukom stellen weltweit eine bedeutende Ursache für Sehverlust und Erblindung dar. Dabei spielt die kontinuierliche Überwachung des Augeninnendrucks (intraokularer Druck, IOD) eine zentrale Rolle bei der Früherkennung und Behandlung dieser Erkrankungen. Darüber hinaus gewinnen auch die präzise Erfassung von Augenbewegungen und deren Analyse zunehmend an Bedeutung, insbesondere bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen sowie im Bereich der kognitiven Forschung. Traditionelle Messmethoden und Geräte sind jedoch oftmals sperrig, stören den Alltag der Patienten und erlauben keine kontinuierliche Messung während geschlossener Augen, wie es beispielsweise im Schlaf notwendig wäre.
Die Entwicklung moderner, intelligenter Kontaktlinsen mit bimodaler Sensorik stellt daher einen bedeutenden Fortschritt in der nichtinvasiven Augendiagnostik dar. Diese innovativen Kontaktlinsen ermöglichen sowohl die Überwachung des Augeninnendrucks als auch die Erfassung der Augenbewegungen – inklusive Messungen bei geschlossenen Augen. Die Kombination aus elektromagnetischer Kapazitätsmessung und magnetischer Sensorik wird durch flexible, dehnbare Materialien realisiert, die sich optimal an den Augapfel anpassen und höchsten Tragekomfort bieten. Das Design dieser Kontaktlinsen basiert auf einer Sandwichstruktur mit mehreren Schichten, die präzise Sensorelemente enthalten. Eine Schicht besteht aus serpentinenförmig angeordneten Kupferspulen, welche auf Veränderungen des Augeninnendrucks reagieren.
Die zweite Ebene beinhaltet einen magnetischen Film aus einer Kombination von Neodym-Eisen-Bor (NdFeB) und Silikon (PDMS), der Bewegungen des Auges über Veränderungen des magnetischen Feldes misst. Optisch ähneln sie herkömmlichen, kosmetisch gefärbten Kontaktlinsen, wodurch die Sicht unbeeinträchtigt bleibt und eine diskrete Nutzung möglich ist. Ein weiterer Vorteil dieser Technologie besteht darin, dass die Signale drahtlos an ein mobiles Lesegerät, beispielsweise in einer speziellen Brille, übertragen werden können. Das ist besonders vorteilhaft für die Langzeitüberwachung, die auch während des Schlafes erfolgen kann, wenn Augen traditionell geschlossen sind und herkömmliche Geräte nicht zuverlässig funktionieren. Im Vergleich zu klassischen Messverfahren wie der Goldmann-Tonometrie, die eine manuelle Messung mit lokalem Betäubungsmittel und Spezialinstrumenten erfordert, bieten diese Kontaktlinsen eine schmerzfreie, kontinuierliche und weniger fehleranfällige Alternative.
Die Kapazitätsmessung des intraokularen Drucks in Echtzeit ermöglicht die Erkennung von Druckspitzen und Druckschwankungen, die besonders nachts relevant sind. Studien belegen, dass der Augeninnendruck während des Schlafs in Rückenlage deutlich ansteigt und damit das Risiko für Glaukomanfälle erhöht. Bisherige Geräte konnten diesen nächtlichen Druckanstieg kaum erfassen, was in der Praxis jedoch einen entscheidenden Faktor für die Therapieanpassung darstellt. Die neuartigen Kontaktlinsen gewährleisten eine hohe Auflösung von bis zu 1 mmHg und eine Sensitivität, die sich unter offenen und geschlossenen Augenbedingen sogar unterscheidet und anpasst. Im Rahmen von Tierversuchen an Kaninchen zeigten sich exzellente Messwerte auch bei geschlossenen Augen, was die Praxistauglichkeit unter realen Schlafbedingungen untermauert.
Parallel zur Druckmessung wird das komplexe Muster der Augenbewegungen mittels der integrierten magnetischen Sensoren erfasst. Daraus lässt sich nicht nur die Blickrichtung interaktiv bestimmen, sondern auch das Auge als Eingabegerät in modernen Mensch-Maschine-Schnittstellen nutzen. Hochpräzise Erkennungsmethoden, darunter neuronale Netzwerke und Deep-Learning-Algorithmen, verarbeiten die Magnetfeldveränderungen und ermöglichen eine Genauigkeit von über 97 % – selbst bei verdeckten Augenlidern. Diese Eigenschaft eröffnet vielfältige Anwendungen, von Augentracking in Virtual-Reality-Systemen über kognitive Zustandsanalysen bis hin zur Diagnostik neurologischer Erkrankungen wie Parkinson oder Multipler Sklerose, bei denen sich Augenbewegungen häufig verändern. Ein entscheidender Aspekt bei der Entwicklung der Kontaktlinsen ist die Kombination von mechanischer Flexibilität und robustem Magnetismus.
Die Zusammensetzung und das Verhältnis der magnetischen Partikel im Silikonfilm wurden sorgfältig optimiert, um einerseits eine hohe Magnetfeldstärke und andererseits eine ausreichende Dehnbarkeit und Hautverträglichkeit zu garantieren. Diese fortschrittliche Materialauswahl sorgt dafür, dass das empfindliche Auge nicht beeinträchtigt wird und die Linse auch bei Bewegungen und Verformungen präzise funktioniert. Zusätzlich wurde die Biokompatibilität in umfangreichen tierexperimentellen Studien bestätigt. Histologische Untersuchungen der Hornhaut nach längerer Linsenapplikation zeigten keine entzündlichen Reaktionen oder Zellschäden. Ebenso wurde die normale Aktivität der Versuchstiere nicht eingeschränkt, was auf einen hohen Tragekomfort und die Sicherheit des Systems hinweist.
Die technologische Integration geht über die reine Sensortechnik hinaus. Die drahtlose Übertragung der Messdaten an mobile Endgeräte in Brillen ermöglicht eine einfache und benutzerfreundliche Bedienung. Die kontinuierliche Registrierung, Speicherung und Analyse der Daten kann dabei helfen, individuelle IOD-Verläufe oder Augenbewegungsmuster zu erkennen und frühzeitig auf Veränderungen zu reagieren. Von Bedeutung ist auch die Möglichkeit, verschiedene Augenparameter simultan und gleichzeitig zu messen, was bisherige medizinische Ansätze stark erweitert. In Zukunft könnten solche Systeme nicht nur die Diagnose und Therapie von Glaukom und anderen Augenerkrankungen optimieren, sondern auch Anwendungen in der Gesundheitsüberwachung, Augenrehabilitation und sogar im Bereich der Unterhaltungselektronik finden.
In der Kombination mit Künstlicher Intelligenz und Big-Data-Analysen kann auf diese Weise eine personalisierte Augengesundheit ermöglicht werden, die den Alltag der Benutzer kaum belastet. Neben der industriellen Herstellung stellen der Entwurf und die Optimierung der Spiralenstruktur der Kupferelemente und des magnetischen Films wesentliche Herausforderungen dar. Durch Anpassung der Anzahl der Wicklungen der Spirale und der geometrischen Parameter konnte die Sensitivität erheblich verbessert werden, ohne die mechanische Integrität der Linse zu gefährden. Finite-Element-Analysen unterstützten die Entwicklung belastbarer Strukturen, die den mechanischen Beanspruchungen beim Aufsetzen, Blinzeln und der natürlichen Augenbewegung standhalten. Ebenso wurden die Auswirkungen von Positionierungsfehlern beim Lesen der Signale untersucht, wobei die Systeme eine hohe Toleranz gegenüber mehreren Millimetern lateralem Versatz oder Winkeländerungen demonstrierten.