John Young war eine herausragende Persönlichkeit, deren Lebenswerk tief in der Geschichte des Internets und der Informationsfreiheit verankert ist. Als Mitbegründer von Cryptome prägte Young eine Pionierphase der digitalen Aufklärung, weit bevor Organisationen wie WikiLeaks oder OpenLeaks die globale Bühne betraten. Sein Engagement für die Öffentlichkeit, Informationen zugänglich zu machen, war geprägt von einer festen Überzeugung, dass jeder Bürger ein Recht auf Wahrheit und Transparenz hat. Geboren und aufgewachsen in Texas mit einer nomadischen, streckenweise entbehrungsreichen Kindheit, entwickelte Young früh ein Gespür für gesellschaftliche Ungerechtigkeiten und die Bedeutung von Widerstand gegen staatliche Geheimhaltung. Seine Jugend wurde maßgeblich durch die studentischen Proteste an der Columbia University 1968 geprägt, bei denen er gegen Krieg und institutionellen Rassismus demonstrierte.
Diese Erlebnisse legten den Grundstein für seinen späteren Kampf gegen Zensur und staatliche Kontrolle. John Young war von Beruf Architekt, eine Tatsache, die sein späteres Schaffen an der Schnittstelle von Technik, Design und Information maßgeblich beeinflusste. Zusammen mit seiner Partnerin Deborah Natsios, ebenfalls Architektin, gründete er 1996 Cryptome. Die beiden verfügten über außergewöhnliche Lebenserfahrungen: Natsios wuchs in verschiedenen Ländern auf und war durch ihren Vater, einen CIA-Mitarbeiter, früh mit den Schattenseiten staatlicher Geheimhaltung konfrontiert. Die gemeinsame Haltung zu Freiheit und Transparenz formte die Philosophie hinter Cryptome.
Cryptome war kein gewöhnliches Archiv. Es war eine mutige, radikale Plattform, die sich der Veröffentlichung von Dokumenten widmete, die Regierungen weltweit lieber verborgen gehalten hätten. Besonders zu Beginn der 1990er Jahre, genau in einer Zeit, in der das Internet seine ersten Gehversuche machte, kam eine Debatte um Kryptographie und Verschlüsselungstechniken auf. John Young erkannte die Bedeutung dieser Themen früh und nutzte Cryptome, um Materialien zu veröffentlichen, die sonst schwer zugänglich waren. So wurde die Plattform zu einem Zentrum für Aktivisten, Forscher und Cyber-Enthusiasten.
Ein zentrales Thema in Youngs Arbeit war die kontroverse Rolle der Kryptographie. In den USA wurde damals starke Verschlüsselung wie eine Waffe behandelt und streng reguliert. Die Veröffentlichung der Software Pretty Good Privacy (PGP) durch Phil Zimmermann löste eine intensive Debatte aus und wurde sogar von den Behörden verfolgt. Inspiriert von diesem Kampf um die Verschlüsselungsfreiheit verfolgte Young mit Cryptome das Ziel, Bürgern Zugang zu Informationen zu ermöglichen, die ihnen eine aufgeklärte Entscheidung erlaubten, unabhängig von staatlichen Interessen. Das Design und die Struktur von Cryptome spiegelten Youngs architektonische Denkweise wider.
Statt modischer Oberflächen oder benutzerfreundlicher Schnittstellen stand die Funktionalität im Vordergrund. Die Webseite wirkt auf den ersten Blick oft sperrig und technisch, aber sie bot Zugang zu fast 70.000 Dokumenten – von Regierungsberichten über Spionageaktivitäten bis hin zu Informationen über Atomwaffenarsenale. Obwohl manche Inhalte veraltet oder fehlerhaft waren, verstand Young seine Rolle als Archivist, nicht als journalistischer Faktenprüfer. Seine Aufgabe war es, die Informationen zu bewahren und zugänglich zu machen, nicht sie zu interpretieren oder zu bewerten.
Cryptome war nicht frei von Kontroversen und Konfrontationen mit Behörden. Trotz gelegentlicher Einschüchterungsversuche durch FBI und andere Behörden kam es nie zu gravierenden Konsequenzen. Ein besonders bekannter Vorfall betraf Microsoft, die versuchten, das Archiv aus dem Netz nehmen zu lassen, nachdem Cryptome ein internes Dokument veröffentlicht hatte, das zeigte, wie das Unternehmen an Sicherheitsbehörden Kundendaten weitergab. Das Vorgehen gegen Cryptome führte zu öffentlicher Empörung und letztlich zum Rückzug des Konzerns. John Youngs Verhältnis zu anderen Transparenzbewegungen war ambivalent.
Besonders sein späterer Konflikt mit WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist bemerkenswert. Anfangs unterstützte Young sogar die Domain-Registrierung für WikiLeaks, doch eine fundamentale Meinungsverschiedenheit in Bezug auf Ethik und Finanzierung ließ die beiden Lager auseinanderdriften. Young kritisierte Assange scharf für dessen Fokus auf Geld und warf ihm vor, die reine Idee der Transparenz kommerziell auszubeuten. Ein weiterer Kritikpunkt Youngs war die zurückhaltende Strategie um den Snowden-Leak 2013. Während Edward Snowden eine riesige Menge an geheimen NSA-Dokumenten an ausgewählte Medien und Journalisten weitergab, kritisierte Young, dass die vollständige Veröffentlichung verweigert wurde.
Für ihn war die Einschränkung der Verbreitung dieser Informationen inakzeptabel und ein Verrat an der ursprünglichen Idee der Offenlegung. Persönlichkeiten wie Cindy Cohn von der Electronic Frontier Foundation betonten häufig, wie unspektakulär John Young als Person war, während er dennoch einen enormen Einfluss hatte. Hinter der schlichten, manchmal technisch anmutenden Webpräsenz von Cryptome steckte eine leidenschaftliche und unbeirrbare Haltung. Young vereinte seine Kenntnisse als Architekt und seine tiefen Überzeugungen zu einem einzigartigen Projekt, das die Informationsfreiheit von Grund auf neu definierte. Während viele andere Akteure im Bereich der Leaks und digitalen Offenlegungen sich im Laufe der Jahre kommerziell orientierten oder politische Machtspiele spielten, blieb Young stets seinem Grundprinzip treu.
Er betrachtete Cryptome als einen öffentlichen Dienst, den man nicht monetarisieren dürfe. Dieses Ideal zeichnete ihn aus und sicherte der Plattform lange Zeit ihre Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit. John Young hielt Cryptome bis ins hohe Alter am Laufen, und das nicht ohne persönliche Opfer. Trotz gesundheitlicher Probleme blieb er aktiv und kämpfte weiter für eine offene Gesellschaft. Am 28.
März 2025 verstarb er im Alter von 89 Jahren in New York, der Stadt, die er über Jahrzehnte sein Zuhause nannte. Sein Vermächtnis lebt weiter in Cryptome und in den Grundsätzen, die er in einer Zeit etablierte, in der digitale Transparenz noch in den Kinderschuhen steckte. Seine Arbeit hat das Verständnis von Informationsfreiheit erweitert und Initiativen wie WikiLeaks geprägt, auch wenn er zu deren Umgang mit Ethik und Finanzierung kritisch stand. John Youngs Geschichte zeigt, wie technisches Wissen, kritisch-politisches Engagement und ein starkes Wertefundament miteinander verknüpft sein können. Seine Rolle als einer der ersten digitalen Archivare macht ihn zu einer Schlüsselfigur im Kampf für Bürgerrechte im digitalen Zeitalter.
Denn trotz aller Widrigkeiten bleibt die Überzeugung, dass Information Macht bedeutet und der Zugang zu Wahrheit nicht verhandelbar sein darf. Sein Leben und Wirken erinnern uns daran, dass Transparenz und Offenheit die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft sind. Das Beispiel John Youngs und die Plattform Cryptome geben Inspiration für heutige und zukünftige Generationen, digitale Werkzeuge zu nutzen, um Freiheit zu schützen und niemals aufzugeben – ganz gleich, wie herausfordernd der Kampf auch sein mag.