In vielen Familien zeigt sich ein bemerkenswertes Phänomen: Vermögen, das mit harter Arbeit und klugen Entscheidungen einer Generation aufgebaut wurde, ist häufig schon bei den Enkeln deutlich reduziert oder sogar ganz aufgebraucht. Dieses Muster wird in der Umgangssprache oft als „Reichtum über drei Generationen hinweg“ beschrieben – die erste Generation schafft Vermögen, die zweite erhält und vermehrt es meist noch, doch die dritte Generation lässt es oft wieder schwinden. Doch warum ist das so und welche Mechanismen wirken hier im Hintergrund? Ein zentraler Grund, warum Vermögen selten bis zu den Enkeln reicht, liegt im Unterschied zwischen dem Aufbau von Vermögen und dessen Erhalt. Die erste Generation investiert meist enorm viel Zeit, Energie und Disziplin in den Vermögensaufbau. Dabei sind häufig unternehmerischer Mut, Sparsamkeit und ein starker Antrieb die Treiber.
In der zweiten Generation steht oft schon ein gewisses Sicherheitsgefühl im Vordergrund: Man möchte den Erhalt des Erbes sicherstellen und es sinnvoll verwalten. Allerdings ärgern sich viele gemachte Erfahrungen über übermäßige Sparsamkeit oder konservative Anlagepolitik in dieser Zeit, die zwar das Vermögen sichern, aber nicht unbedingt vermehren. Die dritte Generation hingegen ist meist in einer ganz anderen Situation: Sie ist oft sozialisiert in einem Wohlstandsumfeld, wo das Gefühl für den mühsamen Prozess des Vermögensaufbaus weitestgehend fehlt. Ohne die prägenden Erfahrungen des Aufstiegs ist der Respekt vor dem Vermögen und die Motivation, es klug zu erhalten, häufig reduziert. Zudem spielen gesellschaftliche Veränderungen eine Rolle, denn die heutigen Enkel wachsen in einer Welt mit anderen Erwartungen, Konsumgewohnheiten und finanziellen Herausforderungen auf.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist das fehlende Wissen im Umgang mit Geld. Während die erste Generation oft ein Unternehmerwissen oder tiefes Fachwissen mitbringt, sind die Kinder und Enkel häufig nur indirekt involviert. Das führt dazu, dass finanzielle Bildung innerhalb der Familie oft zu kurz kommt. Fehlende Kenntnisse in Finanzplanung, Vermögensverwaltung und Steuerrecht begünstigen Fehlentscheidungen, die das Vermögen schmälern können. Auch der Einfluss der Konsumgesellschaft darf nicht unterschätzt werden.
Junge Menschen sind heutzutage vermehrt von Konsumreizen umgeben, die es schwer machen, ein Bewusstsein für nachhaltiges Sparen und Investieren zu entwickeln. Luxusartikel, teure Autos oder aufwendige Urlaube gelten als Statussymbole und stellen eine Versuchung dar, das Erbe frühzeitig zu verzehren. Wer ohne eine klare Vermögensstrategie aufwächst, hat es deshalb schwerer, den Wert von finanziellem Rückhalt zu erkennen. Neben den innerfamiliären Faktoren wirken auch externe Einflüsse negativ auf den Erhalt von Vermögen über Generationen hinweg. Steuerliche Belastungen, Erbschaftsregelungen und gesetzliche Vorgaben, die sich über die Jahrzehnte ändern können, sind dynamische Komponenten, die zu unvorhergesehenen Abgaben und Aufwendungen führen.
Ohne vorausschauende Planung können durch Erbschaften erhebliche Steuern entstehen, die einen großen Teil des übertragenen Vermögens verschlingen. Darüber hinaus ist die Art der Vermögenswerte entscheidend. Während immaterielle Vermögenswerte wie Unternehmensanteile, Immobilien oder Kunstwerke langfristig gut erhalten bleiben können, führt die Auflösung in liquide Mittel oftmals zu einem schnelleren Verbrauch. Wenn innerhalb der Familie keine Investitions- oder Erhaltungsstrategie besteht, werden solche Werte häufig verkauft oder anderweitig veräußert, was den Vermögenserhalt erschwert. Familiäre Dynamiken spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle.
Konflikte, Uneinigkeiten oder unterschiedliche Sichtweisen auf das Vermögen können dazu führen, dass Entscheidungen nicht gemeinsam oder rücksichtsvoll getroffen werden. Erbstreitigkeiten sind keine Seltenheit und gehen oft mit einer Zersplitterung des Vermögens einher. Dadurch verliert die Substanz an Wert und kann sogar komplett aufgelöst werden. Wie kann nun der nachhaltige Erhalt von Vermögen über die Generationen hinweg ermöglicht werden? Zunächst ist die Vermittlung von finanziellem Wissen innerhalb der Familie essenziell. Kinder und Enkel sollten frühzeitig mit dem Thema Geld, Investitionen und Vermögensverwaltung vertraut gemacht werden.
So entsteht ein Verständnis für die Bedeutung des Wohlstands und ein Verantwortungsgefühl, es zu erhalten und klug einzusetzen. Eine professionelle Vermögensverwaltung kann ebenfalls helfen, die Herausforderungen der finanziellen Komplexität zu meistern. Experten können steuerliche Fallen umgehen, Anlagestrategien optimieren und auf langfristigen Werterhalt achten. Dabei sollten Familien jedoch darauf achten, die Verwaltung transparent zu gestalten und die Mitglieder regelmäßig zu involvieren, um eine gemeinsame Vision zu fördern. Auch die rechtliche Gestaltung der Vermögensübertragung durch Testamente, Trusts oder Familienstiftungen kann einen wichtigen Einfluss haben.
Solche Instrumente ermöglichen es, das Vermögen gezielt zu schützen, steuerliche Vorteile zu nutzen und klare Regeln für die Nutzung und Verteilung aufzustellen. Damit lassen sich Erbstreitigkeiten minimieren und Familienbande stärken. Langfristiges Denken ist ein zentraler Schlüssel. Familien sollten bereits frühzeitig Strategien erarbeiten, die nicht nur auf kurzfristigen Konsum, sondern auf nachhaltigen Erhalt setzen. Dazu gehören beispielsweise Investitionen in Wachstumsmärkte, Diversifikation der Anlagen und die Förderung von Unternehmertum auch bei den folgenden Generationen.
Ein weiterer Aspekt ist die Entwicklung einer gemeinsamen Familienkultur, die Werte wie Verantwortung, Sparsamkeit und Respekt vor dem Vermögen betont. Der offene Austausch über Geld und die gemeinsame Zielsetzung schaffen ein Fundament, auf dem sich Vermögen sichern und vermehren lässt. Dafür sind regelmäßige Familienmeetings oder Workshops sinnvoll, um alle Mitglieder einzubinden und weiterzubilden. Nicht zuletzt spielt die individuelle Einstellung der Enkelgeneration eine große Rolle. Auch wenn die heutigen Umstände unterschiedlich sind, können sie durch Bildung und Aufklärung zu verantwortungsvollen Vermögensverwaltern heranwachsen.
Die Vermittlung von Geschichten und Erfahrungen der Vorfahren erzeugt oft einen emotionalen Bezug, der die Motivation stärkt, den Wohlstand zu bewahren. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das seltene Überdauern von Vermögen bis zu den Enkeln kein unabwendbares Schicksal ist. Vielmehr ist es das Zusammenspiel aus mangelnder finanzieller Bildung, gesellschaftlichem Wandel, familiären Konflikten und unzureichender Planung, das zur schnellen Auflösung führt. Mit gezielten Maßnahmen, einem langfristigen Denken und dem Aufbau einer werteorientierten Familienkultur können Familien jedoch Wege finden, ihren Wohlstand nachhaltig zu erhalten und für Generationen lebendig zu halten.