Angel Investing, also das gezielte Investieren in junge, oft noch in der Gründungsphase steckende Unternehmen, ist für viele Menschen ein spannender Weg, um nicht nur potenziell hohe Renditen zu erzielen, sondern auch Innovationen und Gründer:innen zu unterstützen. Doch wie viel Geld lässt sich tatsächlich mit Angel Investing verdienen? Welche Herausforderungen und Fallstricke treten auf? Und ist diese Form der Kapitalanlage wirklich so lukrativ, wie oft behauptet wird? Diese Fragen sind essenziell für jeden, der sich mit dem Gedanken trägt, zum Angel Investor zu werden. Eine klare, transparente Bilanz zeigt überraschende Erkenntnisse auf und bringt Licht in die oft glamourös dargestellte Welt der Frühphaseninvestitionen. Zunächst einmal muss man verstehen, wie sich das typische Portfolio eines Angel Investors zusammensetzt und wie die Renditen in der Realität aussehen. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass ein großer Anteil der Investitionen auf der Strecke bleibt – manche Unternehmen scheitern komplett, andere liefern gerade genug Rendite, um den Kapitaleinsatz zu halten, und nur wenige schaffen tatsächlich hohe Gewinne.
Diese Verteilung wird oft als „Regel der Drittel“ bezeichnet: Ein Drittel der Investments gehen komplett verloren, ein Drittel laufen auf Null herum oder brechen sogar Kapital ein, und ein Drittel generieren die Gewinne, die das gesamte Portfolio ausgleichen oder profitabel machen können. Bei mir persönlich hat sich diese Regel weitgehend bestätigt. Rund 38 Prozent meiner Angel Investments sind komplett verloren gegangen, was bedeutet, dass das eingesetzte Kapital komplett abgeschrieben werden musste. Das ist auf den ersten Blick ernüchternd, entspricht aber der hohen Risikoklasse, in der sich Angel Investments bewegen. Zudem ist es wichtig zu berücksichtigen, dass der Investitionshorizont in der Regel sehr lang ist; es kann zehn Jahre oder mehr dauern, bis eine Bewertung realisierbar wird durch Unternehmensverkäufe oder Börsengänge.
Ein auffälliger und oft wenig beachteter Aspekt ist, dass viele Übernahmen von Start-ups – selbst wenn sie öffentlich als Erfolg dargestellt werden – frühere Investoren kaum oder gar keinen Gewinn bringen. In meinem Fall wurden etwa 32 Prozent meiner Portfoliofirmen durch Übernahmen ausgezahlt. Doch von diesen Übernahmen kehrte fast 70 Prozent weniger Kapital zurück, als ursprünglich investiert wurde. Dies zeigt, dass nicht jede Übernahme auch ein finanzieller Gewinn ist. Einige wurden im Austausch gegen Anteile des erwerbenden Unternehmens abgewickelt, was langfristig für Liquidität sorgen kann, aber auch den Gesamtwert nur dann steigert, wenn das Akquisitionsunternehmen floriert.
So konnten tatsächlich nur rund 8 Prozent meiner Angel Investments echte Gewinne abwerfen, mit Renditen im Bereich von fünf- bis einundzwanzigfacher Rückzahlung des investierten Kapitals. Diese Zahlen klingen vielleicht verlockend, doch angesichts der vielen mit Angel Investing verbundenen Risiken und der langen Kapitalbindung sind sie auch Teil einer hohen Risikoprämie. Wichtig ist hierbei, die Illiquidität zu verstehen: Im Gegensatz zum Handel mit Aktien an Börsen ist das Geld in Start-up-Investitionen meist für Jahre gebunden und es gibt keine Möglichkeit, rasch auszusteigen. Der Vergleich zum Investieren in öffentlich gehandelte Einzelaktien zeigt zudem weitere wichtige Unterschiede. Zwar gibt es auch hier Volatilität und Risiko, doch sind die Kapitalanlagen liquider und tendenziell weniger riskant.
So habe ich von Aktien auf handelsüblichen Plattformen zwar keinen Gewinn von über 21-fach erleben dürfen, aber auch keine Totalverluste. Die maximale Rendite lag hier bei knapp sechsfacher Kapitalvervielfachung, was im Vergleich zum Risiko von Start-ups zwar geringer ist, aber entsprechend sicherer und flexibler. Neben den monetären Aspekten ist auch die Beziehung zu den Gründerteams ein zentraler Punkt beim Angel Investing. Leider ist es nicht selten, dass frühere Investoren bei wichtigen Firmenereignissen wie Übernahmen oder Finanzierungsrunden kaum informiert oder gar von externen Quellen wie Anwälten in Kenntnis gesetzt werden. Solche Erlebnisse zeigen, wie wichtig Transparenz und Kommunikation sind, um das Vertrauen zwischen Gründern und Investoren zu erhalten.
Gerade in meiner Erfahrung war oft enttäuschend, dass Informationen nicht direkt vom Management kamen, sondern durch formelle Kanäle überbracht wurden, wodurch sich das Engagement auch emotional belastend anfühlen kann. Auch wenn die Ergebnisse meines Angel Investing bisher eher enttäuschend ausfallen, bleibe ich Realist. Etwa die Hälfte meiner Investments sind noch aktiv, und einige von diesen haben vielversprechende Wachstumsperspektiven. Trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass alle oder auch nur die Mehrheit dieser Aktiven das Potenzial haben, die bisherigen Verluste auszugleichen. Es braucht also nur wenige sehr erfolgreiche „Kracher“, um die Bilanz zu retten – was aber niemals garantiert ist.
Diese Erfahrungen spiegeln auch grundlegende Erwartungen wider, die man als Angel Investor mitbringen sollte: Man braucht eine hohe Risikobereitschaft, Geduld und eine klare Vorstellung davon, dass nicht alle Investitionen erfolgreich sein werden. Vielmehr handelt es sich um eine Wette auf Innovation und unternehmerischen Erfolg, die oft eher einer Lotterie gleicht. Nur sehr wenige Unternehmen, wie etwa Uber, Airbnb oder Stripe, schaffen es zu den ganz großen Gewinnern zu gehören und die Investoren mit Millionengewinnen zu belohnen. Diese Erfolgsgeschichten bekommen verständlicherweise viel Aufmerksamkeit, doch sie sind die Ausnahme und nicht die Regel. Wichtige Lehren aus meiner Angel Investing-Reise sind daher, dass man entsprechend breit diversifizieren sollte, sich der Risiken bewusst sein muss und dass es auf lange Sicht viel Geduld und Durchhaltevermögen bedarf.
Zudem ist eine aktive und transparente Kommunikation mit den Gründerteams elementar, um in Phasen der Unsicherheit und Umstrukturierungen nicht übergangen zu werden. Im Vergleich zu anderen Anlageklassen kann Angel Investing dennoch eine sinnvolle Ergänzung im Portfolio sein, vor allem wenn man neben den finanziellen Erträgen auch den Wunsch hat, Innovation und Unternehmertum zu fördern. Dabei sollte man sich darüber im Klaren sein, dass in vielen Fällen der finanzielle Erfolg ausbleibt oder erheblich hinter den Erwartungen zurückbleibt. Insgesamt zeigt die Bilanz meines Angel Investing, dass der Mythos der schnellen, leichten und überdurchschnittlichen Gewinne trotz aller schönen Geschichten und Anekdoten in Wahrheit eine Herausforderung ist. Ehrlichkeit, Transparenz und realistische Erwartungen sind essentiell, um die Komplexität, die Illiquidität und das Risiko dieser Anlageklasse zu verstehen.
Wer bereit ist, dieses Spiel zu spielen, sollte sich gut informieren, gut streuen und vor allem Geduld mitbringen. Denn zum gegenwärtigen Zeitpunkt habe ich pro investiertem Euro rund 31 Cent zurückerhalten – ein Ergebnis, das noch deutlich verbessert werden kann, aber auch lange Jahre durchzuhalten erfordert.