Im Zeitalter rasanter technologischer Fortschritte, welche Künstliche Intelligenz (KI) und Quantencomputing beinhalten, stehen Gesellschaften weltweit vor der Herausforderung, ihre kulturellen Identitäten und Wissenssysteme in einer digitalen Welt zu bewahren. Besonders die Māori, die indigenen Menschen von Aotearoa (Neuseeland), zeigen eine beeindruckende Vorreiterrolle, indem sie ihre Traditionen, Werte und Sprache in technologische Entwicklungen einfließen lassen. Ihre Vision, die zukünftige digitale Landschaft aktiv mitzugestalten, anstatt nur passiv zu konsumieren, ist ein kraftvolles Beispiel für kulturelle Selbstbestimmung in einer neuen Ära. Dabei geht es nicht nur um technologische Innovation, sondern ebenso um eine tiefgehende Repräsentation und Achtung der eigenen Weltanschauung im digitalen Raum. Das Projekt von Te Hiku Media, das eine auf der Māori-Sprache basierende KI-Anwendung launchte, stellt ein bahnbrechendes Beispiel dar: Diese Technologie kann te reo Māori mit einer beeindruckenden Genauigkeit von 92 Prozent transkribieren.
Dies ist nicht nur eine technische Leistung, sondern ein kultureller Meilenstein in der Wahrung und Wiederbelebung der Sprache. Während internationale Apps oft bei der Übersetzung von Māori-Sprachtexten und Gebeten Fehler machen, setzen Māori-Technologen hier Maßstäbe, die auf ihrem eigenen kulturellen Know-how und der Zustimmung der Gemeinschaft basieren. Die Frage, die sich dabei stellt, ist wesentlich: Wer sollte die digitale Zukunft des Mātauranga Māori – des indigenen Wissens – prägen? Große Technologieunternehmen, staatliche Institutionen oder die Träger und Hüter dieser wertvollen Kultur? Wirtschaftlich gesehen trägt die Māori-Kreativ- und Kulturszene erheblich zum neuseeländischen Bruttoinlandsprodukt bei. Im Jahr 2024 erzielte dieser Sektor einen Beitrag von 1,6 Milliarden NZ-Dollar und beherbergte über 3.400 kleine und mittlere Unternehmen.
Diese innovativen Betriebe integrieren te ao Māori – die Māori-Weltanschauung – zunehmend in moderne digitale Werkzeuge und schaffen so neue Brücken zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die Integration kultureller Werte in technologische Innovationen fördert nicht nur die wirtschaftliche Stärke, sondern bewahrt auch die kulturelle Identität der Gemeinschaften. Doch mit dem Fortschritt im Bereich von KI und besonders Quantencomputing gehen auch erhebliche Risiken einher. Quantencomputer haben das Potenzial, herkömmliche Verschlüsselungsmethoden wie RSA in äußerst kurzer Zeit zu knacken, was eine ernstzunehmende Bedrohung für die Datensouveränität darstellt. Für die Māori bedeutet dies, dass ohne klare rechtliche und technische Schutzmechanismen die Kontrolle über ihre kulturellen Daten verloren gehen könnte.
Die Sicherheit persönlicher Daten gewinnt in Zeiten digitaler Transformation eine neue Dimension – gerade wenn es um besonders sensible, gemeinschaftlich getragene Informationen geht. Māori-Konzepte von Information unterscheiden sich grundlegend von westlichen Vorstellungen von individuellem Eigentum. Das Wissen einer whānau (Familie), eines hapū (Unterstammes) oder iwi (Stammes) ist kollektiv, relational und tief in Zeremonien und kulturellen Prozessen verankert. Dieses Verständnis steht im Zentrum der Diskussionen über die Authentizität von indigenem Wissen in digitalen Kontexten. Künstliche Intelligenz kann die komplexen Rituale und Respektformen, wie jene, die sich im pōwhiri ausdrücken, nicht angemessen erfassen, was zu einer Entfremdung von echten indigenen Bedeutungen und Werten führen kann.
Der Computerwissenschaftler und Lehrbeauftragte Kevin Shedlock, der selbst Ngāpuhi, Ngāti Porou und Whakatōhea angehört, betont, dass Wissen ohne die Validierung und Absicherung durch die Gemeinschaft an Bedeutung verliert. Deshalb sind in der Entwicklung von KI-Systemen für Māori-Kulturdaten sorgfältige Prozesse unerlässlich, die Gemeinschaft, Zustimmung und kulturelle Verantwortung gewährleisten. Te Hiku Media verfolgt genau diesen Weg und setzt ausschließlich auf Daten, die mit vollem Einverständnis der Gemeinschaften gesammelt wurden. Zudem besitzen die Dateninhaber weiterhin alle Rechte an ihrem Wissen, geschützt durch eigens entwickelte „Kaitiakitanga-Lizenzen“, die die Nutzung für Überwachung, Diskriminierung oder Tracking strikt untersagen. Diese enge Verknüpfung von Kultur und Technologie ist auch im Bereich der bildenden Künste sichtbar.
Beim Te Rau Karamu Marae an der Massey University kamen bereits modernste CNC-Frästechnologien zum Einsatz, um traditionelle Schnitzereien zu erschaffen. Die Einführung solcher Technologien weckte Erinnerungen an historische Übergänge, als steinerne Werkzeuge durch Stahlmeißel ersetzt wurden. Diese Veränderungen werfen Fragen auf: Wie bewahren wir traditionelle Handwerkskünste, während wir zeitgemäße Techniken nutzen? Wie verhindern wir, dass technologische Neuerungen kulturelle Praktiken und Bedeutungen verdrängen? Im Zentrum der Māori-Sprachentwicklung in Verbindung mit KI steht die Erkenntnis, dass te reo Māori untrennbar mit tikanga (kulturelle Praktiken), kawa (Protokolle) und pūrākau (Mythen und Erzählungen) verbunden ist. Wird dieser Zusammenhang ignoriert oder gebrochen, geht mehr verloren als nur eine Sprache. Die Māori-gesteuerte KI-Entwicklung stellt sicher, dass kulturelle Nuancen bewahrt und zentrale Werte wie Kaitiakitanga (Fürsorge und Schutz) sowie die lebendige Präsenz von Ngā Atua (Göttern) in den Systemen verankert werden.
Maqbool fordert eine stärkere Einbindung von te ao Māori in die KI-Entwicklung insgesamt. Dies beinhaltet den Aufbau von Forschungszentren, die unter Māori-Führung stehen, wodurch sichergestellt wird, dass indigene Wissensbestände geschützt und weiterentwickelt werden, auch wenn staatliche Politiken sich ändern oder die digitale Infrastruktur sich wandelt. Nur so kann garantiert werden, dass das Mātauranga Māori nicht verwässert oder marginalisiert wird, sondern weiterhin eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Gefüge Aotearoas spielt. Während Unfälle und Datenlecks im digitalen Zeitalter unvermeidbar erscheinen mögen, betonen Expertinnen und Experten wie Shedlock, dass fundamentale Werte und Prinzipien in der Māori-Kultur – wie Kaitiakitanga, Tika (Rechtmäßigkeit) und Pono (Wahrhaftigkeit) – weiterhin als Leitlinien für den Umgang mit digitalen Ressourcen gelten müssen. Diese Einstellungen fördern nicht nur den Schutz und die Kontrolle von Daten, sondern spiegeln eine umfassende Geisteshaltung wider, die den technologischen Fortschritt verantwortungsvoll begleitet.