Die Pläne Chinas, Proben aus den Wolken der Venus zurück zur Erde zu bringen, markieren einen Meilenstein in der Weltraumforschung. Die Venus ist ein faszinierender Planet, der aufgrund seiner dichten, schwefelsauren Atmosphäre als eines der härtesten Umgebungen im Sonnensystem gilt. Genau diese Herausforderung macht die geplante Mission so bemerkenswert und wissenschaftlich vielversprechend. Keine andere Nation hat bisher vor, Atmosphärenproben eines so unwirtlichen Planeten zur Erde zurückzubringen. Die Mission ist Teil von Chinas langfristigem Fahrplan für Weltraumwissenschaft und Erkundung, der sich auf den Zeitraum von 2028 bis 2035 erstreckt.
Diese zweite Phase des Programms sieht eine Probenrückführung aus der Venusatmosphäre vor, was bisher in der Raumfahrtgeschichte noch nie realisiert wurde. Die eigentlichen Details hält China noch weitgehend zurück, doch aus ersten Präsentationen innerhalb chinesischer wissenschaftlicher Kreise und sozialen Medien lassen sich wichtige Informationen und Einblicke gewinnen. Wissenschaftlich verfolgt die Mission mehrere zentrale Fragestellungen. Einerseits geht es darum, mögliche Hinweise auf Leben in der Venusatmosphäre zu finden. Dieses Ziel wurde durch die 2020 erschienene kontroverse Studie bestärkt, die das Gas Phosphin in der Venuswolke entdeckte.
Phosphin gilt als potenzieller Biomarker, also ein Indikator für biochemische Prozesse, die auf Leben hindeuten könnten. Andererseits ist die Evolution der Venusatmosphäre selbst ein Forschungsfokus, da das Verständnis der chemischen Zusammensetzung und dynamischen Veränderungen Aufschluss über die Entstehung und Entwicklung von Himmelskörpern im Sonnensystem geben kann. Ein weiteres ungelöstes Rätsel sind die sogenannten ultraviolett-absorbierenden Stoffe in der Venuswolke. Diese Substanzen erzeugen charakteristische Dunkelflecken im UV-Spektrum, deren Herkunft und Bedeutung bis heute unbekannt ist. Das Sammeln von Proben könnte Aufschluss über diese UV-Absorber geben und somit zu neuen Erkenntnissen über die atmosphärische Chemie führen.
Die technische Umsetzung der Probenentnahme ist jedoch alles andere als trivial. Die Venuswolken bestehen überwiegend aus dichteren Schwefelsäuredropletten, die eine äußerst ätzende Umgebung schaffen. Das Material, mit dem die Proben entnommen werden, muss daher korrosionsbeständig sein und den harten Bedingungen standhalten. Die wissenschaftlichen Teams beschäftigen sich intensiv mit dem Einsatz von Teflonbeschichtungen oder ähnlichen Schutzmaterialien, um die Funktionalität der Instrumente im Schwefelsäureregen langfristig zu garantieren. Die durchdachte Idee einer ballongestützten Plattform wurde von Forschern am Massachusetts Institute of Technology (MIT) vorgeschlagen.
Ein säureresistenter Ballon könnte sich passiv durch die Venuswolken bewegen, ohne einen großen Treibstoffverbrauch für Motoren. Diese Methode würde das Gewicht minimieren und sich durch ihre passive Fortbewegung als zuverlässige Technik etablieren. Im Gegensatz dazu verfolgt China jedoch einen anderen Ansatz, der auf ein geflügeltes Vehikel setzt. Bisher gibt es wenig Informationen darüber, wie dieser Entwurf im Detail funktioniert und wie sich das Konzept in der Umwelt der Venus bewähren wird. Eine weitere der großen Herausforderungen ist die Navigation und präzise Ortsbestimmung innerhalb der dichten Wolkendecke.
Aufgrund der starken Opazität ist sichtbare Navigation sehr eingeschränkt. Zudem besitzt Venus weder ein eigenes Magnetfeld noch ein GPS-System, sodass die übliche Raumfahrtnavigation nicht einfach übertragen werden kann. Ohne Sicht auf Sterne oder die Oberfläche wird das exakte Positionieren besonders bei der Rückkehr unausgereifter Proben schwierig. Diese Problematik erfordert möglicherweise die Etablierung eines künstlichen Satellitennavigationssystems um Venus, was zusätzliche Raumfahrtsstarts und Komplexität mit sich bringt. Der Transport der gesammelten Proben von der Atmosphäre auf eine Umlaufbahn um die Venus stellt eine förderliche technische Hürde dar.
Ein sogenannter Aufstiegsfahrzeug, das die Probenkapsel sicher in die Umlaufbahn bringt, muss entwickelt werden. Verwendung finden könnten zweistufige Feststoffraketen, wie sie bereits bei Marsproben-Rückführmissionen geplant sind. Die Rakete muss autonom und unter unerwarteten atmosphärischen Bedingungen gezündet und gesteuert werden, was ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Robustheit erfordert. Bisherige Raumfahrtmissionen Chinas, wie die erfolgreiche Mondproben-Rückführung von Chang’e-5 und Chang’e-6 sowie die baldige Asteroidenprobenentnahme bei Tianwen-2, liefern wertvolle Erfahrungswerte für den anspruchsvollen Venusflug. Auch der geplante Start der Tianwen-3 Marsprobenmission Ende 2028 wird wichtige technische Grundlagen für die Venusmission schaffen.
Von der Gesamtmasse des Raumfahrzeugs bis zum transportierten Probenvolumen sind Vergleiche mit MIT-Vorschlägen möglich, die beispielsweise 22 Tonnen Startmasse für lediglich 10 Gramm Material sahen. Wissenschaftlerinnen wie Sara Seager vom MIT äußern sich voller Begeisterung über das Potenzial der Venusprobe-Rückführung. Selbst wenn keine Lebenszeichen gefunden werden, kann die Untersuchung der organischen Moleküle fundamentale Fragen zur Chemie und Evolution der Venus beantwortet. Jede Probe würde uns ermöglichen, die Rätsel eines der faszinierendsten Planeten des Sonnensystems direkt zu untersuchen und könnte völlig neue Erkenntnisse über unser planetarisches Umfeld bringen. Dem missionstechnischen Ehrgeiz steht allerdings das Wissen um die Unwägbarkeiten eines dynamischen, bis heute schlecht erforschten Wettersystems gegenüber.
Winde, Druckschwankungen und plötzlich wechselnde chemische Bedingungen erschweren den sicheren Betrieb der Probenentnahmesysteme ebenso wie den Start einer Rückkehr-Rakete in einer solchen Umgebung. Die Mission muss über äußerst komplexe Steuerungs- und Kommunikationssysteme verfügen, um zeitkritische Abläufe kontrolliert und fehlerfrei auszuführen können. Die angestrebte Venus-Probenrückführung ist somit ein Paradebeispiel dafür, wie Technologie, Wissenschaft und Planung in Innovationsprojekten Hand in Hand gehen müssen. Der wissenschaftliche Nutzen, nebst der möglichen historischen Premiere, motiviert eine Vielzahl an Ingenieurinnen, Forschern und Raumfahrtagenturen trotz der immensen Risiken und Kosten dazu, diese gewaltige Herausforderung anzunehmen. Für die globale Forschungsgemeinschaft birgt die bevorstehende chinesische Venusmission die Chance, unser Verständnis über den zweiten Planeten unseres Sonnensystems und möglicherweise sogar über Leben an unerwarteten Orten diametral zu erweitern.
Im Weltall aufgewachsene Technologie, robust und präzise, wird sich im harschen Venusklima beweisen müssen - ein Abenteuer, das hoffentlich schon bald in greifbare Nähe rückt und womöglich neue Antworten auf die grundlegendsten Fragen der Astronomie und Astrobiologie bietet.