In den letzten Quartalen haben viele Unternehmen robuste und oft sogar überraschend starke Ergebnisse vorgelegt. Die Berichtssaison hat die Erwartungen vieler Investoren weitgehend übertroffen und für eine positive Stimmung an den Börsen gesorgt. Das Aktienbarometer S&P 500 erreichte kürzlich seine längste Gewinnserie seit zwei Jahrzehnten, was unter anderem auf die befriedigenden Ertragszahlen der Konzerne zurückzuführen ist. Trotz dieses kurzfristigen Aufschwungs warnen jedoch einige Finanzexperten und Analysten, dass das Bild trügerisch sein könnte und die solide Lage nicht von Dauer sein wird. Ein wesentlicher Grund für die Skepsis liegt in der Komplexität und Unvorhersehbarkeit der aktuellen Handelspolitik, insbesondere in Bezug auf Zölle und Handelsbarrieren, die vor allem durch die Politik der US-Regierung unter Präsident Donald Trump geprägt sind.
Die Einführung und mögliche Verschärfung von Zolltarifen wirkt sich bereits jetzt auf die Geschäftsstrategien vieler Unternehmen aus und könnte in Zukunft zu einer deutlichen Belastung der Gewinnmargen führen. Viele Unternehmen haben sich bislang dazu entschieden, die Auswirkungen dieser Zölle in ihren Prognosen nicht umfassend zu berücksichtigen. Teilweise herrscht große Unsicherheit darüber, wie stark und in welchem Umfang die Tarifpolitik tatsächlich durchgesetzt wird. Einige Firmen halten sich im Umgang mit dem Thema vornehm zurück oder haben ihre Gewinnprognosen vorläufig ausgesetzt. Diese Vorsicht wird auch von Analystenseite gespiegelt, denn viele Finanzexperten warten auf weitere Klarstellungen seitens der Politik, bevor sie ihre Schätzungen anpassen.
Die Deutsche Bank etwa hat in einer Analyse explizit darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Auswirkungen der Tarifmaßnahmen noch nicht vollständig in den Konsensschätzungen der Wall-Street-Analysten eingepreist sind. Die Experten sehen dabei erhebliches Abwärtspotenzial. Sollte sich die US-Regierung an den ursprünglich angekündigten Zolltarifen festhalten und diese implementieren, könnte dies nach Einschätzung der Deutschen Bank zu einem Rückgang der Gewinne im S&P 500 von rund 15 Prozent im laufenden Jahr führen. Diese Prognose steht im deutlichen Gegensatz zum derzeit vorherrschenden Marktkonsens, der mit einem überschaubaren Gewinnrückgang von etwa vier Prozent im aktuellen Quartal rechnet und von einer Erholung im weiteren Jahresverlauf ausgeht. Die Schätzungen der Deutschen Bank zeigen außerdem, dass sich das Gewinnwachstum im Verlauf des Jahres noch weiter verschlechtern könnte: Im dritten Quartal könnte der Rückgang bei etwa zehn Prozent liegen, im vierten Quartal sogar bei dreizehn Prozent.
Für die Analysten ist dieser negative Trend eng mit dem Handlungsverlauf der US-Administration und den tatsächlichen Handelsabkommen verbunden, die aktuell mit über 70 Ländern verhandelt werden. Sollte es hierbei zu Entspannung und einer signifikanten Lockerung der Handelsrestriktionen kommen, könnte sich die negative Entwicklung zwar abmildern, darauf will sich die Bank aber vorsichtig nicht verlassen. Die positive Entwicklung bei den Aktienrückkäufen stellt ein weiteres Indiz für die derzeitige Widerstandsfähigkeit vieler Unternehmen dar. Unternehmen greifen verstärkt darauf zurück, um den Aktienkurs und das Vertrauen der Investoren zu stützen. Gleichzeitig ist dies aber auch ein Signal dafür, dass organisches Wachstum und Gewinnsteigerungen durch das operative Geschäft unter derzeitigen Bedingungen schwieriger werden könnten.
Neben den direkten Auswirkungen der Zölle ist auch die allgemeine Unsicherheit in der Weltwirtschaft ein entscheidender Faktor. Internationale Lieferketten werden durch handelspolitische Spannungen belastet, und Unternehmen müssen zunehmend höhere Kosten einkalkulieren. Gerade in Branchen mit engen Margen kann das erhebliche Gewinneinbußen bedeuten. Die Anpassung an neue Rahmenbedingungen erfordert oft Zeit, und in der Zwischenzeit wirken solche Unsicherheiten hemmend auf Investitionen und Expansion. Zudem ist zu beachten, dass die Erholung der Unternehmensgewinne in der Vergangenheit häufig zyklischen Schwankungen unterlag.
Die gegenwärtige Stärke steht vor dem Hintergrund eines günstigen Konjunkturumfelds, das sich allerdings schnell ändern kann. Verschärft werden diese Risiken durch die bereits erwähnte handelspolitische Unsicherheit, aber auch durch mögliche Zinserhöhungen, die Kosten für Unternehmen und Verbraucher erhöhen könnten. Die Kombination aus anhaltenden politischen Risiken, steigenden Importkosten und der zögerlichen Kommunikation vieler Unternehmen zu den tatsächlichen Auswirkungen auf ihre Geschäftsentwicklung sorgt dafür, dass sich Analysten zunehmend vorsichtig zeigen. Während die kurzfristigen Zahlen noch beeindruckend sind, warnen viele Experten davor, die glänzenden Gewinnberichte als Zeichen einer dauerhaft starken Wirtschaftslage zu deuten. Für Investoren bedeutet das eine gesteigerte Vorsicht.