Die jüngste gerichtliche Entscheidung im Fall Epic gegen Apple sorgt für weitreichende Veränderungen in der Welt der iOS-App-Monetarisierung – vor allem in den Vereinigten Staaten. Apple wurde verpflichtet, externe Zahlungslinks in iOS-Apps zuzulassen, wodurch die bisherige Dominanz des Apple App Stores und insbesondere dessen 30-prozentige Gebühr auf In-App-Käufe in Frage gestellt wird. Für Entwickler, Produktmanager und Marketingexperten ist dies eine enorme Chance, die Monetarisierungstrukturen zu überdenken und neue Wege zu gehen. Diese Veränderungen sind nicht nur von rechtlicher Bedeutung, sondern können das App-Geschäft grundlegend neu gestalten und zu einem faireren, transparenteren Ökosystem führen. Im Folgenden erläutern wir die Hintergründe der Entscheidung, die wesentlichen Änderungen und welche unmittelbaren Auswirkungen und Vorteile sich daraus für verschiedene Akteure ergeben.
Außerdem stellen wir praktische Vorgehensweisen vor, mit denen Entwickler und Teams die neuen Möglichkeiten schnell umsetzen können. Die Weichenstellung für zukunftsfähige Monetarisierung Im Kern geht es in der Epic gegen Apple Rechtssache darum, wie Apple seine Monopolstellung im Bereich App-Vertrieb und Zahlungsabwicklung ausnutzt. Bislang war es für Entwickler zwingend, In-App-Käufe ausschließlich über Apple abzuwickeln, wofür Apple eine Provision zwischen 15 und 30 Prozent der Umsätze einstrich. Diese sogenannte „Apple Tax“ wurde von Gerichten und der Entwicklungsgemeinschaft als wettbewerbswidrig kritisiert, da sie Innovationen hemmt und den Wettbewerb schädigt. Das jüngste Urteil mit der Richterin Yvonne Gonzalez Rogers an der Spitze macht dieser Praxis im US-Markt ein Ende.
Apple darf Apps nicht länger daran hindern, Nutzer mit Links zu externen Zahlungsmöglichkeiten auf Webseiten oder andere Plattformen zu führen. Zudem dürfen keine Gebühren für Käufe erhoben werden, die ausserhalb der App getätigt werden. Für viele Entwickler bedeutet dies, dass sie die volle Kontrolle über ihre Bezahlprozesse und Einnahmen zurückerhalten. Die zentralen neuen Regeln Nach der gerichtlichen Anordnung wurde Apples App Review Guideline in den USA aktualisiert. Entwickler dürfen nun aus ihren Anwendungen heraus unbegrenzt externen Zahlungslinks einsetzen, ohne Einschränkungen beim Design oder der Anzahl.
Apple ist es untersagt, Nutzer mit abschreckenden Hinweisen oder zusätzlichen Hindernissen davon abzuhalten, alternative Zahlungsmethoden zu wählen. Auch das Abkassieren einer Provision auf Transaktionen, die außerhalb der In-App-Kauf-Mechanik stattfinden, wurde verboten. Es gibt allerdings Ausnahmen: sogenannte „Reader-Apps“, wie Spotify, können komplett auf externe Zahlungsplattformen setzen ohne In-App-Käufe anbieten zu müssen. Insgesamt zeigt sich aber, dass die Umsetzung und Durchsetzung der Regeln anfangs noch uneinheitlich erfolgt und Apple die Anwendung des neuen Leitfadens mit Vorsicht behandelt. Für Entwickler ist es wichtig, sich jetzt auf mögliche Anpassungen vorzubereiten und dabei rechtliche sowie technische Entwicklungen kontinuierlich zu beobachten.
Vorteile für Entwickler Neben der offensichtlichen finanziellen Entlastung am stärksten betroffen sind Entwickler, die nun die erwirtschafteten Umsätze vollständig behalten können, sofern sie den Kaufvorgang nach draußen verlagern. Die dadurch frei werdende Marge ist gerade für kleine Indie-Studios oder Startups eine wichtige Einnahmequelle und kann langfristig überlebensentscheidend sein. Gleichzeitig eröffnet das neue Regelwerk die Freiheit, individuelle und flexibel gestaltbare Bezahlstrecken zu realisieren. Webseitenbasierte Lösungen können an die Markenidentität angepasst, mit erweiterten Funktionen ausgestattet und schneller aktualisiert werden als das Apple In-App-Kauf-System, das oft durch strenge Überprüfungen und Verzögerungen gekennzeichnet ist. Entwickler profitieren zudem von einer verbesserten Testbarkeit und können Produktverbesserungen am Zahlungserlebnis in Echtzeit durchführen – ohne dauernd auf Genehmigungen seitens Apple zu warten.
Auch die Umstellung auf alternative Bezahlmethoden, wie Stripe, Paddle oder andere Zahlungsdienstleister, wird durch die lockereren Richtlinien erleichtert. Die Kombination von internen App-Angeboten mit externen Links bietet zudem Flexibilität, da Apple weiterhin In-App-Käufe für direkt in der App gestartete Transaktionen verlangt, externe Zahlungen aber auch legal umgangen werden können. Chancen für Produktmanager Die neuen Möglichkeiten eröffnen insbesondere Produktmanagern eine erweiterte Experimentierfläche im Hinblick auf die Monetarisierung. Mit externen Zahlungslösungen lassen sich komplexere und zielgruppengerechtere Kaufprozesse gestalten. Dabei kann etwa die Darstellung detaillierter Produktinformationen, mehrere Upsell- und Bundling-Optionen oder individuell abgestimmte Promotionen realisiert werden, die im starren System von Apple bisher kaum möglich waren.
Die Flexibilität erstreckt sich auch auf die Preisgestaltung: Rabatte, Gutscheinaktionen oder regionale Anpassungen lassen sich ohne umständliche Apps-Reviews durchführen. Produktmanager können so dank schneller Iterationen und A/B-Tests genau herausfinden, welche Zahlungswege und Preismodelle am besten performen. Durch die parallele Bereitstellung von In-App-Käufen und externen Links können unterschiedliche Nutzerpräferenzen bedient werden – beispielsweise jene, die es besonders bequem mögen und Apple Pay bevorzugen, sowie preisbewusste Käufer, die Webrabatte nutzen wollen. Auch die erweiterte Kommunikation mit Nutzern zahlt sich aus: Anders als früher ist es nun möglich, in der App offen auf günstigere oder exklusive Webangebote hinzuweisen und damit mehr Transparenz zu schaffen. Marketing- und Wachstumsstrategien neu denken Für Marketingverantwortliche öffnen sich ebenfalls neue Horizonte.
Die Einnahmen, die durch Entfall der Apple-Gebühren auf externen Zahlungen zurückgewonnen werden, können in Wachstumskanäle reinvestiert werden. So erhöht sich die Profitabilität von Kampagnen und erlaubt ein höheres Budget für Nutzerakquise oder bessere Belohnungen in Form verlängerten Testzeiträumen oder attraktiveren Rabatten. Die unabhängige Preisgestaltung hilft dabei, Produkte attraktiver zu positionieren und Kampagnen flexibler zu gestalten, was sich positiv auf die Kundenbindung und den Customer Lifetime Value auswirkt. Entscheidend ist auch der gewonnene Zugang zu Kundendaten: Wer über die eigene Webseite verkauft, kann E-Mails sammeln, erweiterte Zielgruppensegmentierungen vornehmen und individuelle Marketingaktionen ausspielen – Funktionen, die Apple traditionell nicht bereitstellt. Dadurch ergeben sich bessere Attributionen von Werbemaßnahmen und die Möglichkeit zu direkter Kundenkommunikation.
Zusätzlich verbessert sich durch Tracking-Tools auf Web-Checkout-Seiten die Messbarkeit von Conversion-Rates und Kampagnen-ROI deutlich. So lässt sich das Marketing datengetriebener und effizienter gestalten als früher. Praktische Umsetzung: Der Web Paywall Button Mit Blick auf die schnelle Umsetzung der neuen Regeln hat RevenueCat unmittelbar nach der Bekanntgabe eine technische Lösung vorgestellt: den „Web Paywall Button“. Diese Komponente lässt sich in das bestehende native Paywall-Setup integrieren und führt Nutzer direkt zu einem externen Web-Checkout, wo die Zahlung abgewickelt wird. Im Anschluss werden Zugriffsrechte und Abonnements automatisch in der App freigeschaltet.
Entwickler können so ohne großen technischen Aufwand und Umwege die externen Zahlungswege testen und produktiv einsetzen. Empfehlenswert ist dabei ein kontrollierter Rollout mit geografischer und versionsbezogener Filterung, um zunächst gezielt nur Nutzer in der USA anzusprechen und alle anderen weiterhin über Apples In-App-Käufe abzuwickeln. Parallel kann man Split-Tests zwischen traditionellem IAP-Paywall und erweitertem Zahlungsfluss durchführen und anhand von Conversion- und Umsatzdaten entscheidet, welcher Weg besser performt. Die Dynamik des Markts und die klare juristische Lage führen zu einer rasanten Weiterentwicklung von Tools und Strategien in diesem Bereich. Wichtige Herausforderungen und Ausblick Trotz der vielversprechenden Perspektiven sind noch einige Unsicherheiten vorhanden.
Apple arbeitet intensiv daran, das Review-Verfahren anzupassen und versucht stellenweise noch, gewisse Vorgaben durchzusetzen. Nicht alle Apps, die externe Links nutzen, passieren problemlos den App Store-Check, insbesondere wenn keine parallelen In-App-Käufe angeboten werden. Dieses Regelwerk wird sich in den nächsten Monaten weiterentwickeln. Weiterhin darf die interne IAP-Mechanik für Käufe, die direkt innerhalb der App initiiert werden, nicht ausgehebelt werden. Hersteller und Teams müssen also ihre Kaufprozesse gut strukturieren und sicherstellen, dass sie den rechtlichen Vorgaben genügen.
Auch die internationalen Märkte bleiben unberührt von dem US-Beschluss, hier gelten weiterhin strikte Apple-Richtlinien bezüglich In-App-Käufen, was die Monetarisierungsstrategie komplexer macht. Dennoch zeigen Innovationsbeispiele, dass mit klugem Mix aus Web- und App-bezogenen Zahlungsmöglichkeiten attraktive Monetarisierungsmodelle entstehen können. Fazit: Eine neue Ära für iOS-App-Monetarisierung Das Urteil im Epic-vs.-Apple-Prozess stellt einen Meilenstein im App-Ökosystem der USA dar. Entwickler bekommen mehr Kontrolle, Produktmanager mehr Gestaltungsspielraum und Marketingexperten neue Chancen, Umsätze zu steigern und nachhaltiger zu wachsen.