Raycasting hat sich als eine der grundlegendsten Techniken in der Computergrafik etabliert, um ein Gefühl von Tiefe und 3D-Perspektive auf einer zweidimensionalen Karte zu erzeugen. Ursprünglich entwickelt, um die Leistungsgrenzen älterer Computer zu umgehen, revolutionierte es die Art und Weise, wie digitale Welten dargestellt werden können. Die Methode kombiniert mathematische Präzision mit effizienter Rasterverarbeitung, was es möglich macht, dreidimensionale Räume scheinbar in Echtzeit zu erkunden, ohne auf komplexe 3D-Modelle oder umfangreiche Rechenleistung angewiesen zu sein. Im Kern basiert Raycasting auf der Idee, dass von einer bestimmten Position aus, in der Regel die Position des Spielers oder Betrachters, virtuelle Strahlen ausgesendet werden. Diese Strahlen durchqueren eine einfache 2D-Karte, die in einzelne Quadrate aufgeteilt ist, die entweder begehbar sind oder Hindernisse wie Wände darstellen.
Jeder Strahl sucht entlang seines Pfads nach der ersten Wand, die er trifft. Die Distanz zu dieser Wand bestimmt anschließend, wie hoch und breit das Hindernis auf dem Bildschirm dargestellt wird. Dadurch entsteht der Illusion einer dreidimensionalen Welt, obwohl die gesamte Berechnung auf einer flachen Karte basiert. Die Effizienz dieses Vorgehens liegt darin, dass nur für jeden vertikalen Bildstreifen ein Strahl berechnet wird, was die Anzahl der Rechenoperationen drastisch reduziert. Ein berühmtes Beispiel für die Anwendung von Raycasting ist das Kultspiel Wolfenstein 3D, das Mitte der 90er Jahre erschien und Pionierarbeit für Ego-Shooter auf PCs leistete.
Damit konnte das Spiel trotz begrenzter Hardware Ressourcen eine Echtzeit-3D-Ansicht erzeugen. Die Beschränkungen des Systems führten dazu, dass die Welt aus orthogonalen Wänden mit gleicher Höhe bestand. Komplexere Strukturen wie Treppen oder unterschiedliche Höhen waren nicht möglich, was moderne 3D-Engines erst Jahre später ermöglichten. Dennoch bleibt der Einfluss von Raycasting auf die Entwicklung von Computerspielen und Grafiktechnologien unbestritten. Raycasting unterscheidet sich grundlegend vom Raytracing, was oft verwechselt wird.
Während Raytracing eine aufwändige Methode ist, bei der Lichtstrahlen verfolgt und realistische Effekte wie Reflektionen und Schatten detailgetreu berechnet werden, zeichnet sich Raycasting durch Schnelligkeit und Einfachheit aus. Es liefert eine nährungsweise 3D-Darstellung, die auf begrenzten Hardwarefähigkeiten beruht. Während Raytracing mittlerweile mit moderner Grafikhardware in Echtzeit umsetzbar ist, setzt Raycasting vor allem auf effiziente Rasterdurchquerung und Vektorberechnungen, um die Szene schnell zu rendern. Die Berechnung eines Rays beginnt immer beim Spieler oder Beobachter und richtet sich entlang eines Vektors, der die Blickrichtung angibt. Ergänzt wird dies durch einen sogenannten Kameraplane-Vektor, der senkrecht zur Blickrichtung steht.
Zusammen definieren diese beiden Vektoren das Sichtfeld (Field Of View, FOV). So kann für jeden vertikalen Bildstreifen ein Strahl berechnet werden, der auf genau den Punkt auf dem Kameraplane trifft, der diesem Bildstreifen entspricht. Ein zentrales Problem bei der Realisierung von Raycasting ist die Erkennung des ersten Walls, den der Strahl trifft. Eine naive Methode, bei der der Strahl in kleinen festen Schritten abgefragt wird, kann dazu führen, dass Wände aufgrund zu großer Schrittweiten unentdeckt bleiben. Dies reduziert die Genauigkeit und führt zu visuellen Fehlern.
Die Lösung hierfür bietet die Anwendung des Digital Differential Analysis (DDA)-Algorithmus. Dieser Algorithmus prüft gezielt an den Kanten der Quadrate in der Karte entlang des Strahls und garantiert so, dass keine Wand übersehen wird. Dabei wird bei jedem Schritt geprüft, ob der Strahl an einer X- oder Y-Grenze der Rasterkarte angekommen ist, und die nächstgelegene Kante gewählt wird, bis eine Wand erreicht wird. Die Berechnung der Distanz zum getroffenen Wall erfolgt nicht direkt als euklidische Entfernung, sondern als sogenannte senkrechte Distanz zur Kameraebene. Dies ist wichtig, um den sogenannten Fischaugen-Effekt zu vermeiden, bei dem die Darstellung verzerrt wirkt und Wände kurvig erscheinen.
Durch diese Projektion wird sichergestellt, dass parallel verlaufende Wände auch als gerade Linien konsistent dargestellt werden, unabhängig von der Blickrichtung. Hat der Algorithmus die Distanz zum getroffenen Wall berechnet, wird daraus die Höhe des darzustellenden Bildstreifens ermittelt. Je näher der Spieler an der Wand ist, desto höher erscheint die Wand auf dem Bildschirm. Diese Höhe wird so berechnet, dass der Mittelpunkt der Wand auf der Bildschirmmitte liegt. Damit entstehen die für die Wahrnehmung notwendigen Perspektiven.
Der Realisierung einer realistischeren und attraktiveren Grafik dient die Texturierung der Wände. Anstelle einfarbiger Flächen werden Texturen – also kleine Bilder – auf die Wände projiziert. Hierbei wird nicht nur der Abstand des Strahls berücksichtigt, sondern auch die genaue Position des Treffpunkts auf der Wand, um den richtigen Ausschnitt der Textur zu wählen. Die Texturen werden in einem zweidimensionalen Array gespeichert, das für jede Textur die Pixelinformationen enthält. Für jede vertikale Bildzeile innerhalb des Strahlenstreifens wird anschließend per linearem Verfahren die entsprechende Stelle in der Textur bestimmt und auf den Bildschirm gezeichnet.
Eine zusätzliche Helligkeitsanpassung simuliert dabei Schatten, indem Wände, die an der Y-Achse getroffen werden, dunkler dargestellt werden. Raycasting wurde über die Jahre weiterentwickelt. Wo in frühen Spielen nur einfache Texturen und orthogonale Wände dargestellt wurden, erlauben modernere Engines die Integration komplexerer Strukturen, wie schräge Wände, variable Wandhöhen, Decken und Böden mit Texturierung sowie transparente Flächen. Auch die Integration von Sprites, also zweidimensionalen Objekten im Raum wie Gegner und Gegenstände, erfolgte mit Erweiterungen der Raycasting-Technik. Diese Entwicklungen fanden insbesondere in Spielen wie Doom oder Duke Nukem 3D statt und erweiterte die Spielwelten um mehr Realismus und Tiefe.
Trotz der starken technischen Fortschritte und der Verfügbarkeit leistungsfähiger Grafikhardware bleiben Prinzipien des Raycastings auch heute noch relevant. Sie dienen als Grundlage in verschiedensten Anwendungen, von einfachen 3D-Demos und mobilen Spielen bis hin zu Anwendungen im Bereich der Robotik und Simulation. Seine algorithmische Klarheit erlaubt es Entwicklern, die Grundlagen der 3D-Darstellung zu verstehen und performant umzusetzen, ohne auf komplexe 3D-Modelle und Shader-Programme zurückgreifen zu müssen. Die Performance von Raycasting hängt in erster Linie von der Bildschirmauflösung und der Anzahl der berechneten Strahlen ab. Durch Optimierungen wie das Verarbeiten mehrerer Strahlen gleichzeitig oder das Speichern und Wiederverwenden von Zwischenergebnissen können moderne Implementierungen die Leistung verbessern.