In Kuba ist das Internet teuer und oft schwer zugänglich, was zu einer ganz besonderen Form der digitalen Informationsbeschaffung und Unterhaltung geführt hat: El Paquete Semanal. Dieser Begriff bezeichnet eine wöchentlich zusammengestellte Sammlung von bis zu einem Terabyte an digitalem Inhalt, die offline über physische Speichermedien wie Festplatten und USB-Sticks weitergegeben wird. Erfahren Sie, wie El Paquete Semanal seit seiner Entstehung im Jahr 2008 zum unverzichtbaren Medium für Millionen von Kubanern geworden ist und welche Rolle es in der kubanischen Gesellschaft spielt. Die Internetinfrastruktur in Kuba ist noch immer stark eingeschränkt. Trotz Fortschritten und gewissen Investitionen, darunter den Internetcafés von ETECSA, dem staatlichen Anbieter, ist der Zugang zum weltweiten Netz nicht überall und nicht für jedermann gewährleistet.
Mit Stand 2018 hatten nur etwa 38,8 Prozent der kubanischen Bevölkerung regelmäßigen Internetzugang, oftmals zu hohen Kosten und nur mit eingeschränkter Bandbreite. Diese Situation führte zum Aufkommen alternativer Lösungswege, die die Kluft zwischen dem Bedarf an digitaler Information, Entertainment und Kommunikation und der begrenzten Verfügbarkeit des Internets überbrücken sollten. El Paquete Semanal entstand genau in diesem Kontext und hat sich seither als „offline Internet“ Kubas etabliert. Die pakete werden Woche für Woche von unbekannten Herausgebern zusammengestellt und enthalten ein breites Spektrum an digitalen Inhalten, die sonst nur schwer oder im Fall von Streaming-Diensten gar nicht erreichbar wären. Das Angebot reicht von internationalen und regionalen Fernsehserien, europäischen und amerikanischen Seifenopern, populärer Musik, aktuellen Filmen und Bildungsinhalten bis hin zu Software, Nachrichten sowie Werbeanzeigen lokaler kubanischer Unternehmen.
Diese inoffizielle digitale Schatzkiste wird dabei nicht einfach als Ganzes verkauft. Vielmehr kommt es häufig vor, dass Käufer sich nur einzelne Abschnitte oder Kategorien aussuchen. Die Preisgestaltung ist äußerst erschwinglich, mit einzelnen Paketen, die schon für nur einen US-Dollar erhältlich sind. Es ist eine wirtschaftliche Alternative, die die überwiegend junge Bevölkerung Kubas dazu befähigt, mit digitalen Trends mitzuhalten, ohne über einen kostspieligen Internetzugang zu verfügen. Interessant ist dabei die scheinbare Selbstregulierung beziehungsweise Zensur im Inhalt von El Paquete.
Pornografisches Material ist nicht enthalten, ebenso wenige regierungskritische Berichte oder oppositionelle Inhalte. Diese Eigenschaften haben Spekulationen ausgelöst, dass der kubanische Staat möglicherweise eine Art indirekte Rolle bei der Zusammenstellung des Pakets spielen könnte. Offiziell ist die Herkunft der Inhalte und die Identität der Produzenten jedoch unbekannt. Trotzdem ist El Paquete ein Phänomen, das auch im Ausland Beachtung findet, unter anderem wegen seines innovativen Charakters im Umgang mit Informationssperren. Im Laufe der Zeit hat das „digitale Paket“ auch Einfluss auf die kubanische Wirtschaft genommen.
Dank einer Reform von 2011 durften private Unternehmen Werbung schalten. Das führte zu einer Partnerschaft mit der kubanischen Werbefirma Etres, die lokale Geschäfte in El Paquete bewirbt. Kleine Werbeclips oder Poster für Restaurants, Werkstätten oder andere Dienstleistungen werden gegen eine geringe Gebühr in das Paket integriert. Das zeigt, dass El Paquete nicht nur ein Kultur- und Informationsträger ist, sondern auch zu einer Plattform für den Handel und wirtschaftliche Aktivitäten im ländlichen wie urbanen Kuba wurde. Parallel zu El Paquete versuchte die kubanische Regierung, eigene Medienpakete bekannt zu machen, die ähnliche Funktionen erfüllen sollten.
„Mochila“ oder „Maletín“ (auf Deutsch Ranzen oder Aktentasche) ist eine weitere Offline-Sammlung, die unter staatlicher Kontrolle produziert wurde und klassische Filme, Musik sowie Bildungsinhalte anbot. Allerdings konnte sie nicht annähernd die Popularität von El Paquete erreichen und blieb in der kubanischen Bevölkerung weitgehend unbeliebt. Die Verbreitung von El Paquete erfolgt auf informellen Wegen, oft durch ein Netzwerk von Vermittlern und Verkäufern, die das Paket kopieren und weitergeben. Dies ist ein typisches Beispiel für Sneakernet, ein Begriff für Datentransfer ohne Internet, sondern rein über physische Medien. Die Plattformen, auf denen man El Paquete heute auch online finden kann, vor allem im Ausland, erlauben es Kubanern und Interessenten, bereits vor der eigentlichen Auslieferung einen Blick auf die kommenden Inhalte zu werfen.
Damit ist die Transparenz und Attraktivität des Angebots nochmals gestiegen. Das Phänomen El Paquete Semanal illustriert eindrucksvoll, wie kreative Lösungen Informationszugang ermöglichen können, auch wenn die konventionellen Wege blockiert oder eingeschränkt sind. Für viele Kubaner ist es heute der wichtigste Zugang zu globaler Unterhaltung, Wissen und Software ohne die Internetverbindung. Dabei prägt es das Alltagsleben, die Kultur und zunehmend auch den Wirtschaftsraum Kuba. Die Bedeutung von El Paquete geht weit über bloße Unterhaltung hinaus.
Es steht für den Widerstand gegen Informationssperren und symbolisiert, wie vernetzte Gemeinschaften auch in widrigen Umständen Zugang zu digitalen Inhalten schaffen können. Während sich Kuba langsam, aber sicher Richtung besserer Internetinfrastruktur bewegt und öffentliche WLAN-Zonen sowie mobile Datenangebote wachsen, bleibt El Paquete ein Zeugnis für Einfallsreichtum und kollektiven Geist. Zukünftig wird spannend sein zu beobachten, ob El Paquete bestehen bleibt oder durch verbessertes Internet obsolet wird – vor allem, da das kubanische Staatsunternehmen ETECSA verstärkt in den Ausbau von Diensten investiert. Doch die offline Weitergabe von kulturellen und informativen Inhalten wird vermutlich weiterhin eine Rolle spielen, nicht zuletzt wegen der geringen Kosten und der großen Beliebtheit. El Paquete Semanal ist daher mehr als nur ein digitales Paket.
Es ist eine kulturelle Bewegung, ein Symbol für Zugänglichkeit und Selbstorganisation in einer Zeit der digitalen Fragmentierung. Für Außenstehende eröffnet es einen einzigartigen Einblick in die kubanische Gesellschaft, die sich trotz technischer und politischer Herausforderungen Wege sucht, mit der Welt verbunden zu bleiben. Die Geschichte von El Paquete zeigt, dass Digitalisierung nicht nur vom Netz abhängt, sondern auch von den Menschen und ihrer Innovationskraft.