Im Jahr 2023 erschütterte ein massiver Sicherheitsvorfall die Kryptowelt: Über 210 Millionen Dollar an Nutzergeldern wurden im Zuge eines Hacks beim Cross-Chain-Protokoll Multichain gestohlen. Der Vorfall zeigte nicht nur die Verwundbarkeit zentral gesteuerter Blockchain-Infrastrukturen, sondern auch die Herausforderungen bei der Wiederherstellung von Nutzervermögen nach solchen Vorfällen. Die jüngste gerichtliche Entscheidung am High Court von Singapur dürfte nun als Wendepunkt im Umgang mit großen Krypto-Hacks gelten. Sonic Labs, ehemals bekannt als Fantom Foundation und selbst vom Multichain-Hack betroffen, konnte eine gerichtliche Anordnung zur Liquidation der Multichain Foundation Ltd. durchsetzen.
Diese Maßnahme könnte den betroffenen Nutzern endlich eine Chance auf Schadensersatz bieten und markiert ein wichtiges Signal für das Vertrauen in die Branche. Multichain war einst eine der populärsten Cross-Chain-Lösungen und ermöglichte es Nutzern, Vermögenswerte zwischen mehr als zehn verschiedenen Blockchains zu transferieren. Zu den unterstützten Netzwerken zählten namhafte Ökosysteme wie Ethereum, BNB Chain, Polygon und Fantom. Die Plattform war für ihre vermeintliche Dezentralisierung und einfache Interoperabilität bekannt. Doch trotz dieser Ambitionen offenbarte sich eine zentrale Schwachstelle: Der CEO Zhaojun verfügte über Alleinzugriff auf die wichtigsten Verwaltungsschlüssel.
Diese Konzentration von Kontrolle wurde letztlich zur Achillesferse, als im Sommer 2023 plötzlich unerklärliche Abhebungen in Milliardenhöhe registriert wurden. Die Ermittlungen deckten auf, dass es sich um einen gezielten Eingriff handelte, bei dem der Angreifer oder die Angreiferin Zugriff auf die privaten Schlüssel erhalten hatte. Dieser Zugriff ermöglichte das unautorisierte Verschieben von Vermögenswerten der Nutzerinnen und Nutzer, womit große Teile der finanziell involvierten DeFi-Projekte und Applikationen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Sonic Labs gab an, dass alleine Anwendungen im Fantom-Netzwerk etwa ein Drittel der Verluste schultern mussten. Die Tragweite des Hacks wurde schnell zum Gesprächsthema in der gesamten Krypto-Community und löste eine Debatte um die Sicherheit, Dezentralisierung und Verantwortlichkeit bei Cross-Chain-Bridges aus.
Vor diesem Hintergrund initiierte Sonic Labs juristische Schritte gegen die Multichain Foundation Ltd., um den entstandenen Schaden zumindest teilweise durchzusetzen. Mehrere Monate später erging am 9. Mai 2025 eine wegweisende Entscheidung des High Courts von Singapur: Ein Auslöschungs- beziehungsweise Liquidationsbefehl gegen Multichain wurde offiziell genehmigt. Die Gerichtsbarkeit hatte bereits im Vorfeld ein Default-Urteil zu Gunsten von Sonic Labs gefällt, nachdem die Vertreter von Multichain nicht vor Gericht erschienen waren.
Das Gericht wertete das unbestrittene Beweismaterial aus und wies die Klage von Sonic Labs als rechtmäßig ein. Zur Verwaltung des Liquidationsverfahrens wurden drei erfahrene Liquidatoren von KPMG Services Pte. Ltd. eingesetzt: Bob Yap Cheng Ghee, Toh Ai Ling und Tan Yen Chiaw fungieren nun als gemeinschaftliche Verantwortliche für die Abwicklung der Multichain Foundation. Ihre Aufgabe ist es nicht nur, die verbliebenen Vermögenswerte des Unternehmens zusammenzutragen und zu verwerten, sondern auch die ausstehenden Forderungen von betroffenen Parteien wie Sonic Labs zu prüfen und zu bedienen.
Mit dieser gerichtlichen Sanktion wird erstmals systematisch versucht, die durch den Hack verursachten finanziellen Schäden zu minimieren und die Liquidität teilweise zurückzuerlangen. Diese juristische Entwicklung verdeutlicht die zunehmende Bereitschaft der Justiz und der Branche, gegen schlechte Sicherheitspraktiken und Nachlässigkeiten in der Verwaltung von Nutzergeldern vorzugehen. Im Gegensatz zu früheren Fällen, bei denen Opfer von Hacks oft ohne Regressmittel blieben, scheint sich ein Trend zu etablieren, der verstärkte Rechenschaftspflicht und regulatorische Maßnahmen vorsieht. Für viele Krypto-Projekte, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, könnte dies in den kommenden Jahren bahnbrechende Präzedenzfälle schaffen. Die zentrale Debatte um die Sicherheit von Cross-Chain-Bridges und die Risiken der Zentralisierung von Kontrollbefugnissen wurde durch den Multichain-Fall neu entfacht.
Bridges gelten zwar als Schlüsselkomponenten für Interoperabilität in der Blockchain-Welt, doch das Beispiel Multichain zeigt, wie kritisch das Design der Zugriffsrechte und absichernder Mechanismen ist. Experten fordern seit Langem verstärkt dezentrale Verwaltungsmodelle, Multi-Signatur-Wallets und umfassende Code-Audits, um Angriffe dieser Art zu verhindern. Die Insolvenz von Multichain könnte einen Weckruf für die Entwickler-Community darstellen, die Sicherheit ihrer Protokolle als oberste Priorität zu wahren. Parallel zum Multichain-Hack erleben wir ein Rekordhoch an Krypto-Sicherheitsvorfällen. Laut eines Berichts der Blockchain-Sicherheitsfirma Immunefi war das erste Quartal 2025 das bislang schlimmste Quartal in der Geschichte der Branche hinsichtlich Hacks und finanzieller Verluste.
Insgesamt beliefen sich die Schäden auf etwa 1,64 Milliarden Dollar, verteilt auf 39 unterschiedliche Attacken. Besonders betroffen waren hierbei zentralisierte Börsen (CeFi), mit spektakulären Verlusten in Milliardenhöhe bei Plattformen wie Phemex und Bybit. Verantwortlich gemacht wird die als staatlich unterstützte Hackergruppe Lazarus, die für 94 Prozent der Gesamtschäden verantwortlich sein soll. Im Gegensatz dazu haben dezentrale Finanzprotokolle (DeFi) zwar wesentlich mehr Sicherheitsvorfälle erlitten, jedoch mit vergleichsweise geringeren Schadenssummen. Die Summe der Verluste in diesem Segment lag bei etwa 106,8 Millionen Dollar und damit deutlich unter dem Vorjahresquartal.
Diese Daten deuten darauf hin, dass trotz der Herausforderungen bei DeFi-Protokollen eine gewisse Resilienz gegenüber groß angelegten Angriffen besteht – oder alternativ, dass Angreifer mittlerweile vor allem auf lukrativere und zentralisierte Ziele abzielen. Vor diesem Hintergrund nimmt der Fall Multichain eine besondere Bedeutung ein. Er zeigt, dass technische Defizite und Managementfehler selbst bei dezentralen Protokollen zu enormen Schaden führen können, wenn die Governance-Struktur zentralisierte Macht konzentriert. Gleichzeitig illustriert die entsprechende gerichtliche Reaktion, dass Nutzer und Beteiligte wirksame juristische Mittel ergreifen können, um Gerechtigkeit zu suchen und Vermögenswerte zurückzufordern. Die Zusammenarbeit mit professionellen Liquidatoren aufseiten von KPMG unterstreicht zudem den wachsenden Einfluss traditioneller Wirtschaftsprüfer und Rechtsinstitutionen in der regulierten Kryptoszene.
Nutzer und Anleger, deren Gelder beim Multichain-Hack verloren gingen, blicken nun mit einer Mischung aus Hoffnung und Vorsicht auf die Liquidationsverfahren. Die Aussicht auf Rückzahlungen hängt stark von der Menge und Wertentwicklung verfügbarer Vermögenswerte ab, ebenso wie von der Komplexität rechtlicher und technischer Herausforderungen in der Abwicklung. Auch wenn die nun beschlossene Auflösung der Multichain Foundation den Weg für Entschädigungszahlungen ebnet, bleibt abzuwarten, wie viel tatsächlich an die Geschädigten zurückfließen kann. Langfristig betrachtet signalisiert der Fall auch eine Reifung der Krypto-Ökosysteme bezüglich Verantwortlichkeit und Compliance. Die Phase, in der Krypto-Projekte auf grundsätzliche Absicherung gegen Cyberangriffe verzichten konnten, verblasst zunehmend.
Investoren achten verstärkt auf das Risikomanagement, Transparenz der Governance-Strukturen und die Fähigkeit, Cyberangriffe zu kontrollieren und zu kompensieren. Institutionelle Anleger und Regulierungsbehörden beobachten die Entwicklung aufmerksam, was zu einer weiteren Professionalisierung und Stabilisierung der Branche führen dürfte. Gleichzeitig mahnt der Multichain-Hack zur Vorsicht bei der Nutzung von Brücken und Cross-Chain-Anwendungen. Nutzer sollten sich stets bewusst sein, dass das Verknüpfen von Netzwerken auch neue Angriffspunkte schafft. Der Schutz der individuellen privaten Schlüssel, die Verwendung sicherer Wallets und das Vermeiden übermäßiger Abhängigkeit von zentralen Knotenpunkten bleiben elementare Maßnahmen für jedermann im Krypto-Ökosystem.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die gerichtliche Anordnung zur Liquidierung der Multichain Foundation nach einem der größten Hacks der Krypto-Geschichte ein wichtiger Schritt für Sonic Labs und andere Betroffene ist. Sie stellt eine messbare Konsequenz für mangelnde Sicherheit und Transparenz dar und unterstreicht die wachsende Bedeutung juristischer Instrumente im Kampf gegen kriminelle Angriffe auf Blockchain-Projekte. Während viele Nutzer mit Spannung auf Rückzahlungen hoffen, steht die gesamte Branche an einem Wendepunkt, an dem Innovation und Sicherheit gleichrangig behandelt werden müssen, um den langfristigen Erfolg und das Vertrauen in dezentrale Finanzsysteme zu gewährleisten.