Der indische Milliardär Gautam Adani und sein Konzern haben die Gespräche mit dem israelischen Halbleiterhersteller Tower Semiconductor für ein milliardenschweres Chipfertigungsprojekt in Indien vorerst ausgesetzt. Dieses Projekt, dessen Investitionsvolumen sich auf etwa 10 Milliarden US-Dollar belaufen sollte, zielte darauf ab, Indiens Position als aufstrebenden Standort für die Chipherstellung weltweit zu stärken. Doch laut Quellen, die eng mit der Angelegenheit vertraut sind, zeigte eine interne Bewertung des Adani-Konzerns Zweifel in Bezug auf die strategische und kommerzielle Tragfähigkeit des Vorhabens. Die Entscheidung, die Gespräche zu pausieren, markiert einen signifikanten Rückschlag für die Vision von Premierminister Narendra Modi, Indien zu einem globalen Halbleiterzentrum zu transformieren. Im September 2024 hatte der Bundesstaat Maharashtra im Westen Indiens die Genehmigung für den Aufbau dieser hochmodernen Chipfabrik erteilt, welche mit einer monatlichen Kapazität von 80.
000 Wafern 5.000 Arbeitsplätze schaffen sollte. Das Projekt wurde als ein wesentlicher Schritt für die lokale Industrie gewertet und sollte die Abhängigkeit Indiens von ausländischen Chipherstellern reduzieren. Trotz der anfänglichen positiven Haltung stellte sich bei Adanis Unternehmensevaluierung heraus, dass die inländische Nachfrage ungewiss sei. Insbesondere wurde bezweifelt, ob die heimische Industrie tatsächlich in dem erforderlichen Umfang auf die produzierten Halbleiter angewiesen sein wird, um das Investitionsrisiko zu rechtfertigen.
Dabei spielt auch eine Rolle, dass das Chipgeschäft stark von globalen Lieferketten und etablierten Fertigungszentren wie China dominiert wird, wo die Marktlage anders gelagert ist. Ein weiteres zentrales Problem in den Verhandlungen war der Umfang der finanziellen Beteiligung von Tower Semiconductor. Adani forderte, dass Tower mehr in das Projekt investieren sollte, um das Risiko und die Verantwortung fairer zu verteilen. Offenbar war der israelische Partner zu diesem Zeitpunkt nicht bereit, eine größere Kapitalzusage zu machen, was zu einem Bruch im gegenseitigen Vertrauen führte. Die technologieintensive Expertise von Tower hätte den indischen Markt dabei mit analog- und gemischt-signal-verarbeitenden Halbleitern für Branchen wie die Automobilindustrie bereichert.
Dennoch scheint die finanzielle Komponente und die strategische Ausrichtung nicht zueinander zu passen. Die Aussetzung der Gespräche ist auch symptomatisch für die Herausforderungen, denen sich Indien bei seinen ambitionierten „Make in India“-Plänen gegenübersieht. Die Regierung Modi hat die Entwicklung einer eigenständigen Halbleiterindustrie als Schlüssel zur zukünftigen wirtschaftlichen Stärke und geopolitischen Unabhängigkeit festgelegt. Angesichts der globalen Halbleiterknappheit und der zunehmenden Fragmentierung von Lieferketten gewinnt dieser Bereich zusätzliche Dringlichkeit. Allerdings sind bislang kaum operative Chipfertigungsstätten in Indien entstanden.
Ein weiteres prominentes Joint Venture, das zwischen dem indischen Konzern Vedanta und dem taiwanesischen Elektronikgiganten Foxconn zur Investition von 19,5 Milliarden Dollar geplant war, scheiterte im Juli 2023 an Kostenbedenken und langsamen Fördergenehmigungen seitens der Regierung. Neben Adanis Projekt konzentrieren sich derzeit weitere bedeutende Vorhaben auf den Ausbau der Halbleiterproduktion in Indien. So plant die Tata Group eine Investition in Höhe von rund 11 Milliarden Dollar in neue Fertigungs- und Prüfanlagen, und auch der US-amerikanische Speicherchip-Hersteller Micron baut eine Verpackungsanlage mit 2,7 Milliarden Dollar. Die vorsichtige Haltung des Adani Konzerns spiegelt wider, dass trotz der nationalen Ambitionen die wirtschaftlichen Grundlagen für eine florierende Halbleiterbranche noch nicht ideal sind. Die Nachfrage nach Halbleitern in Indien ist bislang vergleichsweise gering, und der Aufbau einer kompletten Produktionskette vom Wafer bis zum fertigen Chip ist äußerst kapitalintensiv und technologisch komplex.
Darüber hinaus konkurriert Indien mit Ländern, die bereits etablierte Halbleiterzentren besitzen, und muss gleichzeitig die lokalen Fähigkeiten in Forschung und Entwicklung sowie Fachkräften weiter ausbauen. Die Entscheidung, die Gespräche abzubrechen, könnte aber auch temporär sein. Quellen zufolge ist nicht ausgeschlossen, dass Adani zu einem späteren Zeitpunkt die Verhandlungen wieder aufnimmt, wenn sich die Marktbedingungen oder die Investitionsmodalitäten verbessern. Dies würde dem indischen Halbleiter-Sektor weiterhin Möglichkeiten eröffnen, nachhaltiges Wachstum zu erzielen und die technologische Abhängigkeit von anderen Nationen zu verringern. Insgesamt betrachtet unterstreicht der Rückzieher von Adani eine reale Herausforderung für Indien: die Transformation von einem stark konsumorientierten Elektronikmarkt zu einem Export-orientierten Hochtechnologiestandort.
Dabei sind nicht nur technologische Investitionen, sondern auch eine verbesserte politische und wirtschaftliche Planung essenziell, um private Investoren zu motivieren und langfristige Partnerschaften zu etablieren. Der Zugang zu Know-how, solide Finanzierungskonzepte sowie klare Marktprognosen spielen eine entscheidende Rolle. Das Wachstum der Halbleiterindustrie ist ein langfristiges Unterfangen – Indien befindet sich also noch am Anfang eines potenziell vielversprechenden Entwicklungsweges. Die „Make in India“-Initiative, getrieben von der Notwendigkeit technologischer Souveränität und neuen geopolitischen Realitäten, wird weiterhin die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der jüngste Stopp bei den Adani-Tower-Gesprächen zeigt aber, dass trotz ambitionierter Pläne noch erheblich mehr Anstrengungen nötig sind, um Indien auf den globalen Chip-Landkarte fest zu verankern.
Die kommenden Monate werden daher zeigen, wie sich der indische Halbleitermarkt weiterentwickelt, ob neue Partnerschaften zustande kommen und welche Rolle sowohl die Regierung als auch private Akteure wie Adani in der Gestaltung dieser Zukunft spielen werden.