Der Automobilmarkt in China, der weltweit größte seiner Art, erlebt momentan eine Phase tiefgreifender Verwerfungen, die durch einen eskalierenden Preiskrieg befeuert werden. Besonders die Elektromobilitätsbranche befindet sich in einem extrem harten Wettbewerb, der nicht nur Rabattschlachten provoziert, sondern auch die Zukunft zahlreicher Hersteller aufs Spiel setzt. Das jüngste Vorgehen des Branchenprimus BYD, das seine Fahrzeugpreise massiv gesenkt hat, markiert einen Wendepunkt, der die bestehende Struktur der Industrie stark verändern könnte. BYD, ein der führenden Hersteller von Elektrofahrzeugen in China, hat vor kurzem die Preise für über ein Dutzend Modelle gesenkt. Besonders drastische Preiskürzungen gab es etwa beim günstigsten Modell, dem batterieelektrischen Kleinwagen Seagull, dessen Startpreis von etwa 10.
000 US-Dollar auf rund 7.765 US-Dollar gefallen ist. Dieser Schritt hat kurzfristig für erhebliche Kursverluste bei BYD selbst gesorgt, da die Aktie an der Börse in Hongkong um über 8 Prozent fiel. Zudem beeinträchtigte diese Entwicklung auch andere Hersteller wie Geely, dessen Aktienkurs sogar um rund 9,5 Prozent einbrach. Auch junge Startups wie Nio und Leapmotor verloren im Handel deutlich an Wert.
Die intensive Preisschlacht wird von Experten als Signal für einen bevorstehenden nachhaltigen Wandel gewertet. Tu Le, Geschäftsführer der Beratungsfirma Sino Auto Insights, warnt vor einem „Blutbad“ im Verlauf des Jahres, bei dem vor allem schwächere Marktteilnehmer unter enormem Druck stehen. Unternehmen wie Neta oder Polestar, die bereits jetzt eher wackelig auf den Beinen sind, könnten von den anhaltenden Verlusten und Preissegmenten letztlich vom Markt verschwinden. Diese Einschätzung legt nahe, dass der chinesische Automobilmarkt sich auf eine Phase der Konsolidierung zubewegt, ähnlich dem historischen Muster, das etwa die amerikanische Autoindustrie Anfang des 20. Jahrhunderts durchlaufen hat.
Ein weiterer beunruhigender Aspekt ist die Aussage von Wei Jianjun, Vorsitzender von Great Wall Motors, der den Zustand der Branche als „ungesund“ beschreibt. Er sieht Parallelen zur Evergrande-Krise, die 2023 den chinesischen Immobilienmarkt erschütterte und letztlich zur Liquidation des Konzerns führte. In einem Interview deutete Wei an, dass ähnliche Risiken auch in der Automobilindustrie bestehen könnten, da viele Unternehmen derzeit mit massiven finanziellen Belastungen kämpfen und die Preisspirale nach unten ihre Margen aufzehrt. Neben den direkten Preiskämpfen scheint sich auch ein intransparenter Trend bei den Verkaufspraktiken abzuzeichnen. Handel und Hersteller nutzen zunehmend Methoden wie den Verkauf von Fahrzeugen, die offiziell als „Gebrauchtwagen“ gelten, aber in Wahrheit neuwertig und gar nicht genutzt wurden.
Damit werden aggressive Verkaufsziele erreicht und die Zahlen aufpoliert, was jedoch das Vertrauen und die Marktmechanismen belastet und die ohnehin angespannte Lage verschärfen könnte. Die massive Zunahme an Wettbewerbern im chinesischen Automobilsektor ist eine wesentliche Ursache für die angespannte Situation. Laut Daten von Jato Dynamics sind derzeit 169 Unternehmen aktiv, von denen jedoch mehr als die Hälfte einen Marktanteil von unter 0,1 Prozent hält. Viele dieser Startups sind vor allem in der aufstrebenden Nische der Elektromobilität tätig, einem Bereich, der in den letzten zehn Jahren rapide gewachsen ist und enormes Potenzial verspricht. Dennoch führt die Vielzahl kleiner Akteure zu einem hochgradig fragmentierten Markt, der Ähnlichkeiten mit der Entwicklung des US-Automarktes zu Beginn des 20.
Jahrhunderts aufweist, bevor er sich durch Konsolidierung stabilisierte. Diese starke Fragmentierung erzeugt einen Verdrängungswettbewerb, der durch den technologischen Fortschritt kaum gemildert wird. Zwar konnten viele Hersteller mit innovativen Features wie Fahrerassistenzsystemen früher einen Preisaufschlag erzielen, doch aufgrund der breiten Verfügbarkeit dieser Technologien sind diese Vorteile zunehmend Standard und werden nicht mehr separat berechnet. Dies treibt die Preiskämpfe weiter an und führt zu einer Erosion der Profitabilität. Das gestiegene Konsumenteninteresse an Elektrofahrzeugen und die staatliche Unterstützung für den Übergang zu einer grünen Mobilität haben zu einem Boom in Chinas Automobilmarkt geführt.
Gleichzeitig bedeutet die enorme Angebotsvielfalt aber auch eine schwer überschaubare Marktlage, in der Preiskriege zum strategischen Mittel werden. Dabei kämpfen die Hersteller nicht nur um Marktanteile, sondern auch um das Überleben in einem Umfeld, das sich stetig verändert und in dem die regulatorischen Rahmenbedingungen, Rohstoffpreise und technologische Standards großen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit haben. Angesichts der internationalen Bedeutung des chinesischen Automarktes auch für globale Zulieferer und Investoren sind die Entwicklungen hier von großer Tragweite. Ein potenzieller Konsolidierungsprozess birgt sowohl Risiken als auch Chancen. Während schwächere Unternehmen unvermeidlich ausscheiden werden und damit Arbeitsplätze und Investitionen gefährdet sind, können stärkere und besser aufgestellte Hersteller daraus gestärkt hervorgehen und ihre Innovationsfähigkeit weiter ausbauen.