Südostasien ist eine der artenreichsten Regionen der Erde und beherbergt einige der größten tropischen Wälder mit enormen Kohlenstoffvorräten. Diese Wälder spielen eine entscheidende Rolle im globalen Klimasystem und im Erhalt der Biodiversität. In den letzten Jahrzehnten hat allerdings die fortschreitende Abholzung enorme ökologische und soziale Herausforderungen für die Region geschaffen. Traditionell sind die Ursachen der Abholzung vielfältig, darunter die Expansion der Landwirtschaft, Holzeinschlag, Infrastrukturentwicklung und Urbanisierung. In diesem komplexen Kontext gewinnt die Agroforstwirtschaft zunehmend an Bedeutung als praktikable und nachhaltige Strategie zur Reduzierung der Waldzerstörung, insbesondere in Wäldern mit hohem Kohlenstoffvorrat (High Carbon Stock, HCS).
\n\nAgroforstwirtschaft bezeichnet die Integration von Bäumen und Sträuchern in landwirtschaftliche Flächen. Diese Praxis vereint ökologische und sozioökonomische Vorteile, darunter verbesserte Bodengesundheit, gesteigerte Biodiversität, erhöhte landwirtschaftliche Produktivität und bedeutende Kohlenstoffspeicherung. Gerade in Südostasien, wo Agroforstsysteme auf unterschiedlichem Terrain – von Bergregionen über Feuchtgebiete bis hin zu Mangroven – existieren, bietet dieser Ansatz vielfältige Möglichkeiten für nachhaltige Landnutzung.\n\nEine bahnbrechende Untersuchung von Forscherteams aus der Region hat erstmals auf subnationaler Ebene die kausalen Effekte der Agroforstwirtschaft auf die Verringerung der Entwaldung quantifiziert. Die Studie zeigt, dass in 22 von 38 untersuchten Regionen der Kontinentalküste und Inselgebieten Südostasiens Agroforstwirtschaft signifikant zur Minderung der jährlichen Abholzungsrate beiträgt.
Insgesamt wird eine Nettoverminderung der Abholzung in der Größenordnung von über 250.000 Hektar pro Jahr verzeichnet – eine Fläche, die vergleichbar ist mit der Größe von Brandenburg oder Rheinland-Pfalz. Dadurch konnten jährlich fast 59 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente an Emissionen vermieden werden.\n\nDie positive Wirkung der Agroforstwirtschaft wird durch verschiedene Faktoren erklärt. Zum einen bietet sie den lokalen Gemeinschaften alternative Einkommensquellen und eine nachhaltige Versorgung mit Holz und Nahrungsmitteln.
Somit verringert sie den Druck, neue Waldflächen für landwirtschaftliche Zwecke zu roden. Zum anderen schaffen agroforstliche Baumkulturen und ihre Pflege eine stärkere Umweltbewusstseinsbildung, die den Wert der Wälder in der Gesellschaft hebt und illegale Rodungen reduziert. Dies stimmt mit der sogenannten Borlaug-Hypothese überein, welche besagt, dass intensivere landwirtschaftliche Produktion durch technische oder ökologische Innovationen die Notwendigkeit der Flächenerweiterung verringert.\n\nAllerdings gibt es auch differenzierte regionale Ausnahmen und Rückkopplungen. In einigen Regionen wie bestimmten Teilen Kambodschas konnte zwischen 2015 und 2023 durch Agroforstwirtschaft eine gegenläufige Tendenz zu erhöhter Abholzung beobachtet werden.
Solche Phänomene könnten mit indirekten Effekten zusammenhängen, wie dem Ausbau von Infrastruktur für besser erreichbare Märkte, steigender Profitabilität der Landnutzung oder Landnutzungswandel hin zu Agroforstsystemen mit hohem Kapitalvolumen, die wiederum neue Nachfrage nach Land erzeugen. Daher ist ein differenziertes Verständnis der sozioökonomischen Dynamiken unter Einbeziehung von Landrechten, Marktanbindung und politischen Rahmenbedingungen essenziell.\n\nDie Artenvielfalt an Agroforstsystemen in Südostasien ist beeindruckend. Traditionelle Hausgärten, in denen eine Vielzahl von Obst- und Heilbäumen mit Gemüsen und Wurzelpflanzen kombiniert wird, gehören genauso dazu wie agroforstliche Praktiken, die gezielt schnellwachsende Baumarten wie Akazien oder Eukalyptus mit Nutzpflanzen integrieren. Zudem ist die Einbindung nicht-holziger Waldprodukte wie Rattan oder Pilze weit verbreitet und bietet wichtige Einnahmequellen für indigene und lokale Gemeinschaften.
Diese vielfältigen Systeme zeichnen sich nicht nur durch ihre ökologische Funktionalität aus, sondern sind auch kulturell verwurzelt und sozial akzeptiert.\n\nEin weiterer wesentlicher Aspekt ist der enorme Kohlenstoffgehalt, der in südostasiatischen Agroforstlandschaften gespeichert wird. Mit durchschnittlich 60 bis 65 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar verfügen diese Systeme über die weltweit höchste Kohlenstoffdichte auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Dieser Wert unterstreicht die Bedeutung von Agroforstwirtschaft nicht nur als landwirtschaftliche Praxis, sondern auch als potente natürliche Klimaschutzmaßnahme. Angesichts der circa 80 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzter Agroforstflächen in der Region entspricht dies einem bedeutenden Beitrag zur Kohlendioxidspeicherung.
\n\nDie Untersuchung der Wissenschaftler machte sich umfangreiche Geodaten und statistische Methoden zunutze, um einen eindeutigen Kausalzusammenhang zwischen dem Vorkommen von Agroforstwirtschaft und der Änderung der Entwaldungsraten zu erstellen. Dabei wurden Regionen mit vergleichbaren klimatischen, topographischen und sozioökonomischen Bedingungen verglichen, um den isolierten Effekt der Agroforstwirtschaft präzise zu erfassen. Diese Methode minimiert Verzerrungen und erlaubt es, belastbare Aussagen für politische Entscheidungsprozesse zu treffen.\n\nBedeutsam ist auch, dass Agroforstwirtschaft häufig in sogenannten Mosaiklandschaften vorkommt – Gebieten, in denen Waldfragmente und landwirtschaftlich genutzte Flächen nebeneinander existieren. Agroforstsysteme tragen dort effektiv zum Schutz dieser Waldinseln bei und stärken die ökologische Vernetzung.
Die Fragmentierung von Lebensräumen ist weltweit eine der größten Bedrohungen für die Biodiversität, wobei Waldfragmente als wichtige Refugien, Korridore und genetische Puffer fungieren. Die agrarökologische Gestaltung der Landschaft durch Agroforstwirtschaft ermöglicht somit eine höhere Resilienz gegen Umwelteinflüsse.\n\nDas strategische Potenzial von Agroforstwirtschaft für die Erfüllung nationaler und regionaler Klimaziele ist enorm. So hat etwa Indonesien im Rahmen seiner Klimastrategie „FOLU Net Sink 2030“ die Ausweisung sozialer Forstwirtschaftsgebiete massiv ausgeweitet, in denen die Einbindung der lokalen Bevölkerung in nachhaltige Landnutzung – inklusive Agroforst - im Fokus steht. Neben der direkten Kohlenstoffbindung durch Bäume verhindern solche Programme auch indirekt Emissionen durch vermiedene Rodungen.
Dies könnte ein entscheidender Hebel sein, um Netto-Null-Emissionen im Forst- und Landnutzungssektor der Region zu erreichen.\n\nDamit Agroforstwirtschaft jedoch ihr volles Potential entfalten kann, sind gezielte politische Maßnahmen, die Sicherung von Landrechten und die Beteiligung indigener und lokaler Gemeinschaften unerlässlich. Erfahrungen zeigen, dass fehlende Landtitel und unklare Eigentumsverhältnisse oft Barrieren für nachhaltige Praktiken darstellen und Konflikte verschärfen. Auch müssen Marktstrukturen, Zugang zu Ressourcen und technische Unterstützung verbessert werden, um eine langfristige Perspektive für Agroforstwirte zu schaffen.\n\nNeben der Klimarelevanz leistet Agroforstwirtschaft einen wertvollen Beitrag zum Naturschutz und zur Verbesserung der Lebensgrundlagen der Menschen.
Durch Steigerung der biodiversitätsfreundlichen Produktion und die Bereitstellung vielfältiger Nahrungs- und Einkommensquellen trägt sie maßgeblich zur Armutsreduktion und Anpassung an den Klimawandel bei. So profitieren häufig auch benachteiligte ländliche Bevölkerungsgruppen von robusteren Ökosystemen und nachhaltiger Entwicklung.\n\nZusammenfassend lässt sich feststellen, dass Agroforstwirtschaft in Südostasien eine effektive und vielseitige Strategie darstellt, um die fortschreitende Abholzung zu reduzieren und nebenbei wichtige ökologische und soziale Ziele zu verfolgen. Das einzigartige Zusammenspiel von traditionellem Wissen, ökologischer Vielfalt und modernen wissenschaftlichen Methoden ermöglicht es, Landschaften so zu gestalten, dass Umweltschutz und wirtschaftlicher Fortschritt Hand in Hand gehen. Die Erfolge in unterschiedlichen südostasiatischen Regionen verdeutlichen, dass Investitionen in Agroforstwirtschaft nicht nur eine lokale Lösung sind, sondern auch einen globalen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
\n\nZukünftige Forschungs- und Entwicklungsarbeit sollte darauf abzielen, die komplexen sozioökonomischen und ökologischen Mechanismen weiter zu entschlüsseln, um maßgeschneiderte Förderprogramme zu entwickeln. Dabei ist es wichtig, die Stimmen der lokalen Gemeinschaften einzubeziehen, um nachhaltige und gerechte Landnutzungsmodelle zu etablieren. Nur durch integrative und evidenzbasierte Ansätze kann Agroforstwirtschaft als natürliche Klimaschutzlösung ihr volles Potenzial in den Wäldern Südostasiens entfalten und langfristig zur Sicherung unserer Umwelt beitragen.