Im Netzverkehr spielen Bots und automatisierte Agenten eine immer größere Rolle. Während manche Bots gezielt schädlich sind, etwa bei Denial-of-Service-Angriffen oder Account-Credential-Stuffing, gibt es zahlreiche „freundliche“ Bots, die für den Betrieb und die Nutzung des Internets unerlässlich sind. Dazu zählen Suchmaschinen-Crawler oder Dienste, die Inhalte über RSS-Feeds abrufen. Die klare Trennung zwischen gutartiger und bösartiger automatisierter Aktivität wird jedoch zunehmend schwerer. In diesem komplexen Umfeld sind alte Erkennungsmethoden wie die Prüfung von IP-Adressen und Benutzeragenten-Headern nicht mehr ausreichend.
Das liegt vor allem daran, dass diese Methoden leicht manipulierbar sind und unter modernen Netzbedingungen mit VPNs, Cloud-Infrastrukturen und Proxys an Präzision verlieren. Vor diesem Hintergrund rückt die kryptografische Verifizierung von Bot- und Agenten-Traffic als fortschrittliche Lösung in den Fokus. Die Schwächen herkömmlicher Verifizierungsmethoden IP-Adressen galten lange als ein guter Indikator, um den Ursprung des Traffics zu lokalisieren und Bots von echten Nutzerzugriffen zu unterscheiden. In Kombination mit dem User-Agent-Header, der einem Browser oder Bot eine Art Identität gibt, konnten Webseitenbetreiber früher relativ einfach filtern. Doch im modernen Web sind diese Signale trügerisch geworden.
Nutzer, aber auch Bots, nutzen häufig VPN-Dienste, Privacy-Proxies oder eine gemeinsam genutzte Infrastruktur in der Cloud. So kann dieselbe IP-Adresse mehreren unterschiedlichen Nutzern oder Diensten gehören. Gleichzeitig ändern sich IP-Bereiche schnell, was eine Pflege von Whitelists aufwendig und fehleranfällig macht. Auf der anderen Seite ist der User-Agent-Header leicht manipulierbar. Bots geben sich oft als bekannte Browser aus oder verwenden generische Agent-Bezeichnungen, wodurch die Erkennung von automatisiertem Traffic erschwert wird.
Selbst einzelne Buttons auf Websites, die behaupten „Ich bin kein Roboter“, konnten diese Abgrenzung nur bedingt verbessern. Ausgerechnet die Zunahme von KI-basierten Diensten, die menschliche Webinteraktionen nachahmen, verschärft das Problem weiter. Hier sind klare, unmanipulierbare Identitätsnachweise dringend nötig. Kryptografie als Schlüssel für vertrauenswürdige Bot- und Agenten-Verifizierung Moderne kryptografische Verfahren ermöglichen es Bots und Agenten, ihre Identität eindeutig und manipulationssicher zu belegen. Dabei signieren sie ihre Anfragen digital mit privaten Schlüsseln, die von den Zielservern anhand bekannter öffentlicher Schlüssel verifiziert werden können.
Dieses Verfahren ähnelt der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung beim E-Mail-Verkehr oder der digitalen Signatur bei Software-Updates – es stellt sicher, dass die Anfrage tatsächlich vom angegebenen Sender stammt und auf dem Weg nicht verändert wurde. Damit bieten sich für Webseitenbetreiber völlig neue Möglichkeiten zur differenzierten Steuerung ihres Traffics. Während herkömmliche Methoden oft nur auf pauschales Blockieren oder Zulassen setzen, erlauben verifizierbare Signaturen eine granulare Zustimmung zu spezifischen Bots. Lizenzierte oder vertrauenswürdige Bots können auf diese Weise klar von unerwünschtem Traffic unterschieden und entsprechend behandelt werden. HTTP Message Signatures: Ein standardisiertes Verfahren zur Bot-Verifizierung Die HTTP Message Signatures sind ein vergleichsweise neues, webbasiertes Protokoll, das genau diese Anforderungen erfüllt.
Dabei wird jeder HTTP-Request, den ein Bot oder Agent sendet, vor dem Absenden digital signiert. Die Signatur umfasst dabei viele wichtige Header und Metadaten der Anfrage, einschließlich des Ziel-Hosts («authority»). Der Server empfängt diese Signatur zusammen mit der Anfrage und kann sie gegen den bekannten öffentlichen Schlüssel des Bots prüfen. Dieser Prozess ist transparent und genormt: Das Protokoll arbeitet mit auffindbaren öffentlichen Schlüsseln, sogenannten JSON Web Keys, die von Bots hinterlegt werden können. So ist es für Webseitenbetreiber möglich, automatisierten Traffic verlässlich zu authentifizieren.
Der User-Agent Header bleibt weiterhin vorhanden, trägt jedoch lediglich zur Beschreibung des ausführenden Hauptprogramms bei – die Echtheit der Botsignatur definiert, wie vertrauenswürdig die Anfrage ist. Von der Theorie zur Praxis: Integration in Browser und Server Die Umsetzung dieses Verfahrens ist bereits heute technisch realisierbar. Beispielsweise können Browsererweiterungen implementiert werden, die HTTP-Anfragen vor dem Versand mit entsprechenden Signaturen versehen. Diese Erweiterungen nutzen Event-Handler, die Browser-API-Aufrufe abfangen und HTTP-Header ergänzen. Ein praktisches Beispiel ist die Verwendung von „chrome.
webRequest.onBeforeSendHeaders“, um eine signierte HTTP-Anfrage zu generieren, bevor sie das Netzwerk verlässt. Auf der Serverseite bieten moderne HTTP-Server ergänzende Funktionen, um diese Signaturen zu validieren und so deterministisch zu prüfen, ob eine eingehende Anfrage authentisch ist. Server wie Caddy haben bereits Plug-Ins entwickelt, die HTTP Message Signatures unterstützen und somit nahtlos in bestehende Webinfrastrukturen integriert werden können. Der Vorteil liegt darin, dass dieses proaktive, kryptografisch abgesicherte Identifikationsverfahren nicht von IP-Adressen oder anderen leicht manipulierbaren Informationen abhängig ist.
Stattdessen setzt es auf Vertrauen, das auf Schlüssel- und Zertifikatsmanagement beruht, ähnlich dem bewährten SSL/TLS-Verfahren für Webseiten. Mutual TLS (mTLS): Ein weiterer Weg zur Bot-Authentifizierung Neben der HTTP-Signatur-Methode gewinnt auch die Mutual TLS, kurz mTLS, in der Bot-Verifizierung an Bedeutung. Bei mTLS handelt es sich um ein abgesichertes TLS-Verfahren, bei dem nicht nur der Server, sondern auch der Client ein Zertifikat vorliegt und damit seine Identität gegenüber dem Gegenüber belegt. Dies ermöglicht eine wechselseitige Authentifizierung, die über reine Verschlüsselung hinausgeht. Im Gegensatz zu üblichen TLS-Verbindungen, bei denen der Server seine Identität bestätigt und der Client anonym bleibt, bringt mTLS zwei geprüfte Parteien an einen sicheren Tisch.
Ursprünglich wurde mTLS vor allem in Firmennetzwerken und bei besonders abgesicherten Schnittstellen genutzt. Nun zeigt die Erfahrung, dass der Ansatz auch für die Identifizierung automatisierter Agenten vielversprechend ist. Technische Herausforderungen und neue TLS-Flags Die Nutzung von mTLS bringt allerdings einige technische Herausforderungen mit sich. Beispielsweise würde ein Client ohne mTLS-Zertifikat bei einer unausweichlich erzwungenen Zertifikatsabfrage eine schwer verständliche Fehlermeldung erhalten und könnte die Website nicht erreichen. Um dies zu vermeiden, sind Mechanismen notwendig, die nur mTLS-fähige Clients auffordern, ihr Zertifikat vorzulegen.
Deshalb hat die Internet Engineering Task Force (IETF) einen neuen TLS-Flag-Vorschlag initiiert, der sogenannte «req mTLS»-Flag. Mit diesem kann ein Client während des Handshakes signalisieren, dass er mTLS beherrscht und bereit ist, ein Client-Zertifikat vorzulegen. So kann der Server gezielt sichere Clients anfordern, ohne reguläre Nutzer auszuschließen oder Fehler auszulösen. Mit der Einführung dieser Flags wird mTLS für das Web deutlich praktikabler – und stellt eine ernstzunehmende Alternative oder Ergänzung zur HTTP Message Signatures dar. Bereits heute verfügen viele TLS-Implementierungen über die nötigen Grundlagen, um diese Flags zu unterstützen oder lassen sich vergleichsweise einfach erweitern.
Warum die Zukunft der Bot-Authentifizierung kryptografisch ist Die Vorteile moderner Bot-Authentifizierungsmethoden sind vielfältig. Sie ersetzen unsichere, manipulierbare und wartungsintensive Verfahren durch eine robuste, standardisierte und überprüfbare Identifikation. Mit kryptografischen Signaturen kann man Bots eindeutig identifizieren, ihren Ursprung nachweisen und zugleich sichergehen, dass die Anfrage unterwegs nicht verändert wurde. Webseitenbetreiber können so deutlich präziser steuern, welche automatisierten Zugriffe sie zulassen, priorisieren oder blockieren wollen. Das verbessert nicht nur die Sicherheit, sondern schützt zugleich die User Experience und die Serverinfrastruktur.
Bots, die sich authentifizieren, können sogar besondere Zugriffsrechte erhalten und so zum Wachstum und zur Qualität des Webs beitragen. Die technische Basis für diese Zukunft ist heute schon vorhanden. Standards wie HTTP Message Signatures sind veröffentlicht und haben erste Implementierungen in Browsern und Servern erfahren. Cloud-Anbieter und Web-Architekten können damit beginnen, diese Verfahren zu implementieren und ihre Websites zukunftssicher zu machen. Das Umdenken weg von IP-Adressen hin zu kryptografischer Authentifizierung macht das Internet transparenter und robuster.
Es stärkt das Vertrauen in automatisierte Dienste und hilft, die Herausforderungen der neuen Internet-Ära, die von immer intelligenteren Bots geprägt sein wird, zu bewältigen. Fazit Das traditionelle Modell zur Bot-Erkennung, das sich auf IP-Adressen und User-Agent Header stützt, ist unter modernen Bedingungen zunehmend unzuverlässig. Die Evolution des Internets, mit wachsender Automatisierung, Cloud-Infrastrukturen und KI-Agenten, erfordert eine neue Art der vertrauenswürdigen Identifikation. Kryptografische Verfahren wie HTTP Message Signatures und Mutual TLS bieten genau dies: Sie sind manipulationssichere, überprüfbare und standardisierte Methoden, die Bots erlauben, ihre Identität eindeutig zu belegen. Diese Technologien verändern das Spiel für Webseitenbetreiber, die so künftig präziser entscheiden können, welche automatisierten Zugriffe erwünscht sind und welche nicht.
Gleichzeitig eröffnen sie Entwicklern von Bots und Agenten neue Möglichkeiten, ihre Dienste transparent und vertrauenswürdig zu gestalten. Die Kombination aus modernen Verschlüsselungsstandards und einem offenen Ökosystem verspricht einen nachhaltigen Schritt hin zu einem sichereren, faireren und effizienteren Internet.