Im Jahr 2024 erlebte der Wohnungsmarkt in den Vereinigten Staaten eine bemerkenswerte Phase: Die Fertigstellung neuer Wohnungen erreichte mit fast 592.000 Einheiten den höchsten Stand seit rund 50 Jahren, zuletzt vergleichbar mit dem Bauboom der 1970er Jahre. Dabei handelt es sich vor allem um Mehrfamilienhäuser und Apartments, die in großer Zahl neu errichtet wurden. Die Zahl liegt nur knapp unter dem Höchstwert von 1974, als allerdings die Gesamtbevölkerung und die Anzahl der Haushalte in den USA deutlich niedriger waren. Doch obwohl die Zahlen beeindruckend erscheinen, zeichnen sich inzwischen deutliche Bremsspuren im Wohnungsbau ab, und die Bundesstaaten rechnen mit einer Verlangsamung der Bautätigkeit in den kommenden Monaten und Jahren.
Ein wesentlicher Grund für das unerwartete Hoch in den Fertigstellungen in den Jahren 2023 und 2024 liegt in der außergewöhnlichen Nachfrage in den Jahren 2021 und 2022. Damals sorgten vergleichsweise niedrige Zinsen und eine rapide ansteigende Mietpreisentwicklung für einen intensiven Bauboom, der nun seinen Höhepunkt erreicht hat. Experten wie Rob Warnock von Apartment List sehen in dieser Entwicklung eine Art natürliche Marktregulierung. Neue Wohnungen, die zum Teil seit zwei Jahren in der Pipeline sind, werden jetzt fertiggestellt und erweitern das Angebot spürbar. Dies hat zur Folge, dass die Mietpreise seit ihrem Höhepunkt im Jahr 2022 langsam, aber deutlich um durchschnittlich 50 US-Dollar pro Monat beziehungsweise rund 3,5 Prozent gesunken sind.
Der erhöhte Wohnungsbestand wird auch an den gestiegenen Leerstandsraten deutlich. Die bundesweite Leerstandsquote liegt bei rund 6,3 Prozent – ein Höchststand in den letzten 15 Jahren. Diese Entwicklung stabilisiert grundsätzlich die Mietpreise und dämpft kurzfristig die Neubautätigkeit, da Investitionen weniger attraktiv erscheinen und die Profitabilität neuer Bauvorhaben zurückgeht. Fast zeitgleich mit dem Höchststand bei Fertigstellungen fällt die Anzahl der Bauanträge und Baustarts für neue Apartments deutlich. Die genehmigten Neubauvorhaben sind im Jahr 2024 um etwa 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken und sogar um 37 Prozent gegenüber einem Höhepunkt aus dem Jahr 2022.
Das bedeutet, dass 2024 das niedrigste Niveau an Baustarts seit über einem Jahrzehnt registriert wurde. Experten erwarten daher, dass die Fertigstellungen in den kommenden Jahren deutlich zurückgehen werden. Zudem wirken weitere Faktoren als Bremse auf den Wohnungsmarkt. Die Trump-Administration hatte während ihrer Amtszeit unter anderem hohe Zölle auf Baumaterialien verhängt, was die Kosten für Bauunternehmen deutlich in die Höhe trieb. Gleichzeitig erschwerten verschärfte Einwanderungskontrollen den Zugang zu Arbeitskräften, die ohnehin knapp sind.
Die Wohnungsbautätigkeit leidet dadurch nicht nur unter teureren Materialien, sondern auch unter einem Mangel an qualifizierten Fachkräften, die für den Bau notwendig sind. Darüber hinaus treiben aktuell deutlich höhere Zinsen die Finanzierungskosten von Bauprojekten in die Höhe. Ein Bauherr muss mehr Zinsen für Kredite zahlen, was die Projektkosten steigert und die Margen schmälern kann. Diese finanzielle Belastung schreckt manche Investoren und Entwickler ab, hier den Fokus stärker auszubauen. Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ist jedoch weiterhin groß.
Lange Zeit beklagten Wohnungsexperten einen erheblichen Mangel an Wohnungen – je nach Schätzung variiert der fehlende Wohnraum zwischen 1,5 und 5,5 Millionen Einheiten. Trotz des jüngsten Baubooms bleibt dieses Defizit bestehen, was die politische Debatte um Wohnungsbau, Regelungen und finanzielle Hilfen befeuert. Auf Bundesstaatsebene zeigt sich eine große Bandbreite in der Bautätigkeit. Während Bundesstaaten wie South Dakota, Utah, Arizona und Colorado hohe Genehmigungszahlen für neue Wohnungen verzeichnen, hinken Staaten wie Mississippi, Wyoming oder West Virginia weit hinterher. South Dakota hat es beispielsweise geschafft, den Bau neuer Wohnungen maßgeblich zu fördern, unter anderem durch ein Programm namens Housing Infrastructure Financing Program.
Dieses stellte 200 Millionen US-Dollar zur Verfügung, um Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen, Abwasseranlagen und Straßenbeleuchtung zu unterstützen und damit die Voraussetzung für neue Wohnviertel zu schaffen. Dieser Einsatz soll vor allem dem dort akuten Mangel an Arbeitskräften und Wohnungen begegnen. Die politische Dimension spielt überall eine Rolle. Aus verschiedenen Lagern kommt Kritik an den jeweils anderen Parteien. Während Republikaner in manchen Bundesstaaten den Fokus auf Zuschüsse und Förderprogramme legen, beklagen sich Demokraten oft über zu viele Vorschriften, Bürokratie und strenge Bauvorgaben – insbesondere in wirtschaftlich starken Ballungsräumen mit hohem Wohnraummangel.
Armand Domalewski von YIMBY Democrats for America weist darauf hin, dass strenge lokale Bauvorschriften, Zonenbestimmungen und Gebühren für Bauvorhaben insbesondere in sogenannten "blauen" Bundesstaaten oft als Haupthindernisse für mehr Wohnungsbau gelten. Anwendungen auf Bauvorhaben kommen deswegen häufig nicht schnell oder gar nicht voran. Zudem entsteht häufig Widerstand aus der Bevölkerung, die Sorge vor Verdichtung oder dem Charakterwandel ihrer Wohngebiete hat. California stellt hierfür ein prägnantes Beispiel dar. Dort wurde 2021 mit dem HOME Act ein Gesetz verabschiedet, das bezahlbaren Wohnraum fördern und Regulierungen vereinfachen sollte.
Dennoch kämpft die Umsetzung mit lokalem Widerstand und Verzögerungen, wodurch die schnellere Ausweitung von bezahlbarem Wohnraum gebremst wird. Im Jahr 2024 wurden weitere Maßnahmen verabschiedet, mit denen Gouverneur Gavin Newsom versucht, die Effizienz zurückzuerhalten und lokalen Widerstand einzudämmen. Die aktuellen Herausforderungen lassen eine klare Tendenz erkennen: Der Boom bei der Fertigstellung neuer Wohnungen ist zwar noch in vollem Gange, doch die Geschwindigkeit der Bautätigkeit verlangsamt sich deutlich. Prognosen gehen davon aus, dass die Starts von Bauprojekten noch im Jahr 2025 rückläufig bleiben werden, ehe sie sich auf einem moderateren Niveau stabilisieren. Dabei bleiben die Faktoren hoher Zinsen, steigende Baukosten und Arbeitskräftemangel zentrale Unsicherheitsfaktoren.
Aus Sicht von Experten kann die Verlangsamung kurzfristig auch eine gesunde Entwicklung sein, um die Balance zwischen Angebot und Nachfrage wiederherzustellen. Ein gekipptes Verhältnis, bei dem zu viele neue Wohnungen auf einmal auf den Markt kommen, führt zu sinkenden Preisen und weniger Anreizen für Investoren. Langfristig bleibt die Herausforderung, insbesondere in wirtschaftsstarken Regionen und Ballungsgebieten bezahlbaren und ausreichend Wohnraum zu schaffen. Insgesamt ist der amerikanische Wohnungsmarkt aktuell geprägt von einer ungewöhnlichen Dynamik: Einerseits erreicht die Zahl der neu fertiggestellten Wohnungen ein historisches Hoch, andererseits führt das stark erweiterte Angebot zu einer natürlichen Abkühlung der Bautätigkeit. Zudem halten die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen viele Herausforderungen für die Zukunft bereit.
Es bleibt abzuwarten, welche Strategien und Innovationen in den kommenden Jahren auf Bundes- und Landesebene hervortreten, um den bestehenden Wohnraummangel zu bekämpfen und gleichzeitig die Branche gegenüber den wirtschaftlichen Belastungen widerstandsfähiger zu machen. Die kommenden Jahre könnten entscheidend sein, um die Weichen für einen nachhaltigen, wohnungsbauorientierten Aufschwung zu stellen, der den Bedürfnissen einer wachsenden Bevölkerung gerecht wird – auch wenn die Tage des rasanten Baubooms vorerst wohl gezählt sind.