Die Halbleitertechnologie steht an einem Wendepunkt. Forschern an der Peking-Universität in China ist es gelungen, einen Transistor zu entwickeln, der komplett ohne Silizium auskommt und dennoch einen Leistungssprung verspricht, der die derzeit besten Siliziumchips von Intel, TSMC oder Samsung übertreffen könnte. Diese Innovation basiert auf einem zweidimensionalen Material namens Bismutoxyselenid (Bi₂O₂Se) und nutzt ein neues Transistordesign mit Vollgate-Umhüllung. Diese Kombination eröffnet enorme Potenziale für die Geschwindigkeit und Energieeffizienz in zukünftigen Mikroprozessoren. Die chinesischen Wissenschaftler sprechen bereits davon, dass es sich um den schnellsten und effizientesten Transistor handelt, der je gebaut wurde – eine Entwicklung, die nicht nur die Halbleiterindustrie, sondern auch die gesamte moderne Elektronik revolutionieren könnte.
Das traditionelle Silizium, auf dem seit Jahrzehnten die meisten Halbleiterchips basieren, stößt zunehmend an physikalische Grenzen. Die Miniaturisierung von Transistoren wird immer schwieriger, vor allem wenn man unter die 3-Nanometer-Marke kommen möchte. Gleichzeitig entstehen durch unvollständige Gateabdeckungen unerwünschte Energieverluste und mangelhafte Stromsteuerung, die die Effizienz einschränken. Die Forscher aus China haben dieses Problem elegant gelöst, indem sie eine Transistorarchitektur mit vollständiger Gate-Umhüllung (Gate-All-Around FET, kurz GAAFET) entwickelt haben. Dabei umschließt das Gate den Halbleiterkanal komplett, statt nur teilweise wie bei den bisherigen FinFETs.
Das steigert die Steuerungsmöglichkeiten des Stromflusses erheblich und reduziert Energieverluste drastisch. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Material Bi₂O₂Se, das als Halbleiter dient. Es zeichnet sich durch eine extrem geringe Anbindung von Elektronen an Oberflächenfehler aus, was bedeutet, dass Elektronen nahezu verlustfrei und reibungslos durch den Transistor fließen können. Es ähnelt dem Verhalten von Wasser, das ohne Widerstand durch ein glattes Rohr strömt, wie der leitende Forscher Professor Peng Hailin erklärt. Zusätzlich dient das Material Bi₂SeO₅ als Gate-Isolator, ein weiteres neu entwickeltes Bismutoxid, das mit seiner geringen Grenzflächenenergie Defekte minimiert und somit die Gesamtleistung des Transistors verbessert.
Die neuen Transistoren, deren Design an verwobene Brücken erinnert, sind nicht nur schneller, sondern verbrauchen auch deutlich weniger Energie als die besten silikonbasierten 3-nm-Chips von Intel. Die Forscher geben an, dass sie eine um 40 Prozent höhere Geschwindigkeit bei gleichzeitig circa 10 Prozent geringerem Stromverbrauch erreichen konnten. Das hat weitreichende Auswirkungen auf alle Bereiche, in denen Hochleistungsprozessoren benötigt werden, von leistungsstarken CPUs für Computer und Server bis hin zu mobilen Geräten, die eine lange Akkulaufzeit garantieren müssen. Die Kombination aus 2D-Materialien und der Vollgate-Umhüllungsarchitektur stellt einen Paradigmenwechsel in der Mikroelektronik dar. Während traditionelle Siliziumtransistoren physikalisch an Grenzen stoßen, kann die neue Technologie diese Beschränkungen überwinden und neue Maßstäbe in Geschwindigkeit und Energieeffizienz setzen.
Außerdem weisen die Forscher darauf hin, dass die Herstellung der neuen Transistoren problemlos in bestehende Halbleiterfertigungen integriert werden kann. So muss die Industrie keine komplett neuen Fabriken errichten, was den Weg zur kommerziellen Nutzung erheblich beschleunigen könnte. Diese Entwicklung ist das Ergebnis intensiver Forschungsarbeit, die sowohl theoretische Simulationen mit Hilfe der Dichtefunktionaltheorie (DFT) als auch experimentelle Tests an hochpräzisen Fertigungsanlagen an der Peking-Universität umfasst. Die kombinierten Erkenntnisse zeigten eindeutig, dass die neuen Transistoren in realen Anwendungsszenarien unter gleichen Bedingungen leistungsfähiger sind als aktuelle kommerzielle Siliziumchips. Besonders spannend ist, dass die neuen Transistoren nicht nur für die klassische Computertechnik interessant sind.
Die Eigenschaften der Materialien und das Design bieten auch Chancen für Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge (IoT), wo schnelles Datenverarbeiten bei minimalem Energieverbrauch entscheidend ist. Die verbesserte Steuerung des Stromflusses und die reduzierte Wärmeentwicklung auf engstem Raum können die Umsetzung immer kleinerer und leistungsfähigerer integrierter Schaltkreise ermöglichen. Auch wirtschaftlich gesehen könnte der Durchbruch der chinesischen Forscher die globale Halbleiterlandschaft verändern. Die USA, Südkorea und Taiwan dominieren seit Jahren den Markt für Chips mit modernster Technologie. Diese neue Technologie könnte China einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen und zugleich die Abhängigkeit von Siliziumbasierter Halbleitertechnologie verringern.
Außerdem hat sie Potenzial, den steigenden Energieverbrauch der IT-Branche zu dämpfen – ein wichtiger Schritt im Kontext der Klimaziele weltweit. Experten beobachten zudem die Konsequenzen für die Zukunft der Chipentwicklung. Die Annahme ist, dass die Limitationen der FinFET-Technologie die Erschaffung immer kleinerer Transistoren einschränken. Mit Materialien wie Bismutoxyselenid und der Gate-All-Around-Architektur könnte nun eine neue Generation von Halbleitern entstehen, die nicht nur schneller und effizienter, sondern auch besser skalierbar sind. Zugleich sind noch Herausforderungen zu meistern, bevor diese Technologie den Massenmarkt erreicht.
Zu den offenen Fragen zählen die Langzeitstabilität der neuen Materialien unter stark belasteten Bedingungen, die Reproduzierbarkeit in großindustriellen Fertigungen sowie die Integration in bestehende Chiparchitekturen und -designs. Gleichwohl sind die bisherigen Fortschritte vielversprechend genug, um die Entwicklung intensiv fortzusetzen und mit der Industrie eng zusammenzuarbeiten. Die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in dem renommierten Wissenschaftsmagazin Nature Materials bestätigt die Relevanz und Qualität der Arbeit. Professor Peng und sein Team sehen die Entwicklung ihrer zweidimensionalen Transistoren als eine Art „Fahrspurwechsel“ – einen Schritt, der nicht einfach auf dem bisherigen Kurs aufbaut, sondern die gesamte Richtung der Halbleitertechnologie verändern kann. Die Erwartungen an die Zukunft lassen vermuten, dass in den kommenden Jahren weitere Neuigkeiten zu Verbesserungen, Anpassungen und praktischen Anwendungen folgen werden.