Last Contact (2007) von Stephen Baxter ist eine beeindruckende Kurzgeschichte, die Wissenschaft und menschliche Gefühle auf außergewöhnliche Weise verbindet. Die Erzählung spielt in einer nahen Zukunft, in der die Menschheit mit der unaufhaltsamen Zerstörung des Universums durch das Phänomen des Big Rip konfrontiert ist. Dabei nutzt Baxter den Fokus auf zwei Figuren – Maureen und ihre Tochter Caitlin –, um die enormen kosmologischen Ereignisse greifbar, nahbar und emotional zu machen. Die Geschichte entfaltet sich langsam, zwischen Momenten alltäglicher Normalität und der apokalyptischen Realität, die den Menschen kaum bleibende Zeit lässt. Die wissenschaftliche Grundlage der Erzählung basiert auf der Theorie der dunklen Energie, einer mysteriösen Kraft, die die Expansion des Universums beschleunigt und letztlich dazu führt, dass alles, von Galaxien bis hin zu Atomen, auseinander gerissen wird.
Die Figuren diskutieren nicht nur über die wissenschaftlichen Aspekte dieses Prozesses, sondern auch über die gesellschaftlichen Konsequenzen, das menschliche Verhalten angesichts drohender Katastrophe und das Bedürfnis nach Abschied und Sinn in den letzten Momenten. Maureen, eine pensionierte Frau mit einem kleinen Garten vor einem alten Haus am Rande von Oxford, hält an den Routinen ihres Lebens fest. Ihr Garten wird zur Metapher für das Erwachen und Verblassen des Lebens, das in wenigen Monaten, Tagen oder sogar Minuten unwiderruflich enden wird. Caitlin hingegen, Astrophysikerin und Teil des wissenschaftlichen Teams, das die Katastrophe beobachtet, bringt die Last der Erkenntnis und der Verantwortung mit sich, die ihr Beruf mit sich bringt. Sie wird zum Sprachrohr, das die Wahrheit öffentlich macht, und steht vor der Herausforderung, Kindern und Erwachsenen das Unfassbare verständlich zu machen.
Besonders eindrucksvoll ist die Darstellung des gesellschaftlichen Wandels: Obwohl alles auf das Ereignis zusteuert, zeigt sich, dass Menschen meist pragmatisch und fürsorglich bleiben – ein tröstlicher Gedankenstrich in einer verzweifelten Situation. Auch wenn die Infrastruktur zerfällt, und Berufe wie Straßenreinigung oder Dachdecker aufgegeben werden, bewahren viele den Willen, sich um Familie und Nachbarn zu kümmern. Die Szene, in der Caitlin ein frühes Weihnachten mit ihren Kindern feiert, erinnert an die Bedeutung von Ritualen und Gemeinschaft in Zeiten großer Unsicherheit. Die Geschichte beleuchtet auch den Umgang mit der Technologie und der Kommunikation in der letzten Phase. Trotz des allmählichen Zusammenbruchs gibt es noch Versuche, Signale aus dem Universum zu entschlüsseln – sogenannte „Kontakte“ mit außerirdischen Zivilisationen, die plötzlich in großer Zahl eintreffen.
Die nicht entschlüsselbaren Botschaften werden symbolisch als Abschiedsgrüße verstanden, die weniger auf Neuigkeiten hoffen als schlicht das Menschsein bestätigen. Der Einsatz von Nanotechnologie, vertreten durch den Tennisball-großen Datenspeicher mit Molekülen, die die letzten Momente dokumentieren, ist ein faszinierendes Element, das Hoffnung und Verzweiflung gleichermaßen widerspiegelt. Am Ende wendet sich die Geschichte der persönlichen und familiären Ebene wieder zu. Der Moment des Big Rip, an einem klaren Herbsttag, wird detailliert und eindringlich geschildert. Das Dimmen des Lichts, das vorbeirollende Erdbeben, das Rütteln der Erde und das endgültige Zerbersten der Wirklichkeit werden durch die einfachen Handlungen der Figuren, die sich aneinander festhalten, lebendig gemacht.
Die Ambivalenz zwischen Wissenschaftlichkeit und Emotionalität zieht sich wie ein roter Faden durch die Erzählung. Stephen Baxter vermag es meisterhaft, kosmologische Theorien greifbar zu machen, ohne dass die Geschichte dabei ihren menschlichen Kern verliert. Seine Beobachtungen über den Umgang mit Wissen, Hoffnung und Abschied berühren grundsätzliche Fragen des Daseins. Last Contact ist somit mehr als eine Science-Fiction-Geschichte: Sie ist eine Meditation über Endlichkeit, Verlust und das, was bleibt, wenn alles zu Ende geht. Der Big Rip als Szenario für das Ende des Universums ist dabei kein bloßes Spekulationsmodell, sondern bildlich zugleich als wissenschaftlicher Fakt und als narrativer Rahmen genutzt.
Wer sich für die Verbindung von moderner Astrophysik und tiefgründiger Literatur interessiert, findet in Last Contact ein eindrucksvolles Werk. Das Zusammenspiel von realistischen Figuren, eindrucksvollen Bildern und einer spannenden Handlung garantiert Lesegenuss für alle, die sich mit Fragen von Kosmos und Menschlichkeit auseinandersetzen wollen. Die Erzählung regt dazu an, über den Wert von Zeit, Beziehung und Wissenschaft nachzudenken und zeigt, wie wichtig es ist, auch angesichts des Unvermeidbaren Zuversicht und Gemeinschaft zu bewahren. Last Contact ist sowohl ein intellektuelles als auch emotionales Erlebnis, das die Grenzen zwischen Wissenschaft und Fiktion kunstvoll verwischt und dabei eine nachhaltige Wirkung hinterlässt.